Paris. Am Pfingstsonntage, wo der Kaiser aus seiner Privatkasse dem Publikum freien Zutritt zur Weltausstellung gewährte, hatten nicht weniger als 80,000 Personen den Industrie- und 25,000 den Kunstpalast besucht, wobei fortwährend die größte Ordnung herrschte.
Marseille, 25. Mai. Auf unfern Straßen wimmelt es von Soldaten aller Waffengattungen, Kürassiere Dragoner, Husaren, Jäger, Artilleristen, Infanteristen, Fuhrwesen kommen täglich an, schiffen sich ein und werden gleich wieder durch andere ersetzt. Alles dieses aber ist noch nichts. Man erwartet in 14 Tagen eine englische Kriegsflotte von 5 Linienschraubenschiffen, 5 Dampfsregalten und mehreren Corvctten. Gleich nach deren Ankunft werden von allen Theilen Frankreichs 45,000 Mann durch die Eisenbahn hier eintreffen und auf oben bemeldeten Schiffen, sowie aus allen von der Regierung zurückgehalteuen HandeiSdampf- und Segelschiffen eingeschifft werten. In kurzer Zeit werden 200,000 Franzosen im Orient sich befinden. (S.M.)
Aus Madrid, 19. Mai, wird geschrieben: Seit zwei oder drei Tagen war unter der Madrider Bevölkerung das Gerücht verbreitet, daß ein Cristusbild in der Franciscuskirche Blut schwitze und den Kopf bewege. Da strömte alles in die Kirche, um das Wunder zu sehen und die Sache kam so weit, daß die bivilbehörde cinzuschreiten genöthigt war. Das Bild wurde herabgenommen und in der Mitte der Kirche ausgestellt, wo Jedermann sehen konnte, daß es so unbeweglich als sonst blieb. Damit begnügte sich aber der Gouverneur von Madrid nicht. Die Polizei leitete eine Untersuchung ein und es wurde entdeckt, daß die Verbreiter des Gerüchtes zwei Kapläne sind, von denen der eine ein Carlist. Einer wurde verhaftet, der andere ist auf der Flucht.
London, 24. Mai. Auf eine Interpellation im Unterhaus erklärt Lord Palmerston: Oesireichs Martialge- setz in den Donaufürstenthümern bestehe bloö gegen Verführer östreichischer Soldaten. Hr. Disraeli verdammt die Politik gleichzeitiger Kricgsführung und Unterhandlung.
London, 25. Mai. In der heutigen Unterhaus- sitzung, der letzten vor Pfingsten, erklärte Lord Palmerston: Die Wiener Konferenzen seien nicht erneuert. Englands Vertreter könne ihnen ohne neue Instruktionen nicht beiwohnen.
London, 26. Mai. In der Oberhaussitzung zog Lord Grey seinen Friekensantrag zurück (der edle Lord hält nämlich die russischen Vorschläge für ganz annehmbar), nachdem die Lords Clarendon, Argyll, Granville, Mal- mesbury, ja selbst der Bisch.ff von Orsorb den Krieg ver- theidigt hatten. Auch im Unterhaus waren die Kriegsstimmen überwiegend. Lord Palmerston befürwortete dringend die beabsichtigte Beschränkung der russischen Flotte, dabei leugnete er die Annehmbarkeit der russischen Vorschläge und die angebliche Spaltung des Kabinets in der Kriegsfrage. Disraelis Motion wurde mit 319 gegen 219 verworfen. Weitere Debatten bis nach Pfingsten vertagt.
Königin Victoria hat unter fünfhundert Offizieren und Soldaten, die vor Sebastopol zu Krüppeln geschossen worden sind, eigenhändig und öffentlich goldene Ehrm-Medaillcn vertheilt. Viele konnten sich nur an Krü
cken zur Königin, die auf einem Sessel vor dem Gebäude der Commandantur saß, Hinschleppen. Capitän Troubridge ließ sich in einem Handnägclchen zur Königin fahren und ward zu ihrem Adjutanten ernannt. In der Schlacht von Jnkormann riß ihm eine Kanonenkugel daS rechte. Bein und den linken Fuß weg und er kommandirte dennoch seine Batterie bis zum errungenen Sieg. — Der Herzog von Coburg wohnte der Feierlichkeit in östreichischer Uni, form bei.
Nördlicher Kriegsfchauplaz. Englische Blätter bringen Nachrichten von Nargen (vor Reval) vom 22. Mai, nach welchen die englische Flotte die Feindseligkeiten noch nicht eröffnet hat. Die französischen Schiffe waren noch nicht augclangt. Einige Dampfer waren in den Du- sen von Kronstadt vorgedrungen, ohne daselbst noch, Eis vorzufinden.
Konstantinopel, 14. Mai. Vorige Woche ist Dr. Parks aus London mit einem großen Stab von Ci- vllärzten hier angekommen. Er bringt ein ganzes eisernes Hospital mit, das in den Dardanellen ausgestellt und ein Musterhospital werden soll.
AuS Konstantinopel schreibt man der Times vom 14. Mai: Man ist hier wegen der Verproviantirung der tückischen Armee inBesorgniß; dieNnterschlcife sind großartig. 2,250,000 Okaö Reis, die längst bezahlt wurden und 14 Tage zur Erhaltung von 50,000 Mann hiureichen würden, sind nie abgeliefert worden, und ein Gleiebes gilt von andern Anikeln. Es ist kein Zweifel, daß gegen Omer Pascha fortwährend intriguirt wird. Der Seraskier soll alle Lieferungen an ihn möglichst lange zurückhalten, und so kommt es, daß die türkische Flotte nicht zum Transport von Vorrathcn verwendet wird, wozu sie sehr brauchbar wäre.
Die „Mg. Ztg/ hat folgende Depesche üb« Wien, 28- Mai, erhalten: Ein englischer Konsularbericht aus Varna meldet: Die Expedition nach Kertsch ist gelungen. 20,000 Alliirte sind gelandet. Die Russen zogen sich inS Innere zurück, nach Zerstörung der sämmtlichen Festungswerke und dreier Schiffe. Eine Depesche Lord Raglans sagt: Die Truppen landeten an dem Geburtstag der Königin (24. Mai) zu beiden Seiten der Meerenge, und ein Dampfer, einige Segelschiffe von 50 Kanonen fielen in die Hände der Alliirten.
Russischerscits wird aus Sebastopol, 20. Mai, gemeldet: Vom 14. bis 19. Mai hat sich nichts von Bedeutung vor Sebastopol ereignet, das feindliche Feuer war ziemlich schwach und unser Verlust mäßig. — Auf beiden Seiten ist inan bemüht, die vorhandenen Batterien zu re- rarircn und neue aufzurichteu. — Nach Aussage eines Go fangenen haben sich 15,000 Sardinier mit den alliirten Truppen bei Sebastopol vereinigt; die türkischen Truppen, die sich daselbst befanden, sind nach Eupatoria cingcschisst worden. (Die sardinischen Truppen sind bekanntlich nach einer Meldung des Generals Canrobcrt am 9. Mai vor Sebastopol angckommcn, und Omer Pascha hat sich am 22. April nach Eupatoria eingeschifft.)
Fürst Gortschäkoff meldet aus Sebastopol vom 21, Mai: Bis zum 21. Abends nichts von Bedeutung vor Se-