Lautlos sank Maria Hoorn zu Boden.
„Rantzow," befahl der Prinz, indem er sich über die Ohnmächtige beugte, „eilt! der Spruch ist aufgehoben. Ich begnadige Alle; den jungen Hoorn aber bringt vor uns." Daun faßten seine Arme das Mädchen und trugen es auf einen Feldstuhl. Und als jetzt ans die Lilienwangen die Morgenröthe des Lebens wiederkehrte, ries er mir zärtlicher Stimme: „Maria, warum mußten wir uns so begegnen. Bete, frommes Mädchen, daß dein guter Engel dich nicht zu spät hieher führte."
Da trat du Terrail, der durch die Erscheinung Hoorns die Entdeckung seines Anschlages fürchtete, trotzig ror den Prinzen. „Noch einmal, gnädigster Herr," sagte er, ,,feh' ich mich gezwungen, durch Widerspruch Euern Zorn zu reizen; denn tadeln muß ich es, daß Ihr einem Weibe zu Gefallen das Opfer gerechter Sühnung anfgebcn könnt. Dem Feldherrn, der, ohne Repressalien zu gebrauchen, seine Soldaten durch Feindes Hand den Tod der Schande sterben läßt, will ich nicht länger dienen. Empfangt somit Eure Fcldbinde zurück, wie ich meinen Degen nun wieder frei erackte, der übrigens zu Euer Gnaden besonder» Diensten steht."
„Hauptmann du Terrail," gab Oranien stolz zurück, „Ihr seid entlassen! Auch Eure Klinge nehme ich an, sobald jene Wälle unser sein werden. Bis dahin müßt Ihr aber als mein Gast im Lager verweilen."
Der abgedankte Adjutant wurde leichenblaß. Endlich rief er: „Eine wohlübcrdachte List, wenn man sich nicht schlagen will. Mein Prinz, wollt Ihr mich nicht lieber gleich vor ein Kriegsgericht stellen? Die Herren werden schon so gefällig sein, mich Euch mit möglichst vieler Cere- monie vom Halse zu schaffen.
„Verwegener!" brach der Prinz los, „was —"
Da nahm Gras Hohenlohe das Wort: „Gnädigster Herr, verschwendet fürder kein Wort an Einen, der dem Henkerbeile verfallen ist. Sraatsbote, übe deine Pflicht!"
Jetzt trat dieser vor und sprach, indem er seine Rechte auf dcS Hauptmanns Achsel legte: „Ine Namen der erlauchten Generalstaaten der vereinigten Provinzen von Holland, Seeland, Utrecht, Geldern, -FrieSland, Ober-Assel und Groningen und aus Befehl ihres StaatSratheö verhafte ich dick, Franz du Terrail, als einen Hochverräther. — Ließ, mein hoher Prinz, zur Beglaubigung meines Auftrages." Hiermit gab er in die Hände Oranieas eine mit dem Siegel der Republik versehene Rolle.
„Wohlausgesonnen, Elender!" rief der Prinz, nachdem er das Schreiben durchflogen. „Bei Gott! du sollst keinen Grund mehr haben, meine Barmherzigkeit anzuktagen."
Ein Li>ute..ant näherte sich jetzt mst einigen Gardeschützen, um du Tcrrall, der wie eingcwur-clt vor dem Prinzen stand, zu vcchasten. Dieser aber sti.ß den Offizier zurück und wandte sich mit spöttischer Miene an Oranien, also sprechend: „Wie, mein thcurcc Prinz, Ihr könnt eö dulden, daß mau an einen Verkrame« Eurer Kri gsopera- tionen Hand anlegt? — Ihr schweigt? — F eitich, die Zeit ist vorüber, wo sich du Lerrails Kopf gebrauchen ließ. Indessen ich wünsche Euch Glück zu Eurer Braut, daö heißt, wenn Ihr keinen Korb bekommt (eine Anspielung
Huf Herzogcnbusch, das noch kein Feind bezwungen hatte). Nun kommt, Herr SlaatSbote, wir wollen in Haag Rede und Antwort geben, und sodann unsere Pässe verlangen. Adieu, Ihr Herren! Laßt Euch hier die Z nt nicht zu lange werden." Nach diesen Sorten machte er eine tiefe Verbeugung und verließ das Zelt.
Ein verstockter Schurke, dieser Franzose!" zürnte Hohenlohe, „aber die Folter wird ihn wohl kirre machen.
„Dock sagt, lheurer Freund," frug Oranien den Grafen Hohenlohe, „wie ward entdeckt, was mir drohte?"
„Tie Vorsehung, die Euer Haupt bewacht, wollte, daß zu Haag ein verdächtiger Mann eingezogen wurde. Man fand bei ihm ein Schreiben du Terrails, worin sich derselbe beklagt, daß Ihr noch immer nicht im Lager wäret, und daher der Streich verschoben werten müsse. Diese und andere Anspielungen, die auf ein verrätherisches Vorhaben hinwiesen, machten, daß der Elende scharf verhört ward. Bald entdeckte eS sich, daß Jener ein Agent dcS Spaniers und mit du Terrail in Unterhandlung gestanden sei, der sich erbot, die Herzogcnbuscher frei zu machen und Ench in ihre Hände zu liefern. ES hing dicß mit einem Anschläge zusammen, der gleichzeitig in Haag auSgeführt und durch welchen das spanische Regiment wiedereingeführt werden sollte. Der Staats.aih nahm kräftige Maßregeln, versicherte sich der Haupturheber dieser Verschwörung, die jetzt in Kerkernacht für ihren Frevel büßen. Ader cS galt noch Eines. Ein heißbeweinteö Opfer sielt jJhr, konnte man Euch nicht früh genug warnen. Man wählte mich hierzu, denn die Zeit war kostbar und nicht Vielen zu trauen. Pfeilschnell durchzog ich die Provinz und traf gestern im Schlosse Hoorns ein. Ihr wäret schon abgerückt, doch ein schlimmer Gast dort eingezogen. Ein Bote brachte nämlich zur selben Zeit die Kunde, daß der Sohn der Freifrau, der bei dem Spanier in Herzogendusch diente, von den Unsrigen gefangen worden sei und nebst Lindern durch die Hand des Henkers sterbcu sollte. Verzweiflung erfaßte darüber die Mutter; sie wurde dadurch gesteigert, daß sie Euch den Mörder ihres Kindes nennen mußte, und zerschmettert lag sie in dem Schloßgraben, hätte ich nicht noch zue rechten Zeit die Rasende erfaßt. Sv stand ich mit zerrissenem Herzen unter den Jammernden.. Ihr ferne und somit Rettung kaum denkbar. Ta beschwor mich Maria Hoorn, sie ins Lager zu führen; — Ihr solltet ihr den Bruder geben. — Mein Prinz, ich bin nicht weich geboren und manches Gefühl erdrückte die Eisenbrust, doch solche Thränen sah ich noch niemals weinen. Wir brachen sogleich aus gönnten uns keine Rast; ku'u Schlaf befiel das Haupt der zarten Jungfrau, und Gott erhörte ihr Flehen."
„Ach, Hohenlohe, ich fürchte, Ihr seid dennoch zu spät gekommen!" ließ sich Oranien halblaut vernehmen.
(Schluß solgt.)
Auflösung dcS RäthselS in Nr. 31. Die Weinflasche.