scheine», Gaetano aber ging ernst und ruhig hinterdrein. Kaum hatte Theresa den Baron erblickt, als sie, ihn Vater nennend, mit offenen Armen auf ihn zueilte, ihn auf die Seite in eine Ecke der Zelle zog und ihm leise erzählte, was man ihr alles seit dem Morgen Leids gethan.
„Laff das gut sein, mein Kind," sagte der Baron, „ich habe es schon gehört und ich möchte Dich deßhalb durch ein Vergnügen entschädigen; hättest Du wohl Lust, eine Tarantella zu tanzen?"
„Ach ja, ja, eine Tarantella!" rief das junge Mädchen aus und steltte sich ihrem Tänzer gegenüber, der schon in Bewegung war und den Pas machte, während Gaetano sein Instrument stimmte.
„Nun Gaetano, rasch, presto!" sagte der Baron.
„Einen Augenblick, Ew. Majestät, daS Instrument muß ja stimmen."
„Er hält mich für den König von Neapel," sagte der Baron zu uns; „sich bei einem Privatmann zu engagiren, wäre er zu stolz gewesen, aber ich habe ihn zu meinem Capellmeister gemacht, ihm den Kammcrherrntitel gegeben, und mit dem großen Bande LeS St. Januariusordens geschmückt, — nun ist er ganz zufrieden. Wenn Sie ihn anreden, so bitte ich, ihn Erretten; zu nennen. — Nun, Maestro, wie steht's?"
„Es kann angehen, Ew. Majestät" — und damit spielte er die Tarantella.
Man kennt die magische Wirkung, welche diese Melodie auf die Sicilianer macht, doch hatte ich das nie in einem selchen Grade gesehen, als bei diesen beiden Irren; ihre Gesichter verklärten sich, ihre Finger ließen sie knacken, als ob sie Eastagnclten schlügen, unv ihr noch von dem Baron angefenertcr Tanz wurde rascher und rascher. Nach einer Viertelstunde waren beide im Schweiß, tanzten aber dennoch nach dem immer schnelleren Takte, den sie merkwürdig genau enthielten, fort. Endlich brach der Mann ganz erschöpft zusammen und fünf Minuten nach ihm war auch das Frauenzimmer matt; da wurde Ersterer auf sein Lager, die Letztere nach ihrer Zelle getragen, der Guirarre- spieler aber wurde nach dem Garten gesandt, um auch die übrige Gesellschaft zu ergötzen.
Da liefen von allen Seiten ein Dutzend Irre, Männer und Frauen, in den sonderbarsten Aufzügen herbei, unter welchen ich sogleich den Sohn dcS Kaisers von China und den eingebildeten Tobten erkannte. Der Elftere trng eine prunkende Krone von Goldpapier auf dem Haupte, der Andere aber schritt ernst und feierlich, wie es einem Geiste geziemt, in einen großen weißen Lacken gehüllt, einher. Die klebrigen waren: der trübsinnige Irre, der sichtlich ungern kam, indem er von Zeit zu Zeit durch zwei Wärter fortgeschoben we.den mußte; eine Fran, die sich für di? heilige Theresa hielt, und die ihre Verzückungen hatte; dann eine junge Person von 20 bis 22 Jahren, an welcher man noch die Spuren einer früheren ausgezeichneten Schönheit erkannte. Auch diese folgte nur der Gewalt und wurde von ihrnrWä.terin mehr herb.igeschleppt als geführt. Da wurde der Tanz eröffnet.
Es war das cin eigenthümlicher Coniratanz! Ein Jeder der Tanzenden schien mechanisch dem Impuls irgend einer verborgenen Seringfedee ju gehorchen, die ihn in
Tritt setzte, während sein Geist die Bahn verfolgte, auf, welcher ihn sein Wahn erhielt; dem Schein nach eine muntere Quadrille, war sie in der Wirklichkeit eine traurige und Alles verrückt, die Tänzer wie die Musi ca
Ich mußte einen Augenblick bei Seite treten, fürchtend, sonst selbst verrückt zu werden.
Jetzt trat der Baron auf mi ch zu und sagte:
„Ich habe vorhin Ihre Unterhaltung mit dem armen Lucca unterbrochen, denn ich sehe es nicht gern, daß er sich in seinen metaphysischen SyNemen vertieft; die metaphysischen Irren sind am schwersten zu heilen, weil es da nicht anzngeben ist, wo die Vernunft aushört und der Wahn beginnt. Mag er sich für Dante, Tasso, Ariest, Shakspeare oder Chateaubriand halten, das schadet nicht; ich habe fast alle Diejenigen hergestellt, die nur diese Art von Irrwahn hatten, und bin auch überzeugt, daß mir das mit Lucca gelingen wirb, aber die arme Irre da, die sich abmüht, von den Tanzenden wcgzukommen und wieder füc sich allein zu sein, die werde ich nicht retten können." — „Laß sie, laß sie!" rief der Baron dann der Wärterin zu, welche sie zwingen wollte, im Eoatratanz zu bleiben. „Komm', Conftanza, komm', mein Kind!" Ec ging ihr ein paar Schritte entgegen und das Mädchen lies, ihre Freiheit benutzend, flü btig wie eine gescheuchte Gazelle und hinter sich blickend, ob man sie auch verfolge, auf ihn zu und fiel ihm schluchzend in die Arme.
„Nun, mein Kind, was hast Du denn wieder?"
„Ach Vater, Vater! sie wv/len ihre Masken nicht ab- legen, sich nur iym nennen und nun gehen sie mit ihm in ein Nebenzimmer. — Ach! um's Himmels Willen, gib das nicht zu, — sie werden ihn tödten! — Albano! Al- bano! Ha! —- o Gott! o Gott! eS ist geschehen! — eS ist zu spät!" — Und einer Ohnmacht nahe, warf sich das junge Mädchen in den Armen des Barons hintenüber. Obwohl an solche Austritte gewöhnt, traten ihm doch Tchrä- neu in die Augen.
Unterdessen tanzten die Andern ununterbrochen fort, ohne von dem Kummer des jungen Mädchens Notiz zu neh- men, und obgleich deren Krisis in ihrer aller Mitte begom nen hatte, schien Keiner eS bemerkt zu haben, selbst Lucca nicht, der wie rasend den Bogen führte, mit den Füßen stampfte und laut schreiend Figuren angab, an die sich Niemand kehrte. Es war eine Scene, wie Hosfmann sie erzählt, oder wie man sie wohl im Traume sieht.
Da eS nun für unö an der Zeit war, unS wieder zu entfernen, ich auch den Anblick beS Wahnsinns nicht lange zu ertragen vermag, so erbot sichrer Baron Pisani, der noch in dieser Richtung zu thun halte, uns zurück zu geleiten.
Als wir über den Hof gingen, sch ich das junge Mädchen, welches sich dem Baron in die Arme geworfen hatte, vor dem Bassin eines Brunnens knien, sich in dem Wa>scr spiegeln, ihr langes lockiges Haar netzen und eS bann an ihre glühende Stirn brücken.
Ich fragte den Baron, was die Veranlassung zu dieser düstern und bejammernswürdigen Geifteszerrittung gewesen sei, an deren Heilung er selbst verzweifelte, und da erzählte er mir dann, was folgt: (Schluß solgiL