allmäcktige Hand des Höchsten kann Allcs zum Besten lenken.

So waren die Jahre des Krieges vergangen, und ich hätte mich entschließen können, die Stelle eines SecretairS, welche ich- bei meinem, unterdessen zum Obersten eines Re­gimentes avancirten Herrn begleitete, auch für die Zukunst zu behalten, wäre nicht dennoch die Sehnsucht nach der Heimath und nach der Rückkehr zu meinem Berufe i och mächtiger in mir gewesen. Der Oberst ließ mich un­gern ziehen, und auch ich schied ungern von einem Manne, den ick, ackckni und lieben gelernt hatte. In der Heimath fand ich freilich Vieles verändeck. Mein ältester Bruder hatte da-S väterliche Geschäft ganz ausgebe» müssen, weil cs nicht mehr zu halten war, und die übrigen Geschwister hatten sich größtentheils zerstreut. Für mich schien auch an dem Orte meiner Geburt nichts mehr zu schaffen zu sein. Ich nahm mit schwerem Herzen Abschied und entschloß mich, mein Heil in der neuen Welt zu versuchen.

ES war damals noch eine günstige Zeit für die, welche auS Europa nach Amerika auswanderten. Talente und Ge­schicklichkeiten aller Art fanden die lebhafteste Anerkennung. Es ward mir nicht schwer, in meinem Berufe ein Unter­kommen zu finden. Ich widmete mich demselben mit neuer Liebe und mit aller mir zu Echote stehenden Kraft. Ich hatte einen braven und gütigen Herrn, dem ich um so eher befreundet wurde, als er auch ein Deutscher von Geburt war, und nun in der neuen Welt ein zweites Vaterland gesunden hatte. So war ich sechs volle Jahre in seinem Hause gewesen, und die göttliche Vorsehung fügte es, daß ich noch inniger mit ihm verbunden werben sollte. Sophie, die Tochter des Hauses, liebte ich schon längst im Stillen; aber als ein Fremdling und ohne Vermögen wagte ich es nicht, um ihre Hand zu bitten. Nur die Mutter wußte um unsere Liebe, und hatte sie gesegnet. Auf sie stutzten wir unsere Hoffnung, und hielt auch nicht schwer, die Einwilligung des Vaters zu erhallen, da ich mir wenigstens seine Sichtung zu erwerben gewußt hatte. An meinem Ge­burtstage wurde die Verlobung gefeiert, und am nächsten Johannistage wurde Hochzeit gehalten. Wir waren glücklich; wir suchten unsere besten Freuden nur in uns selbst, und wir sandcn sie. Eine Störung unseres Lcbensglückcs ver­ursachte der Tod der Mutter meiner Sophie. Wir begruben sie mit Thränen kindlicher Liebe und bewahrten ihr freund- liches Lebensbild im dankbaren Herzen. Unsere Ehe wurde mit Kindern gesegnet, die aber der Vater alle wieder zu sich rief, bis auf das älteste derselben, Henriette, Deine gute Mutter. Wir rissen sie weinend von unseren Herzen, aber wir gaben sie dem Vater Widder, der sie uns schenkte. Ter nach inchreren Jahren erfolgte Tob meines Schwiegervaters zerriß taS letzte Band, welches mich an die neue Welt knüpfte, und meine gute Sophie st im inte gern in meinen Wunsch ein. die väterliche Erde wiederum zu begrüßen. Wir ver­kauften unsere Besitzungen, beteten an den Gräbern unserer geliebten Entschlafenen, und verlaßen daS Land unsrer jugendlichen Liebe nicht ohne Schmerz und Wehmulh.

Die Uebersahrt war glücklich. Es waren mir mehrere vor- thcilhaste Anerbietungen zu einer neuen Ansiedelung in be­deutenden iSlädten gemacht. Mein Sinn stand ncny der Väterlichen Heimath, nach der Stätte meiner Geburt. Nach

mehreren Jahren gelang es mir auch, wiederum in den Besitz meines väterlichen HauftS zu kommen, und das ist die freundliche Stätte, wo ich auch das Haupt zur letzten Ruhe niederzulegen gedenke. Hier bist auch Du geboren, meine geliebte Marie, und hier sind viele schöne Tage an mir vorübergegangen, und die bösen habe ich auch als väterliche Schickungen Gottes betrachtet.

Wir richteten uns hier ans das Freundlichste ein. Un- sere Vermögens-Umstände gestalteten cs. Ein uuthätiges Leben wäre mir verhaßt und drückend gewesen. Auf den großen Markt deö Lebens wollte ich mich jrdoch nicht wieder begeben; ich bildete junge unvermögende, aber fleißige und häusliche Leute für dm kaufmännischen Stand, und die edle Sophie war cs gern zufrieden, daß wir von unserem Neben flusft- Arme und Dürftige unterstützten. Eine vorzügliche Sorgfalt wendeten wir auf die Erziehung unserer Henriette, Deiner seligen Mutter. Sie blühete geistig und körperlich auf das Schönste auf, und an der Hand eines edlen Jüng­lings, Robert O., trat sie zum Traualtäre. Unser häus­liches Glück hatte einen schönen Zuwachs erhalten; Gott hatte uns so gütig geführet. Aber seine Hund darf auch wieder nehmen, was sie gegeben, und ein gläubiges Ge- mülh spricht bei jeglichem Geschicke:Herr, Dein Wille geschehe!" Meine Sophie erkrankte heftig, und nach we­nigen Tagen hatte sie deS Todes Flügel umrauscht. Ich begrub sie mit zerrissenem Herzen, aber ich betete dennoch! Vater, Dein Wille geschehe!" Noch waren ja Heiuietle und Robert Mein, und ein Balsam auf unser wundes Herz war Deine Geburt, liebe Marie. Aber auch Du solltest nicht lauge von Mutterhaud geführt werden. Dein Vater zog mit in den heiligen Kampf für König und Vaterland und starb den Heldentod in der Schlacht bei Dennewitz. Deine Mutter überlebte den geliebten Gatten nur wenige Monden, der wiederkehrende Herbst streuele sein fahlcS Laub über ihr stilles Grab.

So bist Du nun, Marie, von allen meinen Lieben mir noch die Einzige geblieben, und Du wirst 'mir die Augen zudlücken, wenn ich entschlummere."

Der Greis hatte die einfache Erzählung seiner vicl- verschlungenen Lebcnöschickstule geendet. Ec heftete eine» langen wchmüthigeii und verklärten Blick auf die Bilder seiner Geliebten, und Marie sank weinend an seine Brust. Sie lasen dann miteinander in der alten Familienbibel die Erzählung von der Geburt dessen, der Leben und Unsterb­lichkeit anS Licht gebracht und dem Tode die Macht ge­nommen hat, und die stille Klage um den Tod der Ge­liebten, die auS ihren Herzen hcraussteigen wollte, verwan­delte sich in einen Triumphgcsang der Hoffnung:Ehre ffi Gott in der Höhe!"

Als der heilige Abend deS Christftstrs wiednkchrte, betete Marie allein in ihrem Kämmerlein. Der alle Valentin war im Herbste gestorben. Und als sic gebetet hatte, ging sie hinaus auf den stillen Friedhof, uno wie ein Engel Gottes stieg kaö Wort in ihre Brust hernieder:Friede auf Erden!"

Das Andenken deS Gerechten bleibt in Segen, und die dm Herrn fürchten, bleiben seine Kinder immerdar.