nicht ganz genau, ober besser gesagt, diese wurden durch Raub und Plünderung noch anderwärts zurückgebalten. Charlottei.s Muth war nur ein erzwungener, und je länger, desto n ehr wuchs nun wieder ihre Angst. Fünf Tage und fünf Nächte brachte Charlotte in fortwährendem Bangen zu, st den Aug'iiblick könnten die Soldaten erscheinen und sie hinwürgcu. Indessen, die Soldaten kamen nicht, und Charlotte gewann wi'der etwas ruhigcrn Sinn.
Eines Morgens wurde Charlotte, nachdem sie zum ersten Male wieder ruhig geschlafen, durch ein dumpfes, rollendes Geräusch g weckt. Eie hielt es für Donner, vor dem sie grofe Angst hatte. Aber ihre Angst wurde zu einem wahren Todesschrecken, als sie in dem Läm Troni- mclgcrassel erkannte. Sie stürzte auf die Knlee.
Auf dem Wege, der guer durch den Wald zum Schlosse führte, rück.e ein Jnfanlern trnpp in der ganzen Unordnung eines NachtmarscheS mit fünf oder sechs Husaren heran. Drei der Reiter führten ihre Pferde am Zügel, einer hatte das feurige dem commandirenden Offizier geliehen. Weniger darauf bedacht, Gefangene zu machen, als im Voraus die Behausungen mit Schrecken zu erfüllen, die ausgeplündcrt werden sollten, hielt der Kapitän seine Mannschaft beisammen und ließ b im Erblicken der Thücmc von Apremont die Trommel schlagen. Auch konnte mau einen Hinterhalt befürchten. Die ersten, tie das Gitlenhor erreichten, erschütterten es mit Kolbenstoßen. Auf tiefen Lärm nahte sich ein Mädchen ganz ruhigen Schrittes und öffnete. Eines so ruhigen Empfangs war der Kapitän nicht gewohnt.
„Wo ist deine Herrschaft?"
„Sie ist abgereist."
„Schicke Alle herm ter, die im Hause sind."
„Es ist Niemand da."
„Tu bist ganz allein da?"
„Ich Herr!"
Der Kapitän gcbot durch ein Zeichen seinem Trupp Schweigen.
„Tu wirst uns die geheimen Verstecke deS Hauses zeigen."
Charlotte zog ernst aus ihrem Gr'utel ciue Schrift, die vom Torfschreibec gekritzelt und folgenden Inhalts war:
„Im Namen des Gesetzes, der Regierung, weiche sic auch sei, und der französischen Höflichkeit.
Tie Vorweiserin Dieses, Charlotte, ist zum Durgvogt und Oberaufseher dieses Schlosses ernannt.
Wir beauftragen jeden, der diese Zeilen liest, sie frei schalten zu lassen.
Unterzeichnet:
Xvste-Jcröme-Cloud de Gerofle, Holzschuhmacher."
„Dies Mädchen ist blödsinnig," sagte der Kapitän, „mau wollte sie umkommen lassen, thut ihr nichts zu Leide. Ich ernenne sie zu unserer Köchin, und sie kann uns durch
manche Andeutungen nützlich werden.-Hast du die
Schlüssel?"
„Ja, Herr."
„Man spricht viel von Gespeichen, und Geistern, welche deS Nachts in den Thlirmen spuken sollen."
«Ja. Herr."
»Wohlan denn! eS wird unS freuen, ihre Bekannt
schaft zu machen; du wirst uns selbst in das Innere begleiten. Und da das Schloß bloS von dies'» lustigen Brüdern bewohnt ist, die so wenig Raum einnehmen, so wollen wir gern darin verweilen, um uns von unfern Strapazen zu erholen: wir stehen mit den Leuten von Jenseits auf vertrantem Fuße, da stets eine gute Anzahl der nnsrigen zu ihnen hinüberwandert."
Diese Spässe waren an die Soldaten gerichtet, welche sie mit dem größten Beifalle aufuahmcu, wie'S ihnen der Rang des Kapitäns gebot.
„Wie heißest du?"
„Charlotte, zu dienen!"
„Hast du Mundvorräthe?"
„Ich habe einen Kübel voll Milch; dürste ich euch diesen anbicten?"
„Ho! ho! Vrilh? Glaubst du, man bcwirthe eine Kompagnie wie en.en Lnngewücbtling? Doch gleichviel, ich will eine Tasse auö deiner Hand trinken. He! her mit deiner Beute! Du heißest Charlotte! Gut denn, Charlotte, da hast du Vorräthe, die magst tu uns einstweilen zubc- reiten, in Erwartung besserer, denn wir wollen die Keller untersuchen. Der Korporal wird dir Beistand leisten. Traget die Vorräthe hinein!"
Drei oder vier Mann, wandelnden Speiscschränkcn ähnlich, Hände, Säcke und Bayonette mit Brod, Geflügel und Rauchfleisch beladen, traten in die Kammer herein. Der Kapitän stieg mit einem Dutzend Soldaten in den Hof, und hieß Charlotten vorangrhen.
Brau untersuchte zuerst die Gemächer, deren Fenster verschlossen waren. Das düstere Halbdunkel, das in diesen ungebeuern Sälen herrschte, schien einigen Eindruck aut die Soldaten zu machen, und ihre lärmenden Gespräche wurden etwas gedämpfter. In einem unbewohnten Flügel deS Schlosses war eine lauge Halle, zu beiden Seiten mit Waffcnrüstuugcn geschmückt, welche den verschiedenen Gliedern der Familie Aprcmout gehört hatten. Die Wassenstücke waren auf Sockeln aufgesttllt, und stellten die Krieger vor, die sie getragen hatten. Ueber ihnen hingen staubbedeckte Banner; unten am Sockel stand jedeSmal der Name des betreffenden Ahnherrn mit einer Art preisender Grab- schrist, und ein sorgsamer Aufseher hatte manche der verwischten Inschriften aus angeklebtcö Parier neu ausgeschrieben, das nnn in Fetzen herabhing. Diese Rüftungshalle war sehr in Verfall. Die Fenster waren größlentheils zerschlagen, und seit langer Zeit hatte sich Niemand die Blühe genommen, den Saal auszustäuben oder die Ratten und Nachtvögel daraus zu vertreiben.
Herr von Apremont wollte aus Pi tät diese Halle nicht einreißen lassen, so wie er andrerseits wieder aus Nachläßigkeit sich nicht damit befaßte, sie zu erhalten. Wie öde und wüst sie war, mag der Umstand zeigen, daß man unfolgsamen Kindern drohte, sie herzuführen, und daß die furchtsame Charlotte sie um Alles in der WUt nicht allein betreten hätte. Und obwohl daS Mädchen nun mit ruhiger Miene unter den Soldaten diese Halle durchschritt, so sah sie der Kapitän doch bald sich bekreuzen und erbleichen.
(Fortsetzung folgt.)