war von dem an seine- mächtigen Beistandes gewiß. Nicht- störte seitdem die Eintracht zwischen beiden, und Dank der weisen Verwaltung des Ministers, der Name ,deS Fürsten wurde überall, wie der des Vater» seine- Volkes, gefeiert.

Beim Tode des Kaiser- faßten die Feinde de- Lien wieder Muth, und ihren Jntriguen gelang es, daß der neue Fürst den großen Minister fallen ließ. Lien empfing die Nachricht seines Sturzes unbekümmert; er sah, sein Rath würde doch nutzlos sein, oder übel gedeutet werben. Er zog sich daher nach Su-Tscheu zurück, in die frühere Verborgen­heit seine- Standes. Er starb dort fast in Dürftigkeit, von den großen Herren, deren Gebieter er gewesen, gänzlich ver­lassen; allein das Volk, das nicht undankbar ist, vergaß nie den Minister, der dem Reich seine Ruhe und seine Wohl­fahrt zurückgegeben, und wenn eine neue Steuer ihnen ihr letztes Stück Brod entriß, so sprachen sie seufzend:Ach! so ging es nicht her zur Zeit des kleinen Buckels/'

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Wie ein Fürst feine wahren und seine falschen Freunde prüfen und kennen lernen kann.

An einem schönen Frühlingsmorgen lustwandelte der alte Kaiser Schun in seinem kleinen Hofgarten, mit dem Mandarinen Au, seinem ersten Minister. Au war von nie­derer Herkunst und hatte sich durch sein eigenes Verdienst zu den höchsten Würden emporgeschwungen. Beauftragt den Verheerungen abzuhelfen, welche die beiden großen Flüsse des Reiches angerichtet, hatte er sich dieses Geschäf­tes mit einem Eifer und einer Gewandtheit entledigt, die seinem Namen die Gunst des Volkes gewonnen. Man sagt, es bestehen noch bis auf den heutigen Tag einige Neberreste dieser ungeheueren Flußbauten, welche ec vor mehr als vier­tausend Jahren errichtete. Der Kaiser und der Minister spazierten in einfachen Linnentteideen, Schritt vor Schritt, in ihre Betrachtungen versunken und schweigend der ersten wohlthätigen Sonnenstrahlen sich erfreuend. Schun blieb plötzlich stehen und seine zitternden, vom Alter gefurchten Hände zum Himmel erhebend, rief er seufzend:

Ach! welch eine Last ist die Herrschaft! welche Sor- gen knüpfen sich an eine weise Regierung! Dem Volke die Güter der Erde verschaffen, es vor allem Schädlichen be­wahren und vor Allem es tugendhaft machen, das sind die ersten Pflichten eines Fürsten; und ich, kann ich mir schmeicheln, daß ich sie erfülle? Ruhe und Frieden im Lande aufrecht halten, ein aufmerksames Auge auf Alles haben, die Armen und die Unglücklichen nicht im Stiche lassen, weise und verdienstvolle Menschen aus ihrer Verbor­genheit emporziehen, das sind die Vorschriften, welche mein ehrwürdiger Vorfahre, der Kaiser Uao, befolgte, und ich, war ich so glücklich ihm hierin uachzufolgen, wenn auch nur sehr von ferne ?"

Das Reich ist trefflich verwaltet," sägte jetzt der erste Minister, sich ehrfurchtsvoll verbeugend,allenthalben erschallt das Lob Scheins."

Ich täusche mich nicht, mein getreuer Uu. Niemals werde ich vom Volke geliebt werden wie >s Uao war. Eines Tages, da er alllin und unbekannt über einen öffent­

lichen Platz schritt, hörte er die Kinder, wie sie folgert e Worte sangen:

Vcn allen, die erleuchtet und beherrscht das Reich,

Kömmt dir, o Uao! wahrlich keiner gleich;

Wer dich, den Weisesten, nicht sah, hat nichts gesehen,

O möchte Jeder deine Wege gehe».

Wehe! daß man von mir nicht das Gleiche sagt."

Die Schmeichelei ist die giftigste aller Schlangen," entgegnele Uu,allein jeder Zeit bin ich dir als meinem Herren und Meister die Wahrheit schuldig. Gut denn, sowohl die Mandarinen wie das Volk unterlassen es nicht, dir Gerechtigkeit angcdeihen zu lassen. Du bist geliebt wie ein guter Kaiser, und gesegnet sei der Tag, an welchem Uao dich zu seinem Nachfolger berief. Möge ich augenblicklich sterben, wenn mein Mund nicht die Wahrheit spricht!"

Uu sprach die Worte in einem so zuversichtlichen und eindringlichem Tone, daß der alte Kaiser seine Thränen nicht zurückhalten konnte. Er reichte seine Hand seinem ersten Minister und dieser küßte sie ehrfurchtsvoll.

Ich habe alles Vertrauen zu dir, mein guter Rath­geber," fuhr Schun nach einigen Minuten des Schweigens fort.Wie du weißt, so war es immer mein innigstes Verlangen so viel wie möglich das Beispiel deS Uao nach­zuahmen und mein mangelnder Eifer war nicht Schuld dar­an, wenn die Gesetze nicht streng befolgt wurden. Allein der Kaiser ist nur ein Mensch; er kann nicht selbst Alles scheu, und obwohl er kräftig von seinem getrencii Uu un­terstützt nard, so wurden dennoch ohne Zweifel viele Un- gercchiigke ten begangen."

Allein prüft unser weiser Gebieter nicht selbst alle drei Jahre das Betragen seiner Beamten? Hat er kein Vertrauen in die Rechtschaffenheit und Aufrichtigkeit seiner Mandarinen?"

Das ist eS eben, waS mich am meisten besorgt macht; gerade das ist'S, was mich in der Nacht beunruhigt-, und während des Tages traurig macht. Der Kaiser ist für das Betragen seiner Beamten verantwortlich; allein troy seiner Achtsamkeit finden sich gewiß solche darunter, die des Vertrauens ihres Monarchen unwürdig sind. Der Spruch eines Weisen lautet:Zögere nicht, die von dir zu entfer­nen, deren Sitten verderbt sind und die vor keiner Unge­rechtigkeit zurückbeben." Allein wie sind die gmen und die bösen Diener zu unterscheiden ? Das Laster verbirgt sich uu- ier der Maske der Heuchelei? Wird mein treuer Raihgcber mir ein Mittel vcrrathen, die Wahrheit zu erkennen ?"

Das Laster ist häufig schlauer als die Tugend," er- widerie der Mandarin,allein nichts entgeht dem Scharf­blick deS Gebieters." (Forts, folgt.)

Wortspiele.

1. Welche Häl'te besteht aus einem Ganzen?

2. Mit welchem Agio begnügen sich die Wechsler nicht?

3. Welche Motivs wirken am kräftigsten?

4. Welcher Fuß trägt weder Strumpf noch Stiefel? ö. In welchen Thälern sterben die meisten Menschen?

6. Welche Braut ist die ungeduldigste?

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