Allerlei

Die Macl>t des Blickes.

< Schluß.»

Schon mehrere Philosopben des Alterthums, nament­lich Platon im Tinräuö, lassen das Licht nicht blas von dem Gegenstände, sondern znglei cd von dem Auge ausgehen, und beide Potenzen sich unterwegs begegnen. Auf einen scharf firirtrn Gegenstand übt das Auge allerdings eine Art von Anziehung aus. Hierher gehört nun besonders der nicht zu leugnende Einfluß, den der Blick aus manche, be­sonders sensible Menschen ausübt. Aber selbst bei dcnThie- rcn findet sich diese Faseiuation des Blickes. Thiere zittern scholl beim Anblick der Viper. Jedermann l at schon vom Blicke der Klapperschlange gehört, der auf kleinere Thiere einen so lähmenden Eindruck ausübt, daß sie ihr freiwillig in den Rachen tauiue n.

Welchen geistigen Einfluß man dem Auge von jeher zugeschrieben, davon gibt der allgemein verbreitete Volks­glaube vombösen Auge' den sprechendsten Beweis; tenn auch hier bietet daS llebel mehr Stoff als das Gute. Tie­fer Glaube concentrirt die ganze Kraft des menschlichen Willens in das Auge. Uebcrall, im Süden wie im Nor- den finden wir diese Sage verbreitet. Der Orientale ver­schließt sein Haus den fremden Blicken. Mehr noch als das Spähcrauge, das seinen Reichthum verralhen könnte, fürchtet erNischach" den bösen Bück. Die abergläubischen Ideen vom schädlichen Einfluß der Bli e haben ein großes Gewicht bei den Mauren. Die Bewohner der griechischen Juse.n äußern eine uugcmessene Furcht vor dem Zauberblicke (innuvnis, »eil, enttivo »eelii») der besonders Kindern und schönen Mädchen gesährlich sein soll.

Es hat dieser Glaube mit dem des Beredeus, Beru- fenS, Beschrcicns viel Aehnliches, vor dem sich zärtliche Mmter eben so ängnigen, wie vor dem bösen Blick, nur daß man aus die menschliche Stimme die magische Kraft des Auges überträgt. Besonders soll das den Kindern über ihre Schönheit ertheilte Los den Neid boshafter Dämonen erwe­cken. Tie Türken schreiben manchen Edelsteinen.die Kraft zu, gegen den bösen Blick zu schützen. In E.chpten darf keiner ein Kind, ein schönes Kamerl oder ein junges Füllen scharf ansehcn, ohne daß man Vctgiftung durch seine Augen fürchtet. Auch der gläubige Irländer weiß viel vom bösen Blick,tliu evil zu erzählen. Es ist nicht selten,

daß der gemeine Ire Einem, dessen Blick er fürchtet, schnell ins Gesicht spuckt, um, wie er sich nachher entschuldigt, den Folgen des bösen Blickes zuvorzuk inmen. Auch unterläßt er nicht, in seiner Hütte eine alten Pferdchuf,kor Kuock InclG aufzuhäug-m.

Der Vo.koglaube auf seiner niedrigsten Stufe schreibt dem Auge eine mährchenhafte Einwirkung auf die unorga­nische Natur zu und läßt dasselbe, eben so gut wie die menschliche Stimme oder wie die Musik, selbst Physische Wirkungen hecvorbringen. ES soll Menschen geben, die durch das , euer ihrer Augen Metalle in Fluß setzen kön­nen, »reiche durch die ihnen entströmende Herrschcrkraft das Wasser in seinem Flusse hemmen und selbst feste Gegenstände

ihre Stelle zu ändern vermögen. Näber den kühnen Prob­lemen unserer magnetischen Naturforscher verwandt ist das tödtliche Verwunden durch Blicke, die zerstörende Einwirkung derselben auf den thierischen Organismus. Die Aerztc Arnauld de Noblcville und Salerne erzählen in ihrer zu Orleans erschienenen Naturgeschichte der Thiere von einem gewissen Geheimnißkrämer, Abbe Rousseau, er habe mit seinem Auschauen Kröten tödten können, sei aber einmal von einer standhaften Kröte so g ckährlich angeblickc worben, daß er in wiederholte Ohnmachtrn gefallen. Aber selbst von unser» au'geklärtrsten Aerzten nicht geläugn't, st.ht jene dämonische Kraft des Blickes fest, jene gefährliche, geheiin- nißvolle Gabe, »vie sic unbestreitbar manchen Menschen zu Theil wurde. Das Auge hat dann schon äußerlich eine besondere Form. Berüchtigte Duellanten sollen ihre blutigen Erfolge nur diesen» dämonischen Einflüsse ihres Blickes zu danken haben, der lähuendunv entmuthigend auf ihre Geg­ner cinwirkt. Lord Byron soll diesen Zauberblick besessen haben. Des großen Friedrichs erprobteste Offiziere sollen seinen Blick nicht haben ertragen können. Wallensteins Blick vennochte den widerspenstigsten Geist zu zügeln.

Selcht bas Ehristrnlhum scheint diese gewaltige Herr­schaft des Auges erkannt zu haben. Die heilige Agnes stach sich se bst die Augen aus, »veil in ihnen eine unwidersteh­liche verführerische Anziehungskraft lag. Umgekehrt soll aber auch im Auge die Wundergabe der transitiven Keusch­heit ruhen, d. h. das Vermögen, Andern die Tugend der Enthaltsamkeit durch den blosen Anblick mltzittheilen. Gewiß ist eS, daß der entschlossenste Wüstling durch den Blick einer wahrhaft t geudhaftcn Frau in den Schranken der ehrer­bietigsten Sitte gehalten werden kann. Von der Augen Kraft bei unzähligen Märtyrern der christlichen Kirche er­zählt mau Wunderbares. Um den heiligen Destderins zu tödten, mußte man ihm die Augen verbinden. Sie strahl­ten von so überi.difchem Glanze, daß die Marterkne: te wie voil glühenden Pfeilen getroffen davor znrückbebten. Als Ehrijms bei j ner Fahrt auf dem See schlummerte, empör­ten sich die Elemente; als er aber die Augen öffnete, zähmte er tie Namr und die Meuschcnscclen.

Tic ga ze geistige Kraft de) Menschen liegt in» Auge. Der Neuseeländer verschlingt deshalb so gern das Auge sei­nes erlegten Feindes, in der Meinung, dessen Seele zu ver­schlucken. Blick uird Stimme sind für uns der innere Mensch. Jean Paul nennt die Stimme das gei.ige Sprachrohr aus der Gcisteshöhe, den Blick des Auges eine luftige, zarte Geistercrschcinung. Fügen »vir hinzu, daß wo der Blick sprach, der Gedanke schon seinen Körper gefunden hat, und was auch die Stimme noch erläutern mag, der erste Göt- terstrahl war der siegende. dir. Aleck. A. Clemens.

(Mor»jendlnlt.»

Lobrede über de» Gesang.

«Da, wo man simst laß dich »icvee,

Böse Menschen haben Eine rücsee!"

Böse Menschen haben keine Lieder! Daraus folgt son­nenklar, daß die Sänger g te Menschen sind. Und »- hach? Ein Sänger darf kein Geizhals, kein Gcldmeipch, kein Pfennigfuchser sein.