Allerlei,

Die Macht dcS Wlic?es.

Ein Fragment.

Das edelste Geschöpf der Natur ist der Mensch, sein vollkommenster Theil ist das Haupt, der schönste Theil deö Hauptes daö Auge. Sobald das Auge ist, ist es vollendet. Am ersten entwickelt im Organismus zeigt es vor allen andern Organen das geringste Wachsthum und ist zur Reife schon im Körper deS Kindes gediehen.

Welch eine zauberische Kraft liegt in dem menschlichen Auge! Nicht blos ein einzelnes Organ, nein, ein ganzer Organismus birgt sich in dem kleinen, geheimnisvollen Ringe. Zwei verschiedene Nervensysteme, ein Cerebral- und Gangliensystcm, Blut» und Lymphgefässe, Lecretions- und Ereretiousorgane, seröse, muköse, fibröse Häute, ja selbst ein Nnalogon der allgemeinen Bedeckungen lassen sich in seinem wundervollen Ban Nachweisen. Bic Horen und fühlen, schmecken und riechen nur durch Berührung; aber das Auge erhebt sich über den materiellen Contakl und nähert sich den Regionen des Geistes. Gehör, Geruch und Geschmack neh­men bloß auf und empfangen; das Äuge aber, wie die Hand, ist ein zugleich handelndes, magisch cinwirkendes Or­gan. Daher der große zauberische Einfluß des Sehorgans auf die geistige Sphäre deS Menschen. Nicht ohne Grund finden wir das Auge als Zeichen der Allwissenheit, als Symbol deS Höchsten. Denn gibt es wohl im weilen Kreise der Schöpfung ein Sichtbares, aus dem so deutlich das Unsichtbare spräche?

Welch eine Quelle deS Verstandes sprudelt aus einem Hellen, klugen Menjchenauge! Durch das Auge wirkt der Mensch unmilielbar aus Menschen und Thiere ein. Wie dringt der Blick der Unschuld znm Herzen! Predigt ein frommes Auge nicht Gottesfurcht ergreifender und wahrer, als manche lange und künstliche Rebe? Selbst der Löwe, stritt von dem mächtig wirkenden menschlichen Blicke, stutzt und kehrt beschämt in seine Wälder zurück. Wie beobachtet, wie versteht der treue Hund das Auge seines Herrn! Wie lockt ihn bald schmeichelnd herbei, wie verscheucht ihn bald strafend aus seiner Nähe! Kann der Schuldbewußte den Blick deö forschenden, strafenden Richters ertragen? Cr senkt daS Auge scheu zu Boden, und waffnet er sich auch mit der Macht der Lüge und Verstellung, das Ünstäte, Scheue, Irre in seinem Blicke verrälh nur allzu eutltch die Sprache des Gewissens. Der Blick des Marius entwaff- nete den ihn zu tödteu ausgesandtcn Cimbrier. Der durch­dringende Blick des Arztes, der die Augen deS Wahnsinni­gen stritt, reicht hin, ihm Furcht und Unterwerfung, Achtung und Zufriedenheit zu sichern. Nichts wirkt kräftiger u..d tiefer als der Blick, das Fkiren des Magnetiseurs. Wer zweifelt noch daran, daß durch die Nerven Fecnwirkungcn geschehen, die eben so wunderbar sind als die Wirkungen deS Lichtes, der magnetischen und elektrischen Kraft?

Die Verrichtung deS AugeS ist bas Sehen; die Be­dingung dazu ist allerdings das äußere Licht, aber man muß sich das Auge nicht blos als passives, divplrifchcS Werkzeug denken. Daö Vermögen, ein inneres Licht zu erzeugen, ist

dem Auge eigcnthümlich. Viele Fälle sp.echcn für die Wirklichkeit tiefer Erscheinung. So sah ein Geistlicher in Folge eines Schlags auf das rechte Auge elektrisches Feuer wie Wetterleuchten seinem Auge entströmen, so daß er trotz der Dunkelheit den Thäter erkennen und angeben konnte. DaS Leuchten der Augen bei manchen Säugelhieren bat Rengger (Naturgeschichte der Säugeihierc. Basel 1830) vorzüglich bei solchen bemerkt, die Nachts ans Raub aus- gehen, ohne daß der Bau ihres Auges irgend eine abwei­chende Bildung zeigte, wodurch eine Lichientwicklung sich er­klären ließe. Dieses Leuchten des Auges erscheint momentan und nur bei Aufregung des Thiers durch heftige Begierden. Alödann sind beide Angenkammern erleuchtet und das Licht strahlt bei weit geöffneter Pupille in der Richnmg aus, in welcher sich der das Thier anregende Gegenstand befindet. Rengger konnte das Leuchten in einer Entfernung von 10 bis 30 Schritten wahruehmen. Gegenstände, 1'/-Fuß vom Auge des Thiers eu.fernt, wurden dadurch erhellt.

Es ist nichts außer uns, was nicht zugleich in uns wäre. Es besteht in dem Auge ein schlummerndes Licht, das durch den Eindru k der äußern Helligkeit geweckt wird. Wie z. B- die äußere Welt ihre Farben hat, so hat sie auch das Auge. Die Scheinsarbe erzeugt sich im Auge selbst. Für diese eigenthümliche LebeuSkrag im Auge spricht auch das merkwürdige Phänomen der sogenannten gefor­derten Farben. DaS Auge hat nämlich das Bedürsniß des Wechsels. Es verweilt nicht gern lange bei derselben Farbe. Es fordert bald eine andere, und zwar so lebhaft, daß es sich eine solche selbst erzeugt, wenn eS sie nicht wirklich vor- finbct. (Schluß folg'.)

Ursprung einiger deutscher Sprnchwörter.

1)Wer daSGlück hat, führt die Braut nach Haus."

Bekanntlich ein Sprüchwort, das von einem unver- muthclen GlnckSfall gebraucht wird. ES verdankt seinen Ursprung folgender Begebenheit. Die Böhmen machten dem deutschen Könige Ludwig, einem Nachkommen Karls des Großen, viel zu schaffen. Man schickte gegen sie den Bi­schof Arno von Würzburg, den Grasen Ruodold u a. m., allein der Eingang in Böhmen war durch eine feste Ver« schanzung verwahrt und führte durch Engpässe. Man suchte daher einen andern Weg, um nach Böhmen zu kommen. Hier begegnete die fränkische Armee unvermuthet einem Zug Slaven, welche die Tochter des Herzogs von Böhmen als Braut dem Mährischen Fürsten zuführlen. Diese wurden angegriffen und geschlagen, die Franken machten ansehnliche Beute, 644 gesattelte Pferde und ebenso viele von den Flüch­tigen weggeworfene Schilde, und die Bram siel dem Bischof Arno in die Hände. Daher obiges Sprüchwort.

2)Lüge, daß du erstickst!"

Diese Redensart hat ihren Ursprung von dem Brod- urtheil, einer Art der ehemaligen Ocdalien (Gottesuc- theile). Dem Beklagten wurde ein Stük Brov oder Käse gereicht, daS vorher beschworen und eingesegnet war, und man glaubte, daß eS dem wirklich Schuldigen im Halse flecken bleiben müßte.