Der arme Geigenmacher und sein Kind.
' (Fortsetzung.)
„Bor Abends wird mein Dutzend Kämme nicht fertig" — entgegnete der Kammniacver — „daher wartet ja nicht auf mich. Der Böhme sieht's nicht einmal gern, wenn wir des Sonnabends Alle bei ihm zusammen ein« treffen "
Der Geigenmacher ging, nachdem er erst »wch sein Stubenviertel rein gefegt hatte, mit seiner Geige fort, den Berg hinab und auf ein ansehnliches Gebäude im Thale los, das, obschon äußerlich nett und mit einem munteren Anstriche übertüncht, wie alle übrigen Häuser schön« walees aus.Holz bestand, mit seinen Seiten- und Hintergebäuden eine Schlucht auöfüllte und hart mit dem dahinter befindlichen Berge grenzte. Dieses Haus gehörte dem angesehensten und begütertsten Kaufmanne des Ortes, Herrn David Leberecht Böhme, der, obschon weib- und kinderlos, mit fast übertriebener Sparsamkeit sein ohnehin bedeutendes Vermögen zu vermehren bemüht war. Er wirthschaftete mit erner bejahrten und treu bewährten Haushälterin, und hatte an einem Schwestersohne einen tüchtigen Geschäfrsbeistand. Letzterer aber bei dem Oheime nicht gerade das beneidenswertheste Loos.
Tie Klingel an der HauSlhüre ertönte; Hübelfritze trat mit seiner r»>eige in die Schreibstube des Kaufmanns, welcher mit seinem Neffen über den Büchern saß, rechnete und schrieb. Ohne von seiner Arbeit aufzusehea, beantwortete der Kaufmann des Eintretenden Gruß mit einem flüchtigen Kopfnicken und sagte zugleich zu seinem Neffen: „Eduard, nimm dem Manne die Waare ab, prüfe und tarire sie nach ihrem LLerthe."
Der Neffe, ein junger, schlanker Mann von etwa !6 Zähren, mit einem ziemlich bleichen, vor. geheimem Grame zeugenden, doch wohlgebildetem Gesichte, erhob sich von seinem Sitze und trat zur Verkaufstafel, die Hand nach der ihm hergehaltenen Geige ausstreckend. Indem er einen schnellen Blick auf deren Verfertiger warf, überflog eine matte Nöthe seine blassen ^üge und die Hände zitterten ihm, wenn schon unmerklich. Indem er mit ei- nein herbeigeholtcn Maaße die kunstgerechten Verhältnisse des Instruments und mit geübtem Kennerblicke dessen Dauerhaitigkeit prüfte, beugte er mehr als nöihig war, sein Antlitz über die Geige hernieder. Dann den Logen ergreifend entlockte er jener einige schwermüthige Akkorde und Cadenzen.
Drei Thaler lieber Onkel! — sagte nun der Neffe mit etwas gepreßter Stimme und einem Anfluge von Verlegenheit.
Drel Thaler? fuhr der Kaufmann verwundert und. mit Hast auf. Drei Thaler? Nicht möglich! Ach sieh I da — fuhr er gedehnter fort — Ihr seyd es, Hübel? Marsch! sprach er streng zum Neffen — an deine Schreiberei! Habe ich Dir nicht wiederholt gesagt daß Du mit dem Hübel nicht handeln sollst? und dennoch —
Sie haben mir es ja eben erst selbst geheißen — versetzt Eduard.
Soll ich etwa im Stande seyn — sprach dcr Obeim unter unfern 150 Geigenmachern des Hübelfritzens Stimme
zu unterscheiden, wenn ich ihm nicht zugleich in's Angesicht schaue? Und Ihr, Meister Hübel, laßt mich nun Eure angebliche Dreithalergeige sehen. Ha! dacht' ich's doch gleich, baß mein Mosje Neffe mit Partveilichkeit tarirt hat. Schauet, Hübel! wie unförmlich dick dieser Geigen- halS, wie zerbrechlich diese Wirbel, wie plump dieser ganze Körper gearbeitet ist! Auch sitzt der Steg nicht ganz ge- nau auf dem Slimmstocke und der Bogen geht gerade aus wie ein preußischer Haarzopf seligen Andenkens. Zwei Thaler und keinen Groschen mehr gebe ich für das Ding.
Was bliebe mir da für 5 sauere Arbeitstage übrig? fragte Hübel, seinen Unmuih gewaltsam Niederkämpfen». Wissen Sie koch selbst, Herr Böhme, was ich Ihnen für die Zutdal dieser Geige habe zahlen müssen und was demnach von 2 Thalern mein bleibt. Messen Sie meine Geige aus, wie Herr Kläbre vorhin that, und halten Sie dieselbe gegen jede andere; rch wette, sie braucht sich vor keiner zu verstecken.
Das wäre! erwiderte Herr Böhme etwas höhnisch und nahm von der Wand eine alte, unscheinbare Violine herab, die er neben diejenige Hübels auf die Ladentafel legte.
Wenn Ihr, Meister Hübel — sprach er dabei — eine Geige fertigen könnet, die genau denselben Ban und Ton hat wie diese, so zahle ich Euch dafür 200 Thaler und gedenke noch eben so viel bei dem Wiederverkäufe zu gewinnen.
Herr Böhme! rief der Geigenmacher Mit verweisendem Tone aus. Halten Sie mich für ein Kind?
Diese Geige— versetzte der Kaufmann ernst — ist mit 400 Thalern be;ahlt worden, denn sie ist eine echt Stainer'sche. Und ich habe eine richtige Amati für 800 Thaler verkaufen sehen; ja der berühmte Paganini besaß 5 Geigen, die er eben so viele tausend Thaler schätzte. Aber er verdiente mit einer solchen in einem Abende, ja in 2 Stunden, auf 6—800 Thaler, während ein Bierfiedler mit Eurer Geige in einem Nachmittage und einer ganzen Nacht kaum so viele Neugroschen jusammenkrayt.
Voll Bestürzung schwieg der Geigenmacher. Er stand wie im Traume da und ließ es geschehen, daß ihm der Kaufmann nur noch 4 Groschen über die 2 Thaler hin- zählte. Mechanisch strich er das Geld ein, verabschiedete er sich, stieg er die Treppe hinab, trat er in die Verkaufsstube, um für einen großen Theil der eben empfangenen Summe den Sivffbedarf einer neuen Geige einzn- handeln. Gedankenvoll erwiderte er den Gruß seines Freundes, des Holzhauers Ahl, welcher glei - falls hier sich eingefunden batte, um ein Schächtelchen Vogelleim und ein Loth Schnupsiaback zu kaufen.
Den Edelfinken zu berücken — sprach der Holzhauer, indem er den Vogelleim seinem ehemaligen Stubennachbar vorzeigte. Aber dieser murmelte vor sich hin : Tausend Thaler eine einzige Geige! Eine einzige Geige so viel werth als 500 der unserizen! Wie habt ihr, Stainer und Amati, dieß angedreht? Wäret ihr mit Satanas tm Bunde, der euch aus gewöhnlichem Holze blankes Gold hervorznubern lehrte?
(Fortsetzung folgt)
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