den wird er wunderbar erhalten in aller Noth und Traurigkeit. Hell und lieblich flötete die Amsel in den Hellen und lieblichen Morgensonnenschein hinaus, unv während ne sang, verschwanden allmählich Trauer, Weh- muth und Betrüoniß auö den Zugen deS alren Schulmeisters,' sein trübes Auge leuchtete wieder klar auf, unv daS schmerzliche Zucken um seine Lippen verwandelte sich in ein gutmükhiges, stilles, zufrieveneS Lächeln.
Bravos bravo, Amselmätzchen! ries er dem Loge- zu, als seine melodische Stimme in einem weichen langgezogenen Fivlentone verhallte. Und Lu, alter Friede- seld, schäme Dich DeineS KleinmutheS und Deiner Ler. zagthcil! Hat Dir der liebe Gott und Later droben Stbcr vierzig magere Jahre in Ehren und Treue hinwegge- holfen, so wird er auch ferner helfen für den Rest Denier Tage und Dein graues Haupt nicht mit Schanden in d e Grude saoren lassen! Muih, Friedefeld! Mulh! Bist Du auch nur einer von den geringsten Arbeitern in dem Weinberge deS Herrn, so wirst Du doch am Ente Deinen Lohn empfangen, wenn einmal die große Abrechnung droben im Himmel gehalten wirb. Und am Ende, über! was kannst Du Dich denn beklagen? daß Du ni vierzig ^ Jahren kein: bessere Sielle erhalten hast, wahrend andere, jüngere Mitarbeiter am schweren Werke der Erziehung Dir langst über den Kopf gewachsen sind? Willst Du gar neidisch und mürrisch werden auf Leine alten Tage, nachdem Du doch immer Dein tägliches Brod gehabt hast und keinen Abend hungrig zu Beile gegangen bist? Pfui, piu>, Lcbrccht! Und gerade heule, am Tage dev He>rn, dem lieben Sonntage, wo deine Seele! voll seyn sollte von Dankgesuhlen gegen den himmlischen! Vater, der unS, seinen undankbaren Menschenkindern,! so viele, viel- Gnade und Liebe zu Thcil werten laßt!" Pfui, über Dich, Levrecht, und fort mit den traurigen Gedanken. Gott wird ja alles schon machen mir seiner Weisheit und Latergüte, und darum frisch daran an die Einthcilung deS Geldes, so weit es nun eben Her- Hallen und zuiklchcu will. Dreißig Thaiei! Laß scheu, waS sich dafür alle» bestreiten laßt. Zuerst muß ich habe» ein Paar neue Schuhe, denn bei den «llen sind die Sohlen schon so ziemlich wezgelaufen, u»V dar Oberleder fangt an, bedenkliche Risse zu bekommen. Macht anderthalb Thaler. Und daun ein Paar neue Hosen! ES gehl wahrhastig nicht mehr mit den alten Sammt- manchesternen! Sie sind fahl und fuchsig geworden, und ich kann kaum noch in die Kirche damit gehen. Es hilft nichts — die neuen müssen herall, und kosten also mit Macherlohn Summa Summarum sünsihald Thaler — macht zusammen sechs Thaler. Nun Frühstück-, Mittag- und Abendbrod für neunzig Tage je 5 Egr., denn billiger komme ich bei den jetzigen Kornpreisen nicht weg — fünfzehn Thaler! Gerade der halbe G halt, du lieber Gott! macht zusammen einundzwanzig, und bleiben demnach noch neun. Davon dein Herrn Amtmann ,für Vorschuß an Samcnkartoffeln und Noggenaussaat fünf Thaler — bleiben vier! Ferner dem Müller für Bor- sLiiß an Brodmcbl im leztcn Monat zwei Thaler — bleiben zwei! davon ab ein Thaler an die alte Ursula, dre krank und schwach zu Hause liegt — ein Thaler an
Peter Staumann, der den Arm gebrochen hat -- ein Thaler an Wilhelm Barkels, den armen Taglöhner, der mitunter auch eine gute Suppe essen muß, wenn er noch seinem bösartigen Nervenfieber wieder zu Kräften kommen soll — ein Thaler für David Schmidt, den armen Burschen, der seine Frau vwloien Hai und zum Begräb- inß die lezie Xuh auS dem Stalle verkaufen mußte — ein Tdaler an den Frieder, den armen schwachen Wai- icnzungen, der sich noch nicht selber ernähren kann, seit ihm voriges Jahr Beter und Mutier binnen zwei Tagen am Nervnifiever starben — ein Thaler an die Wittwe Seiler, die mir Noch und Mühe ihre drei kleinen Kin» der durch die Welk dringen muß — ei» Thaler — o — aber ach, ach, ach, du lieber Gott, unterbrach sich der gute Schulmeister plötzlich selber — da sind ja schon vier Thaler zu viel gerechnet, woher sollen denn die kommen, und ein Thaler muß ja auf alle Falle noch der Jonathan haben, mein Jonathan, mein bester Schüler, der, wiUS Gott, einmal mein Nachfolger im Amte werten soll, und, wenn er nicht seinen Thaler monatlich nach Hause bringt, von seinem harten Later Gäusehüten geschickt wird! Aw, Friedefeld, alter Ncchncnmeister, wie hast Du dich da verhauen! Sieben Thaler drüber! Sieden Thaler! Und läßt sich nirgends auch nur ein Groschen adknapsen! Ursula, Frieder, Wittwe Seiler, Bartels, Staumann — sie brauchens Alle, müssenS Habens Und der Herr Amtmann — und der Müller — und mein bischen tägliches Essen — es gehl und geht nicht, da kan» ich nichts abziehe», außer — — aber ich brauche sie so »öihiq, die neuen Schuhe und Manchesternen, sezte er mit unsicherer, schwatzkeudcr Stimme hinzu; kann wahrhaftig mit den alten nicht mehr gehen — sind schon gar zu sehr abgenuzt und abgetragen! Es geht nicht mehr, wahrhaftig nictst!
Warum aber nicht? fügte er nach einem Weilchen entschlossen hinzu. Ein Vierteljahr ist bald herum, unv so lange, wenn ich mich recht m Acht nehme und die alten Schuhe noch einmal flicke, so lange müssen sie noch aushalten! die armen Leute brauchens nöthizer, alt ich! Fort mit den Manchesternen und den Schuhen! Die Ar- mulh darf nicht Noth leiten, und ich grauer Narr brauchte nicht auf meine alten Tage eitel zu werten und den Stutzer zu spielen! frisch ans Werk! Wer schnell Hilst, hilft doppelt!
Er nahm einen Bogen Papier, schnitt ihn in Stucke, und wickelte in jeder Stück einen blanken, harren Thaler ein, den er dann mit einer Aufschrift versah. Hierauf winkte er einen Jungen von der Straße rn seine Stube, gab ihm die Päckchen und wies ihn an, sie zu den auf- gcschriebclien armen Lenken zu tragen, indem er ihm dabei eiuscharfte, ja kein Päckchen zu verlieren, und sich unterwegs nicht unnölhig aufzuhallen. Der Zunge ver- spcachs und lief davon. Der gute Schulmeister aber schaute ihm durch das Fenster nach und lächelte sanft, als er den Jungen so munter daoin springen sah, und in seinem Herzen sprach er: Laß Du, himmlischer Vater, Deinen Segen auf dem Scherflein ruhen, un» hilf auch mir, Deinem allen Knechte, über alle- Fernere hinaus!
(Toi'tsetzung folgt.)