aus sieben Röhren sein Wasser in ein weites Steinbecken goß. Um den Brunnen stand eine Schaar Mägde mit Eimern und Zubern emsig plaudernd. Einige schabten Fische, andere wuschen Salat, andere festen ihre leeren Eimer unter die Röhre, andere trugen ihn schon gefüllt auf dem Kcpse. Herr von Hahn, der Wohnung keö Bürgermeisters sicher zu sein, trat seitwärts, um eine dieser geschäftigen Magde zu fragen, die ihn in der Leb­haftigkeit ihrer Unterhaltung anfangs nicht bemerkten. Wie er aber den Mund öffnete, und Alle jezt die Augen nach ihm wandten tilf heiliger Himmel! welch ein Zetergeschrei, welch eine Verwirrung! Alle prallten mjt Einsehen ausemander. Die Eine ließ die Fische in das Bruunenbecken fahren, die andere schüttete den gewasche­nen Salat auf den Erdboden, der Dritten stürzte der Wasse>enner vom -copfe, daß sie wie eme Eedaeeie troff Alle rannten bleich und athemlos davon. Nur eine Alte, deren Fnßwerk nicht mehr gehorchen mochte, drängle sich mit dem Rücken hinterwärts gegen den hoben Brnnnen- pfeiler, als wollte ne ihn Umstürzen, schlug mit der dür­ren Hand vor sich Kreuze über Kreuze, sperrte die Lip­pen von einander und stierte ihn mit Augen der Ver­zweiflung auf eine stechende Weise an, während ihr Haar auf dem Kopie empor «lieg. So sieht man eine vom Hund angebellre Katze, den krummen Rücken ganz in sich hin- emgezogen, das Haar gesträubt, das Maul offen, mtt durchbohrenden Blicken jeder Bewegung des Bellenden folgend.

Verdrießlich über die närrischen Leute wandte Herr von Hahn sich ab und ging geradezu m daS Haus mit dem Balkon. Er war am rechten Orte. Der Bürger­meister, ein kleiner, feiner, gewandter Mann, empfieng ihn sehr artig oben an der Treppe und führte ihn ins Zimmer.

Sie haben mich zu sich rufen lassen, sagte Herr von Hahn, und in der That, ich komme gern, denn ich hoffe, bei Ihnen mir Räthsel lösen zu können. Ich dm erst seit gestern in Ihrer Stadt und gestehe, hier habe ich schon mehr Abenteuer erlebt, als sonst auf allen Reisen.

Ich glaub cs!sagte lächelnd der Bürgermeister. Ich habe davon gehört, und einigemal sogar das Un­glaubliche. Sie sind der Herr von Hahn, Sohn des Banquiers aus der Hauptstadt; haben Verbindung mit dem hiesigen Hause Bantes; kamen, weil Fräulein Ban- tes . . . .

Richtig Alles. Soll ich mich bei Ihnen legiiimiren, Herr Bürgermeister? Herr von Hahn zog bei diesen Worten einige Papiere aus der Brieftasche. Der Bür­germeister lehnte eS nicht ab, sie flüchtig durchzusehen, gab sie oder mit den verbindlichsten Aeußerungen seiner Zufriedenheit zurück.

Ich habe Ihnen nun Alles gesagt und beurkundet, Herr Bürgermeister, worüber Sie irgend von nur Aus­kunft begehren können. Nun bitte ich hingegen Sic um Auskunft über allerlei Seltsamkeiten Ihrer Stadt. Her­desheim liegt doch nicht so gar weit von der übrigen Welt getrennt; es werden doch zuweilen auch Fremde hierher kommen; wie geht» nun zu, daß man mich . . .

Ich weiß, waS Sie sagen wollen, Herr von Hahn, Sie sollen alles erfahren, wenn Sie die Güte haben, mir ein paar Fragen zu beantworten.

Ich stehe zu Befehl.

Zahlen Sie einstweilen meine Fragen nur auch zu den Seltsamkeiten von Herbesheim, die ihnen aufstießen, hinlennach werben Sie den Grund davon ohne Mühe sehen. Kleiden Sie s'ch gewöhnlich schwarz?

Ich bin in Trauer um eine meiner Tanten.

' Waren Sie schon in Herdesheim?

N>e.

Haben Sie früher schon Bekanntschaft mit Personen auS dieser Stadt gehabt, oder zufällig etwas von den Geschichten dieser Stadl, nämlich von alten Geschichten, Mährcben, Wolkesagen der HerbeSheuner gelesen oder gehört?

> Ich kannte persönlich Niemanden von Herbesheim, und wußte von dieser Stadt nichts, als daß hier das' Haus sey, und daß Fräulein BanteS ein äußerst liebens­würdiges Frauenzimmer wäre, was ich nun mir Vergnü­gen bestätigen will.

Haben Sie vielleicht nie ei» Geschichtchen vom tobten Gaste der Herdesheimer gelesen, oder davon gehört?

Ich wiederhole es, die Historie von Herbesheim, zumal die alte, ich muß es zu meiner Schande sagen, Herr Bürgcrmeiste ist mir so fremd, als ie Historie res Königreichs Siam und Pegn.

Nun, Herr von Hahn, und Ihre Abenteuer bei uns, Sie ich mehr vennuthe als kenne, stammen in gerader Linie aus unser» hiesigen alten Geschichten her.

Wie komme ich mn Ihren alten Geschichten zusam­men? Dergleichen ist mir m meinem Leben nicht begeg­net. Sagen Sie Loch-

Der Bürgermeister lächelte und erwiderte: Man hält Sie für den tobten Gast, für ein Gespenst auS unfern Volksmährchen; und wie spaßhaft mir auch die lächer­liche Einbildung unserer Spießbürger ist, kann ich doch Sle nehmen mir Offenheit nicht übel selbst meine Verwunderung nicht bergen, wie Sie mit dem Helden aus unserer Herdesheimer Schreckenshistorie eine ganz eigene Aehnlichketc haben. Vorausgcsezr, Sie haben mir mcr nicht etwa einen allsälligsn Scherz forksetzen wollen, und wissen durchaus nichts von der Geschichte des tobten Gastes., will ich sie Ihnen so erzählen, wie ich Sie mir habe von Mehreren erzählen lassen.

Herr von Hahn gab tue lebhaftesten Aeußerungen seiner Neugier. Der Bürgermelster sagtet Es ist wohl daS erste >Mal, daß man ein Ammenmährchen offiziell vorträgt. Und nun hob er lachend die Erzählung vom tobten Gast an.

Jezt erklär ich mir Alles! sagte lachend Herr von Hahn, als die Geschichte beendet war: Den schönen Her-

> beShnmerinnen ist um ihre Halse bange. '

^ Scherz bei Seite, Herr von Hahn, mir ist noch ^ mancherlei dunkel. Ich glaube zwar auch an die bun­testen Spiele des Zufalls; aber hier spielt dreser laanen- hrste Schicksalsgoir fast zu grob, als daß ich nicht wirt­lich Sinea kleinen Verdacht gegen Sie fassen sollte.

(Lortsetzung folgt.)