durchstri'ch er alle Gegenden der Stadt, Neustadt, Fried- rrchsstavl und Bedengrast. Das Unglück aber batte ge­wollt, daß er nicht nach der Wohnung beS Mädchens gefragt hatte. Ec sucht: bis zur dunkeln Nacht, und fand'sie nirgends wieder. Doch war er überglücklich. So fand ibn Krabb am Abend desselben Tages.

Man wird nicht daran zweifeln, daß der Feldwebel auch folgenden Morgens seine Nachforschungen fortge- sezt habe. Die Residenz Potsdam ist nichts weniger als von außerordentlicher Größe, und noch weniger von au­ßerordentlicher Volksmenge. Man weiß aber aus allen Romanen, daß Liebende, die sich suchen, einander finden, und müßten sie auch Welttheile durchkreuzen. Daher ist es nichiS Erstaunliches, baß Fritz Wilmson, nachdem er seine Eindeckungsreisen kaum drei Stunden lang fortge- sezi hatte, sein Ziel erreichte. Im mittler» Stock eines großen Haukes stand Clementine am Fenster, und zwar etwas vorgeneigt, als suche sie auch ibn zu erkennen. Jbm ward, als schlügen Flammen über idm zusammen. Sobald er aber näher kam, um sein'Haupt vor der An­gebeteten in ehrfurchtsvollem Gruße zu entblößen, schien sie ibn nicht mehr zu bemerken, sondern trat zurück und schloß nicht nur das Fenster, sondern zog sogar die wei­ßen Umhänge vor.

Das überfiel ibn mit Frost und Kälte, wie wenn sich vchncewolken plötzlich über eine blühende Frühlings­welt ausleeren. Er kehrte finster in seine Zelle heim, kämpfte lange mit sich, und ward endlich Sieger. Er schämte sich seiner Leidenschaft für eine Unbekannte, die sein reines Wohlwollen verschmähte, und beschloß, mit Ernst an seine Flucht zu denken. Er sprach mit Krabb. Tag und Stunde wurden verabredet. Kradb sollte nach Berlin, einen Reisewagen kaufen, als vornehmer Kauf, mann mit Postpfcrden durch Potsdam eilen, und ibn, als Bedienten gekleidet, zur nächtlichen Stunde vor dem Thor aufnehmen und entführen.

Kradb kam folgenden Tages noch ein Mal zu Wilm­son, um vorläufigen Abschied zu nehmen. Kradb trat ^ fronen Muthes ins Z innrer, während sein junger Herr un Fenster lag und in die stille Straße hinadsah. Krabb grüßte und lärmte vergebens. Der Feldwebel sah sich! nicht um. Denn die Straße daher kam Clementine; sie bemerkte ihn droben am Fenster, erkanme ihn, lächelte mit verschämter Freundlichkeit e-nen Augenblick empor, grüßie sogar, ging vorüber, und schon ziemlich entfernt, wandte sie noch einmal das Köpfchen und blickie nach «hm. Fritz war außer sich. Aller Schnee schmolr, und der warme Frühling mit den gebeugten, aber unzerknick- len Blüthcn ging wieder in ihm auf.

Als Krabb endlich Gewalt brauchte, um seine Ge­genwart bemerkbar zu machen, drehte sich der junge Herr zu ihm mit glühenden Wangen und flammenden Blicken. Lange verstand er nicht, was Krabb wollte,! und zulezt gab er den einfachen Bescheid: Wir bleiben. Ich reise nicht. Ich werde Potsdam nicht verlassen; und wenn ich wüßie, daß die Stadt in wenigen Stun­den von einem Erdbeben verschlungen würde, ich ließe mich mit verschlingen.

Der Invalide glich nun selber einem Erdbeben, das AlleS zu zerschmettern Mene macht. Er fluchte und t»v!e, gleich einem Besessenen, im Zimmer umher, wäh­rend Fritz im Fenster lag, in die Straße niedersah und ple Steine suchte, welche Clementinens Füße berührt

und geheiligt haben konnten. Es blieb dabei, also mußte wieder in Potsdam fortbausen.

Wilmson erneuerte nun seine Endeckungsrcisen vor dem wohlbekannten Hauke, ohne glücklich zu seyn. Die Fenster waren g schlossen. Besser gelangs ihm in der GarnisonSkirche. Er erblickte die Schöne, aber sie be­merkte ihn nicht in ihrer sonntäglichen Andacht. Er folgte ihr auf dem Fuß, als sie mit einem ältlichen Frauenzimmer aus der Kirche ging; er grüßte. Sieer- röthete, aber dankte ihm nicht einmal, sondern wandte sich gleichgültig zu der alten Begleiterin. Er tand sie denselben Tag wieder auf einem öffentlichen Spazier­gang, faßte Muth und trat mit höflichem Berneigen an ihre Seite. O, wie glücklich bin ich endl-ch . . . stam­melte er. Ader ihr Gesicht, plötzlich finster und mit dem Ausdruck der Verwunderung über eine Frechheit ohne Gleichen, endete schnell sein Entzücken. Was wollen Sie vor von mir? sagte sie: Ich kenne Sie nicht! Was baden Sie mit mir zu schaffen? Sie haben sich ohne Zweifel Re

zur unrechlen Person verirrt. Damit wandte sie sich den

stolz von ihm weg und einigen jungen Frauenzimmern Da

ihrer Bekanntschaft zu, die in der Nähe wandelten. W

Der arme Wilmson stand eine Weile steif und ge> der

rade da, wie wenn ihn sein Oberst musterte. Dann nick

schwenkte er plötzlich, und marschirie im Doppelschritt thu

davon, über Clementine und alle Weiber unter allen ten

Himmelsstrichen fluchend. Sie hat dich zum Narren, dal

scheintS. Sie ist nur Kokette. Himmel und Hölle, wel­chen Ton nahm sie an! Wie, sie kenne mich nicht? Ich fleh

habe mich an die Unrechte Person venrrt? Wie, ist sie den

denn doppelt «n Potsdam vorhanden? In diesem ^ zu Selbstgespräch rannte er durch die Gaffen, suchte den ges

allen Kradb auf und befahl ihm, ohne Verzug nach Ber- rhr

lin zu geben, den Reiscwagen zu kaufen und zur Flucht St

alle Veranstaltungen zu treffen. Krabb, hochzufricden, Sc

daß sein junger Herr den gesunden Menschenverstand geg

wieoergefunden, ließ sich den Befehl nicht zweimal ge- kcü

den. sondern mietheie auf der Stelle den Wagen, und reä

fuhr in der gleichen Stunde zum Thore hinaus nach , wa

Berlin. er

Der junge Feldwebel wünschte sich zur Festigkeit zm

und Schnelligkeit seines Entschlusses Glück. Er fühlte der

wohl, daß er in Potsdam nicht glücklich seyn könne; baß er, seiner Ruhe willen, eine Stadt verlassen müsse, Au welche neben ihm ein Wcsen beherberge, das er nicht St

genug Hasen und nicht genug lieben konnte. Doch ehe zu>

die Nacht kam, stand es schon wieder mir der Festigkeit S>

seines Entschlusses mißt ch, und die eilfertige Abreise lfb

des Invaliden hätte er gern widerrufen.

Denn als er, da es dunkel geworven, sei» Zimmer wi verließ, um seinen Verdruß zu zerstreuen, und über den einsamen Schloßplatz ging', mit dem Vorsatz, irgendwo sto

in lustiger Geiellschaft eine Flasche Weins zu leeren, lispelte eine süße, schüchterne Stimme: Guten Abend,

Herr Wilmson. Es war ein Mädchen, das ihm zufäl­lig mit hellbrennender Laterne auf dem Schloßplatze be­gegnete. Er erkannte Clementtne. Ec wäre kalt grü- be

ßeno vorübergegangen, hätte sie zu ihremguten Abend" mc

nicht noch hl'nzugesezt: Sie werden mir wegen meiner ÄL

heuttgen Unart zürnen. Thun Sie es doch nicht. Ich ' Vi war leider gezwungen. Gott weiß es, ich habe seitdem r Uo keinen Frieden im Herzen, seit ich so undankbar schien Di und Ihnen so wehe geihan. (Fortsetzung folgt.) da

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