Der Monolog des Freiherrn ward durch den Ein» tritt eines Forstmannes unterbrochen. Derselbe geirährle einen traurigen Anblick; sein Rock war an verschiedenen Stellen zerrissen, und seine Doppelflinte zerschlagen.

Gnädiger Herr! redete dieser den erschrockenen Ba­ron an,'s ist aus mit uns! Die Bauern verheeren unsere Wälder und schießen das Wild hausenweise nieder. Keine Ordnung, kein Gesetz, keine Obrigkeit mehr, und der Satan regiert die Well! 'S ist aus mit uns, sage ich Ihnen, gnädiger Herr! Leute, die früher bei meinem Anblick davon liefen, gehen jetzt trotzig und höhnisch mit Aerten und Flinten an mir vorüber, und wie uoel man ankommt, wenn man sich mit lhnen abgibk, das sehen Sie an mir, gnädiger Herr! O, die verdammten Franzosen, was haben die uns wieder für ein Unglück auf den Hals geschickt! 's soll mich aber wundern, wenn's nicht noch ärger kommt. Ucberall Hab' ich gehört, daß man Sie, gnädiger Herr, zwingen wolle, den Gemeinden Jagdfreiheil und Stock- und Lesholz, so wie Waldstreu zu bewilligen.

Hölle und Teufel!" ächzte der Baron im Ueber- maßc seines Erstaunens und fiel seufzend in zeinen Arm­stuhl zurück.

Kaum begann der Freih.rr von Lündenfeld wieder etwas freier zu athmen, als der frccherrliche Amtmann unangemeldet, wie vorher der Förster, erschien.

Gnädiger Herr," begann der Angckommcne, ein wohlbeleibter Mann von weingrüner Gesichtsfarbe, hu­stend und keuchend, gnädiger Herr, bereiten Sie sich auf etwas sehr Unangenehmes vor-

Sind denn die Pforten der Hölle geöffnet! klagte der geängstigte Freiherr. Hölle und Teufel, wie lebte man früher so ruhig und glücklich!

Unterbrechen Sie mich nicht, gnädiger Herr,! bat der Amtmann, es ist keine Zeit zu verlieren. In Sün- denfeld sind, wie mir der Erekutant Haller sagte, vor e>ner Viertelstunde fünf Bauerndeputalionen aus verschie­denen Dörfern angelangt, und zwar in der Absicht, von Ihnen, gnädiger Herr, Jagdfreiheit in ihren Gemarkun­gen und die Wiedereinsetzung u> ihre ehemaligen Rechte zu fordern.

Unerhört! seufzte der Baron. Hölle und Teufel! ist denn gar kein Mittel vorhanden, die rohen und gro­ben Menschen von ihrem Vorhaben abwendig zu machen.

Ich wüßte keines, versetzte der Amtmann mit großer Hoffnungslosigkeit. Zurückweisen werden sich die Kerle nicht lassen, und ich möchte auch nicht dazu rathen, dieß zu versuchen. Das Beste ist, gnädiger Herr, Sie be­schwichtigen die Leute durch allgemeine Versprechungen, sagen etwa, daß sie das Möglichste lhun wollten, daß Sie sich aber die Sache erst ein wenig überlegen müßten, und was man denn Alles in solchen Lagen spricht. Da­durch gewinnen wir Zeit, und wer weiß, wie sich unter­dessen die Dinge gestalten. Noch haben der Kaiser von Oestreich, der König von Preußen und der Kurfürst von Hessen das Geschrei des Pöbels nicht beachtet, unse­res eigenen Fürsten gar nicht zu gedenken.

Ich werde Ihrem Rathe folgen, Herr Amtmann, versprach Sündenfeld. Bleiben Sie aber h:er, bis ich die Bauern abgefertigt habe.

Während dieß Gespräch im Schlosse stattfand, ging es im Dorfe Sündenfeld außerordentlich lebhaft zu Schon der Einzug der Bauernteputationen hatte bedeu­

tendes Aufsehen erregt und das Zusammenlaufen vieler Menschen verursacht; nun erschienen aber auch noch junge Leute, welche Turnerhüte mit schwarzrothgoldenen Kokarden und weiß unk blau gestreifte Blouse trugen. Jung und Alt strömte jetzt zusammen und schaarte sich um die bärtigen Jünglinge, die ernst und feierlich um- herblickten und denen man es ansah, daß sie sich der Wichtigkeit ihrer Mission bewußt waren; und in der Thal hatten sie auch keinen geringeren Auftrag, als die edlen Bewohner des Dorfes Sündenfeld mit den Forderungen des deutschen Volkes bekannt zu machen. Der Lanoesfürst hatte nämlich dis jetzt allen Bitten, die Wünsche seiner Landeskmder zu befriedigen, mit Festig­keit widerstanden. In Folge dessen waren an verschie­denen Orten Volksversammlungen adzehalren und der Beschluß gefaßt worden, durch massenhaftes, imponiren- des Auftreten in der Hauptstadt selbst die Regierung zum Nachgeden zu zwingen. Der Tag der Ausführung sollte der 12. März scyn.

Vor dem Gasthause zum Eisenhammer machten die Turner Halt und besprachen die Art und Weise, wir hier zu Werke zu gehen sey. Nachdem sie sich in dieser Beziehung verständigt, bestieg euier in Ermangelung der Tribüne einen Stuhl und redete das edle Volk von Sün- denseld mit deutsche Männer! an. Eine lautlose Stille trat nach diesen Worten ein, manche Pelzmütze flog vom Kopfe und mancher Mund öffnete sich so weit, daß er einem schaudererregenden Abgründe glich. Den Inhalt dieser Rede kann ich füglich übergehen, da der geehrte Leser ohne Zweifel im März 1848 Gelegenheit hatte, derartige rhetorische Uebungen zu bewundern, und ich glaube annehmen zu dürfen, daß er sich stets mir Ver­gnügen einer Zeit erinnern wird, die so reich war an geistigen Genüssen jeder Arr. Als der Redner geendet, verlas er die Forderungen des deutschen Volkes und fügte die nöthigen Erklärungen bei. Dann schloß er folgen­dermaßen: Wer am 12. März feige zurückbleibt, ver­dient den Namen eines freien Mannes nicht! Es lebe die deutsche Freiheit! Hoch! Hoch! und abermals hoch?

Das fürchterliche Gebrüll erschütterte weithin tieLuft und drang bis zu den Ohren des Freiherrn. In diesem Augenblick entstand ein großes Gedränge die Bauern- deputirten suchten sich zu den politischen Sendboten durch­zuschlagen, was lhnen auch endlich gelang.

Herr Turner! begann e ner der Landleute, welcher der Wortführer zu scyn schien, zu dem Sprecher ge­wendet, Herr Turner! Er hat mir, Gott straf mich, aus der Seele geredtet. Hab auch unterwegs gesagt, 's muß anders werden EinS aber hat mir m Seiner Red nicht eingeleuchtet Er hat z. B. davon gesprochen, die Censur solle abgeschafft und die Preßfreiheit einge- führt werden nein, wir wollen Alles haben die Censur schenken wir den großen Herren durchaus nicht, die müssen sie uns lasset! und obendrein verlangen wir noch die Preßfreiheit!

Er hat Recht! Er hat Recht!" schrie's von allen Seiten, während die Turner vor Lachen bersten zu müssen glaubten.

Gel», daS war ein geschcidter Gedanke? meinte ein anderer Bauer pfiffig lächelnd, indem er sich diesen Letzteren vertraulich näherte. Der Harm-ckel da ist kein Dummkopf, wirds nachher hem Baron dort oben schon auch stecken. (Forts, folgt.)