hier vermochte er nicht weiter zu werden, weil ihn Mangel an Luft und Schwäche des Körpers daran hinderte. Er drückte daher seinen Kopf in dem Schacht empor und be­reitete sich so zu langsamem Tode vor, nicht ahnend, daß sein Seufzen Jemand vernehmen möchte; denn hätte er dies gewollt, wie er später mehrmals äußerte, er hätte sich lieber von dem Ungeziefer in seinem Berstecke fressen las­sen, als daß er sich den Babelskindern in die Hände ge­liefert hätte. Obgleich aber 2000 Thaler auf den Gefun­denen gesetzt war, so wollte doch Niemand diesen Lohn, selbst keiner aus de» Bischöflichen, verdienen; denn eS lag Krechting in solcher Elendigkeit vor der versammelten Menge, daß der schrecklichste Begriff von Elend die Gräß­lichkeiten seiner Lage kaum vorzustellen vermag. Ueber- deckt von Menschenkoth, erblindet von der Schärfe des Dunstes, angcfressen von Ungeziefer an den Wangen, Ohren und Nase, umkrochen von eckelhaften Würmern und übersäet von beweglichen Kolhwesen, triefend von Blut, das ihm vom Kopfe herabströmte, weil ihn die spi­tzigen Steine, die bei dem Abbrechen des Schachtes in die Tiefe fielen, größtentheils verletzten. Keineswegs wäre eS ihm möglich gewesen, vier volle Tage und drei Nachte in diesem Gefangniß sich lebendig zu erhallen, wenn nicht von Zeit zu Zeit Wasser von oben herab ihn begossen, das ihn von seinen Gästen auf kurze Weile befreit und seinen Kopf erfrischt hätte, was umsomehr eineWohlthat für ihn war, da er der Enge des Schachtes wegen keinen Arm zum Haupte emporbringen konnte. Mehrere Stun­den lag er, bis er wieder zur Besinnung kam, wie todt auf der Erde. Mit einem laute» Schrei deS Entsetzens kündigte sich, als er die Augen ausschlug, sein Bewußtseyn an. Er sah, daß er in den Händen seiner Feinde war, aus welchen ihn nur der Tod zu erretten im Stande wäre. In starrer Wuth ballte er die Fäuste und schlug sich gleich einem Wüthenden vor die Srirne. Jetzt wurde Krechting auf einen Wagen gebracht und hinaus giengs mit ihm nach dem Lager der Bischöfliwru, wo er sich in der warmen Sonne baldigst erholt hakte, zugleich aber auch mit schweren Ketten belegt und aufs Schärfste bewacht wurde. Sein Mordkollege, der Scharfrichter Knipper- dolling, wurde auch noch selbigen Abend erwischt; er hatte sich in die Stadt bei einem sc.ner Freunde in einem Roß- mrsthaufen versteckt, und gedachte sich mit mehr List, als Krechting, aus dem Staube zu machen. Das Pferd, das Knipperdolling am Tage der Erstürmung ritt, zog er, als er der Feinde Sieg sah, in den Stall seines Freundes und stach es daselbst nieder, damit das ekle Thier nicht in die Hände der Sieger kommen möchte, und wühlte sich in den Misthaufen ein, wo er schon seit vier Tagen zu­brachte, jedoch von seinem Gönner gut gespeißt wurde, weßhalb seinem Wirthe der Kopf zwischen die Füße gelegt wurde von den Bischöflichen. Als nun für Knipperdolling kein Rettungswez ins Freie sich zeigte, gerieth er auf d n Gedanken, das lobte Pferd, das bisher noch neben seiner Miststätte lag, auszuweiden, in den hohlen Bauch des ThiereS sich zu verbergen, und darin sich von seinem Freunde auf einem Karren hinausführen zu lassen, sobald es dunkel geworden seye. Gedacht gethan! Eine halbe Meile von der Stadt, am Wege nach Stestendorp, war eine Leimsiederei, wohin des todte Pferd mit seiner wunderlichen Bergung gebracht werden sollte. Von dort aus wäre die Flucht aller Orten hin leicht gewesen. Erich Megen, so hieß der Schutzpatron des Knipperdollings,

holte wirklich einen Karren herbei, schafft« das Pferd dar. auf, in welches bereits sein Freund sich eingekaucrt hatte mit Dolch und Schwert. Bei der Dämmerung gieng aller gut von statten. Schon war das Fuhrwerk unangefvch. ten vor die Thore gekommen, als ein kleiner Zufall den ganzen Plan vereitelte. Da, wo die Brücke über die Aa und die Straße nach Crefeld führet, mußte der Karren über zusammengeworfene Schanzgräben hinweg, wobei aber unversehens das Fuhrwerk stecken blieb. Einige mü­ßig herumschlenternde Soldaten traten herzu und wollten dem benötheten Fuhrmann weiter helfen. Als sie jedoch so arbeiteten, fiel die Decke von dem Pferde und Einer der Helfenden sah, daß das Thier am Leibe ausgeschnitten war, und fragte, ob der Gaul im Sturm gefallen seic? Dem Anschein nach seye es ein Thier, wie das, welches der König geritten habe. Je kürzer aber Megen, der Zinn- gießer, auch die Sache abmachen wollte, desto neugieriger wurde die nach und nach auf mehr denn 20 Personen angehäufte Zahl der Scldknechte. Sie untersuchten die klaffende Wunde und fanden dabei, daß die Sache nicht ganz im Rechten war. Eine weitere Forschung noch und sie erblickten die Lederstiefcl eines Mannes, die sie dann ergriffen und scherzend daran zogen, worauf bald hie nack­ten Füße eines Menschen sichtbar wurden, der dieselben an sich zu ziehen versuchte. Aber vergebliche Mühe; der Ver­borgene war anS Licht gebracht und siehe, es war der Erzwütherich Knipperdolling, gewesener Scharfrichter zu Jerusalem.

Der gefangene Knipperdolling aber wurde nicht mit­leidsvoll auf einen Wagen geleget, sondern mit Stößen und Schlägen, nebst dem Zinngießer Megen, vor das Zelt des Obersten ins Lager geführt. Nach kurzem Verhör schlug man dem Hehler des Bösewichrs den Kopf ad und verscharrte ihn vor dem Thor der Stadt In Ketten und Banden harrten die drei Gefangenen dem Jakobusfeiertaze entgegen, der ihnen nur zu bald mit seinem freudigen Lichte im Osten heraufstrahlte. Von Nah und Fern kam eine ausserordentliche Menge Volks herbei, um der ver­meintlichen Hinrichtung des Johann von Leyden, des Blut- ministerS Krechiing und des Scharfrichters Knipperdolling anzuwohnen und diese Wütheriche zu sehen. Franziskus der Bischof sann die ganze Nacht hin und her, wie er diesen Blutmenschen ihre Verbrechen auch nur einigermaßen könnte suhlen lassen, ehe er sie vom Leben zum Tode brächte, aber immer konnte er nicht mit sich inS Reim kommen über die Art und Weise ihrer Qualen. Erdros­seln, Köpfen, Verbrennen, Ersäufen, Braten, Spießen, Verstümmeln rc., alles, alles war ihm zu weyig, zur Kühlung seiner Rache. Ach, warum haben diese Höllen, seelen nicht hundert Leiber, ich würde sie alle Hundert zu Schanden quälen lassen! rief er am Morgen dem Grafen v. Oberstem entgegen, der ihm meldete, daß die Gefan­genen zum Eintritt in sein Zelt bereit seyen. Behüte mich die heilige Dreifaltigkeit davor, daß ich mit diese» Teufeln unter einem Dache odme, sagte der Bischof; ich will draußen vor der Welt Angesicht Hallen über diese Würger. Nach kurzer Weile trat der Kirchenfürst hervor aus seinem Lagerhause, wo die bemelten Uebelrhäter in Kelten standen. Noch kannte er weder den Einen noch den Andern von Person. Das ist Johannes von Leyden! erhob ein Trabant seine Stimme und führte den Gezeichneten vor den rothbedechlen Richtertisch, an welchem Sylvan Kohl und Ignaz SpM- mann als Gchrerbcr saßen. (Fortsetzung folgt)