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geboben ist. Diese Mehrzahl ist allem Elende preisgegeben. Der Markt Mil Lebensmitteln wirb täglich leerer, oieselben täglich theirrer; so eben böre ich, daß beute die Zufuhr auch am Tabor abgeschniiten worden ist. Es scheint die Absicht za seyn, uns auszuhungern — sebr liebevoll. Daß aus dieser Notb Mord und Diebstabl erfolgen muß, ist klar; und allem diesem Elend gibt man uns mit kalter Ueberlegang preis — wml wir uns von ZellachichS Horden nicht wollten plündern lassen. Mehr als 60,000 Menschen baden Wien verlassen. Die Besitzenden größkentheils; sie hatten, wie natürlich, Angst vor der Belagerung; Biele von ihnen, die Bornebmcn namentlich, sind früber schon gewarnt worden. Der Allgütige wolle uns schützen und retten. Von Menschen erwarte ich keine Hülse.
Wien, den 25. Okt. Nachmittags. So eben wird der Minister Kraus zu Windischgrätz ins Lager berufen. Man knüpft hieran die Hoffnung, Laß lezterer versöhnlich gestimmt scp. Diese Nachricht bat angencbme Sensation erregt. — Drei mit Geld beladene Postwagen, die aus der Stadt adgeben wollten, wurden von der akademischen Legwit angevalien und zurückzcbracht. In den Vorstädten ist die Stimmung noch immer kampflustig; unter den Na- ttonalgardisten der Siadt haben viele den Muth verloren. Inzwischen ist die Erbitterung gegen Windischgrätz wegen seiner strengen Forderungen allgemein. Morgen glaubt man, wird gestürmt. Die Barrikaden sind vermehrt. An Fleisch ist bereits Mangel. Wir tranken heute den Kaffee ohne Milch.
Auf den Vorposten wurde am 23. Abends lebhaft kanonirt. An der großen Donaudrücke am Tavar kämpfte eine Adlheilung der Windischgrätz'schen Truppen mit einem Korps mobiler Garde um den jenseitigen Brückenkopf. Die Brücke selbst ist zerstört, und so konnten nur Kanonen als agirende Helden auf die Scene gebracht werden. Das Stück endete mir der Besetzung jenes Postens durch das Militär. In gleicher Stunde waren an der Nußdorfer Linie einige Soldaten, die in Döbling einquartiert sind, übergegangcn. Es sind Deutsche, und sollen an 70 Mann gewesen seyn. Es wurde ihnen von Döbling aus mit Kartarsche» nachgeschossen, aber die Kanonen der Mobilen vor dem Linieutbore hinderten ein weiteres Verfolge». Vor demselben Tdore sieht auf einer kleinen Anhöhe ein Haus mit einer Umzäunung. Dieser Punkt war von strategischer Wichtigkeit für beide Theile. Die Truppen wollten sich des Hauses und des wener abseits gelegenen Gebäudes der großen Wasserleitung bemächtigen. Darüber entspann sich eine wechselseitige Kanonade, welche an zwei Stunden dauerte, und damit endete, daß sich taS Militär zurückzieben mußte. Man erschöpft sich in Ver- murhunqen, ob Windischgrätz die Stadt durch Hunger oder durch Waffengewalt zur Uevergade zwingen werte Diele glaube» ras Leckere, einmal weil die Statt sur 3 Wochen Mehl besitzt, und wenn die Bedingungen der Uebcrgabe nicht gemildert werden, sich hartnäckig wehren wird, und zum Ankern, weil die Lage der Truppen, die größtentheils ohne Zelte oder Decken auf der Erde kampiren, bei der naßkalten Witterung sehr kläglich seyn muß. Diesem Umstande werten auch die häufigen Desertionen zugeschrieben. — In das Chaos der Wiener Streitkrafte soll Mes-^ senhauser doch einige Ordnung gebracht haben. Die Ba-, steien um die innere Stadt find nur von einer geringen > Anzahl Verrheidiger besezt, deren Dienst sich auf einfachen l Postendienst beschränkt. Alle übrigen Kräfte find an den I
äußersten Linienwällen zweckmäßig vertheilt. An derNuß- torfer Linie bestehen die beiden ersten Reihen der Ver- rheidiger hinter dem stark verbarrikadirten Thor einzig aus Ausreißern vom Regiment Deutschmeister. Man hat diese Leute vorgeschoben, denn sie fechten mit dem Strick um den Hals, und werden sich verzweifelt schlagen, da sie im Falle der Gefangenschaft von dem strengen General keinen Pardon zu erwarten haben. — Bis Freitag ist Waffenstillstand; Windischgrätz ist nochmals nach Olmäh zum Kaiser. Sammkliche kaiserliche Gebäude und selbst dieHof- burg sind mit Pulver angefüllt, um beim ersten Schüsse, der von den Truppen dcö Fürsten Windischgrätz in die Stadt fällt, in die Luft gesprengt zu werden.
Fürst Windischgrätz gibt der Stadl Wien 48 Stunden Zeit zur Erfüllung folgender Bedingungen: Auslieferung aller Waffen. Universität und Aula zu schließen. Die Vorsteher der akademischen Legion auszuliefern. Ausserdem 12 Stukenden als Geißeln zu stellen. Schließung aller Klubs. Suspendirung aller Journale mit einziger Ausnahme der Wiener Zerrung, welche sich auch nur auf amtliche Kundmachungen zu beschränken hat. Auslieferung noch anderer näher zu bezeichnender Personen.
Die ungarischeArmee hak nun die östreichische Gränze überschritten, um den Wienern zu Hülfe zu kommen. Kos- sukh soll bereits auf dem Wege zur Hauptarmee seyn. Nachrichten vom 19. besagen, daß Kossuth cs zu einem Kampfe auf östreichischem Boden in der Nähe Wiens treiben wolle.
Die gegen Ungarn unb Wien bestimmt gewesene ga- lizlftbe Armee wird nun vorerst nicht abgchen, da der Stand der Dinge in dieser Provinz es nickt gestattet, daß sie ganz von Truppen cntdlöst werde; auch ist in den dortigen Militärspiralern die Cholera ausgedrocken und greift immer mehr um sich.
In Dresden nimmt die Freischaarenwerbung für Wien Fortgang; dis zum Nachmittag des 28. hatten sich im Bureau des Vaterlands-Vereins bereits 1l5 junge Männer gemeldet, worunter 30 ausgediente Soldaten und mehrere bemittelte Leute.
Die badische Regierung will den wegen Theiluahme a» den hochoerralherische» Unternehmungen vom April d. I. in Anklagestand Verfetten in einem Umfange Verzeihung angedeihe» lasse», welche die etwas enge gelogenen Schranken des AmnestiegcsetzeS weitaus überschreitet, so daß von vielen Angeklagten nur »och wenige einzelne verbleiben. ES genügt, um der Amnestie theilhafrig zu werden, daß der Eecheiligke für die Zukunft gutes Verhalte» verspricht.
Lugano, den 22. Okr. Gestern langten 15 Ungarn, denen Kossurbs Aufruf in die Hände gefallen war, aus dem Heere Radetzkys hier an. Sie versichern, daß ihnen nächstens 300 Landsleute folgen werden. Gleichzeitig meldet man aus Verona, daß dort 600 Ungarn ausgerissen seyen, und mit 100 Italienern den Weg ms Tyrol eingefchlagen hätten.
Die französische Verfassung ist nun fertig und hat nicht über 30 Sitzungen der Nationalversammlung in Anspruch genommen; daran dürfte sich die deutsche Bedächt- lichkeit und Langsamkeit in den Berarhungen wohl ein Beispiel nehmen.
Ein Brand in Konstantinopel war furchtbar; über 400 Häuser liegen in Asche. Das Feuer war angelegt.