chifss betreten, kam des Weibes Ohnmacht, ging es dem Gerichtshofe zu, denn die zahllose Volksmenge Jezt schwieg die Kranke; ihr Auge brach,' umwogte den Wagen.
In dem Gericbtssaale waren bereits Richter und Zeugen versammelt. Die Aussagen des Priesters, des Anwalts und besonders die des Arztes waren so überzeugend, daß ,an der Schuld derJrkändenn kein Zweifel mehr statt fand. Ali leiser, schlichmner Stimme legte auch nun Annette as Geständiüß der Wahrheit ab.
Tdörichlcs Kind, zürnte der Präsident, da Annette ibr Bekenntulß geschlossen; von falschem Mitleide verführt, woll- lest du dich für eine Verbrccherin opfern?
Jezt stürzten Tbräncn aus Annettens Augen, und tief bewegt, wie noch nie IN il rem Leben, erwieterte sie: Nein, nein, ich will nicht besser scheinen, als ich bin; in dieser Stunde, wo Gott mich so wundcibar rettete und ich ihm wieder mit Zuversicht vertraue, will ich die Wabrbeit bekennen. Es war nicht Eoelmutb, baß ich die schuld der Herrin auf mich nabm; ich glaubte, es sey mein Verbäng- nifi, ans dem Schaffoi zu sterben. Ich war wobt noch
dcr ich dach über mich. -
aber in dem folgenden Augenblicke glühte es wieder auf; mit der gewaltigen Kraft des Sterbenden erbob sie sich nochmals, streckte die Arme demKrnoifir entgegen und rief in banger Angst: Gebt mir das Bild des Heilandes, gebt mir Hoffnung, daß mir Gnade werde vor ihm, dem Allerbarmer !
Der Priester trat zu dem Arzte und Sachwalter und sprach: Sie Beide haben hier Ihre Pflicht gekban, lassen Eie mich jezt die meinige üben; die lezten Augenblicke der Sterbenden sind erschienen. — Mit namenlosen Wechsel- gefüblen batte Louis dem Bekenntnisse der Ererbenden gelauscht; er war in die Kmee gesunken, seme gefallenen Hände waren zum Himmel emporgehoben; aber er hatte keine Laute, keine Worie. Der alle Anwalt ruß den Knieenden empor und eilte mit ihm ms Freie. Als die küble Morgenluft Louis umwebte, wurde er etwas ruhiger, aber da schlugen die Glocken plötzlich dnmvs -mammen und riese» das Opfer zum Hechgerichie. Selbst der alte Anwalt! ein tbvnckttes Kind, als ich von meinem Barer gezwun- deschleunigte seine Schrate und r,ef ängstlich: Kein Wagen > gen wurde, einer Hinr-chiung bcizuwobnen. Jchwarkränk- rst in der Rade, der Weg ist weit, wir müssen eilen, daß ! lich, immerdar furchtsam, und so machte das blutige Schau- wir n'cht zu spat kommen, um die Unglückliche zu retten, i spiel einen namenlos schmerzlichen Eindruck auf m-ch. Als Und beide Männer drängten sich vorwärts. Die Angst es geschehen war, wankie ich, wie im dumpfen Traume, beflügelte ihre S chr-tte; endlich standen sie vor dem Hausef nach Hause; ich weiß nicht, wie es kam , daß mein Blick des Gerichtspräsidenten; aber liier waren noch Läden und ' auf die Taufmünze siel, welche um meinen Hals ding. Es Tbüren verschlossen und Alles schlief »och !» sanfter Rübe, war mir, als sey sie mit Blut befleckt; gewiß war dies Louis stürmte gegen die Pforie, aber erst nach langem Po- nur eine ihörichie, kindische Einbildung; aber ich wischte
chen erschien der lässige Piöriner.
Der Präsident erscbrack, als er den Verlaut der Sacke vernahm. Bor allen Dingen tbat cs noib, die Hinrichtung aufzuschieben; er schrieb sogleich den Beicbl dam. Sdne weitere Erörterung eilte Lorus damit von dannen. Als er ans den Marktplatz kam, zeigte die Kircvenubr die Hälse der sechsten Stunde an. Rur noch eine bckbe Stunde Frist — und das Ziel noch so iern. Mit odenttoser Brüll, mit brechenden K»wen sturm-e er vv'wärts; jezt war beinabe das Tbor erreicht, aber auch seine. Kräne völlig erschöpft. Im Tbore stand ein Diener mit einem Reitpferde an der Hand. Louis cniriß ibm dessen Zügel, schwang sich in den Saite! und jagie davon Ei» lobendes Geschrei erhob sich biliter ibm, das schreckte ihn nicht, aber fett schlug die Glocke der fernen Tburmubr sechsmal an. — O allmächtiger Gott, zu spät! zu spät!
Da lag vor ibm die Schreckensstätte, ein gedrängter Mensmeaknaue! umgab das Blutgerüst. Oben kniete Annette; eben trat der Priester von ihr'zurück und —
Hak: ein! Hali ein! schrie Louis in der namenlosesten Angst, und Roß und Netter stürzten zu Boden. Louis hakte sich schwer beschädigt und konnte nur, das Papier empor- halicnd, mit matter Stimme wiederholen: Haltet ein, sie ist unschuldig! So schwach diese Worte auch ertönten, sie gingen Nicht verloren,, und bald wiederholten sie tausend und tausend Stimmen.
Das Menschenherz ist' gar rätbselbaft erschaffen; es vermag den grrßien Schmerz, das furchtbarste Web zu ertragen, aber cs erliegt der unverhofften Freude.
Als Louis Annette in seine Arme faßte und ihr zu- rief: Du darfst nicht sterben,, deine Unschuld ist anerkannt, sank sie ohnmächtig, nieder.
Das schaurige Schauspwl batte sich gewendet; unter Frohlocken und Jauchzen drängten sich Alke zu der Geretteten hin. Sie wurde, in einen Wagen gehoben ; langsam
l ängstlich an derselben, um sie von dem vermeinten Blute zu reinigen. Da stand hinter mir die alte Zigeunerin, die sich damals in unserer Gegend umbertricb, und von deren Wahrsagerkunst man im Elternbause und überall so viel Wunderbares erzählte. Sie grinzte freundlich auf mich nieder und nes: Blankes Goldkinv, schenke mir die Münze, auf daß es dir wodl gehe aufErden. Mir aber war die Münze lieb und wertb, deshalb schloß ick sie fest in meine Hand eni und schüttelte versagend mtt dem Kopfe. Da rier das Weib zürnend: Gib mir das Silberstück, tbörich- kes Kind, oder tu wirst, wie Jener, auf dem Hochgerichte steiben! Laur schrie ich cutt bei diesen schrecklichen Worten, und ettie oon dannen. Ader die schleunige Flucht half nur nichts; des Weibes gräßliche Wahrsagung schlug immerdar an mein Obr, und es milderte nicht meine Angst, mei» Entsetzen, daß ich die Münze von mir wart. Ich wagte keinem Menschen mein Gebeimniß zu entdecken, um meine Eltern nicht zu betrüben und die Schmach, zu welcher ick mich bestimmt glaubie, Nicht bekannt werden zu lassen. — Als nun meine Herrin das Verbrechen veiübt baue, war es mir, als ob meui Verbängmß mich riefe; es ist besser, dachte ich, du stirbst schuldlos dieses Todes, as daß er dw werde durch Sünde und Verbrechen. So klagte ich mich der fremden Schuld an.
Alle Ai wesenden schauderten vor dem Aberglauben, der, Javre lang in der verschlossenen Brust genährt, solchem Jrrtbumc und solcher Selbstpein verfallen koume, und der wackere Priester rief zürnend: Das sind die Fol-' gen, daß wir das Volk ohne Unterricht und Lehre in geistiger Finsterniß aufwachsen lassen, während wir selbst vor den andern Nationen mit falscher Ueberbildung prunken. Wehe dem Lande, wo solche schroffe Gegensätze sich zeigen!
Der Lehre dieses wahrhaft frommen Mannes gelang es bald, jeden Wahnglauben aus Annettens Herzen zu vertilgen.,, Sie ist nun die glückliche Gattin des Louis Chorban.