Dm 28. April,

Beilage zum Nag older Jntelligenzblatt.

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WurttembergiftHe Chronik.

^ Horb, den 26. April. Wir ergreifen dießmal mit Entrüstung die Feder, um den Abscheu auszudrücken, welchen jeder Recktlichdcnkendc fühlt über dieErcesfe, die in unserem B ai si n ge n an den Juden verübt wurden. Am Ostermontag, Nachts 9 Udr, fielen etliche 25 Mann daselbst die Jutenhäuser mit Steinen an und warfen mit wenigen Ausnahmen überall die Fenstern ein, ja siedran­gen sogar theilweise in Häuser und zerstörten, was ihnen in die Hände fiel. Gräuelhafte Scenen kamen vor: Wolf Kiese, ein sehr braver Mann, wollte die Ruhestörer da­mit besänftigen, daß er einige Hundert Gulden Geld un­ter sie warf, was aber nickt genügte, sie verlangten den Geldsack; Kieses Frau gab hierauf diesem Verlangen nach, zum Dank aber flog ihr ein Stein an den Kopf, der ihr die Hirnschale verletzte; einer andern kranken Judenfrau, welche sckon mehrere Jahre daSBcrr hüten mußte, flogen Steine ins Bett; zwei jungcKinder, welche vor den Gräueln Schutz bei einem Manne suchen wollten, der das ganze Jahr bei ihrem Vater Arbeit und Verdienst hatte, wur­den abgewiescn, mit der Bedeutung, daß er Niemand auf­nehmen dürfe; ein anderes junges Judeumädchcn, dessen Warcr gerade auf der Wacke war, dem die Ruhestörer in Keller drangen und seine Getränke laufen ließen, wollte fliehen, wurde eben ergriffen und mißhandelt, so daß es an seinen Wunden darnicderliegt. Die meisten Juden mußten fliehen oder sich verstecken, um ihr Leben zu retten; eine Familie Kiese, die sich nach Dondorf flüchtete, hat sogar in der Eile eines ihrer Kinder verloren, das sich auf der Bühne versteckte und dort ruhig scklicf bis cs Nachts l Udr von Verwandten gefunden wurde; selbst an crnem unbewohnten Judenhause wurde Zerstörung geübt. Unter den Tumultuanten sckcinen auch Vollmarmgcr, Bonkorfcr und Mözinger gewesen zu siyn, denn man soll im größten Spektakel die Rufe gehört haben; Vvllmarin- cer hierher, Bontorfer heraus, Mözinger daher rc. Es laßt sich auch auf so etwas schließen, denn die Baisinger werden ihren bisherigen guten Ruf nicht auf solcke Weile brandmarken. Sobald die Kunde davon hieher kam, ver­fugte sich unser Oberamtsrickier sogleich an Ort und Stelle, um die Untersuchung einzuleiten und bereits sitze» .auch zwei Baisinger hier in Haft. Wir überlassen jedem Redlichen, ein Urthcil darüber selbst zu fallen. Zum Glück sind nicht alle Ortschaften unseres Besirks gleicher Gesinnung wie Baisingen, waö sich bei der heu­tigen Wahl eines Abgeordneten zur deutschen National- Verssmmlunq reckt erfreulich herausstellte. Die drei Ge­meinden Muhl, Nordstetten un» Rerjngen kamen zu die­sem Zwecke heute hier an und übten ihr Wahlrecht auS; friedlich zogen sie mit ihren jüdischen Mitbürgern ein, tranken in den Wirthshäusern mit einander, und kehrten im Frieden wieder mit einander nach Hause. Ruhe uni> Ordnung ist deS Bürgers erste -Pflicht!.

Stuttgart, den 27-jApril. Ein großerK. Armee­befehl ist erschienen, welcher eine Menge Ernennungen und Beförderungen in unserem Armeekorps, das nun vollstän­dig auf den Kricgsstand gesetzt ist, enthält. Oberstlieute­nant v. Weissenstein bei der Leibgarde zu Pferd ist zum Obersten im dritten Reiterregiment ernannt, Oberstlieute­nant Graf v. Linden zum Kommandeur der Garde und Oberstlieutenant v. Staklinger vom fünften Infanterie- Regiment zum Obersten dieses Regiments befördert wor­den. Prinz Karl von Bayern, Oberbefehlshaber des siebenten deutschen Armeekorps, ist. hier angelangt und nach Karlsruhe abgegangen.

Ulm, den 25. April. Der Redakteur desErzäh­lers an der Donau," B. Schifterlinq, gewesener pro­testantischer Vikar, wurde heute Vormittag auf das K. Oberamt geholt und verhaftet. . Er sollte mit Landjägern in einer Hweispännigen Chaise nach. Stuttgart abgeführt werden, als sich die Kunde davon wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreitete. Diejenige Klasse von hiesigen Ein­wohnern, wclcke dem Ton und der Tendenz seines Blat­tes, wegen dessen Inhalt ihn diese gerichtliche Verfolgung, nach aller »Äuthmaßung, treffen soll, huldigt, sammelte sich in Sckaaren vor dem Oberamtsgebäude und bewerk­stelligte seine Befreiung. Alles Sträubens ungeachtet (man zerriß ihm sogar vor Liebe den Rock), mußte er aus dem Wagen steigen und wurde im Triumph mit dem Rufe: Vivat Schtsterling!" durch die Straßen geführt, bei wel­cher Gelegenheit er Anreden an seine Begleiter hielt. Auck ein zweiter Versuch, desselben habhaft zu werden, soll die­sen Nachmittag vereitelt worden seyn.

Tages-WerngkeiLen.

In Gotha war am 17. Weib erre v o lu tiorr. Eine Weiberdeputalron, von einem großen Haufen ihres Geschlechtes begleitet, erwirkte vom Herzog die Rückgabe aller Leihhauspsänder, die unter dem Werth eines Tha- lers sind.

Der Mailänder Kriegsbericht vom 19. April ist sehr inhaltlos. Die Piemontesen befestigen die Brücken bei Goito, Valleggio, Monzamdano und Ponti; General Manno, der vor Pesckiera liegt, hat die von ihm erwartete schwere Artillerie erhalten. Aus Goüo wurde am 19., Nachmit­tags 4 hl, Udr, nach Mailand gemeldet: ein Theil des piemontepschen Heeres, über 12,000 Mann, rückte gegen Manrua vor. In der Nahe der Festung fand ein Schar­mützel zwischen Piemontesen und österreichischen Schützen starr, in dem zuletzt diese den größer» Verlust erlitten.

Von der preußisch - russischen Gränze wird geschrieben: Wie groß die Besorgnisse vor einem Ausdrucke terRevolution im Czaärenreiche sink, geht aus den Maaß- regeln der Besitzenden hervor, die so viel als möglich ihv Eigenrhum außer Landes in Sicherheit zu bringen suchen.. Fast täglich passiven unsere Gränze a'st verschiedenen Ortem