Leis durch die zerbrochenen Scheiben,
Als wollte der Alte mit eisiger Brust Die Wunden, die selber er schlagen gemußt,
Mit kennen bedecken, vertreiben.
Und starrend vor Kälte m wildem Schmer;
Drückt fester ans pochende, kochende Herz Die Mutter den zitternden Knaben:
Und küsset die Wange so kalt wie Eis;
Und wischt von der «Stirn ihm den Tvdesschweiß — Ach, sechse schon hat sie begraben!
Ach, sechse schon folterte langsam zu Tod Der schleichende Hunger, hohläugige Roth, —
Das letzte euch ist ihr geblieben:
Und sechsmal starb auch die Mutter dahin,
Die schlesische, die Makkabäerin :
Nun stirbt ihr das letzte von sieben!
Gib, Mutter, mir Wasser! da braust ihr das Blut: Sie küßt ihm die Wange voll Fiebcrglur,
Ihr brennendes Auge wird nasser:
Warum sind die Thränen der Mutter so heiß?
Warum nicht erfrischendes kühlendes Eis? —
Schlaf, Kindlein, ich habe kein Wasser!
Der Schulze, der schloß ja die Brunnen zu!
Schlaf, Kindlein, o schlafe doch fort in Ruh!
Und leise schon träumet es weiter:
Da droben im goldenen Himmelssaal Da sitzen sechs Englein beim frohen Mahl.
Und spielen und singen so heiter!
Gib, Mutter, ach gib mir ein wenig Brod! —
Da trägt sie nicht länger die materndc Roth! Umfassend das Kind mit den Armen,
Klagt hohlen Ang's sie: Dein Vater ist todt!
Ich habe nicht Thränen: ich habe nicht Brod,
Und Himmel und Welt kein Erbarmen!
Die legte den sterbenden Knaben auf's Stroh,
Und stürzte hinaus, laut schreiend und floh Fort von der Verzweiflung getrieben ;
Zu Hülfe! Allmächtiger Gott! Geschwind!
Ach rettet mein letztes, mein einziges Kind,
Mein letztes, verhungernd von sieben!
Zu Hülfe, zu Hülfe! — Mit flatterndem Haar,
Zum Himmel gefaltet der Hände Paar,
So ringt sie dort unten am Schilfe; —
Die Thale, die Berge sind mit ihr im Bund,
Sie helfen ihr rufen aus Herzensgrund:
Der schlesischen Mutter zu Hülfe!
Da hörten die schlesische Mutter voll Grau'n, —
Ein Bild des Entsetzens, — die Mädchen und Frau'n Und kamen mit Trost und mit Spende.
Mit Gott, o Mutter, kommt Frauenhnld Zu Helsen dir; d'rum hoff in Geduld,
Daß bald sich das Schreckliche wende.
Der Husar und seine Nachbarin.
(Fortsetzung.)
Unterdessen machte ihr unermüdlicher Beschützer, der im Marinebüreau und allenthalben Nachricht von Jean tzlrmin Ungezogen hatte, kcr im April teS Jahres mit dem Kauffahrer Heureur Succe nach New-Jork gesegelt seyn sollte, die Erfahrung, daß kein solches Individuum sich hier oder anderswo eingcschifft habe, und bald gelangte er zur Ueberzcuauug, daß Jener sich noch in Paris befinden müsse. Er seufzte rief auf, war aber keincTt Augenblick zweifelhaft, was hier zu thun die Pflicht eines Ehrenmannes scy; er ging unverdrossen den ihm angegebenen Spuren nach, erfuhr, daß Firmin bei einem Goldschmied m Faubourg St. Germsin in Arbeit stand, und rühre nickt eher, bis er ihn gesunden. Er hatte ihn im GpielhauS und Weinhausc getroffen und die Unterredung mit Erneuerung der alten Bekanntschaft eröffnet. Er lud ihn höflich zu einem Frühstück ein, und hier eröffnete er
! ihm, daß ihm das Schicksal seine Frau zum Nachbar ge- ! geben und diese von einem Sohne genesen sey.
! Ick hoffe, sagte der Husar, Du wirst mir eine so ! angenehme Nachricht danken, und was auch immer Dich j veranlaßt bat, Deine Frau heimlich zu verlassen und mit Deiner Reise überS Meer zu tauschen, jetzt als Gatte und Vaier mich zurückbegleiten und Deine» Schuldigkeit nackkommeu.
Firmin lachte höhnisch auf, sah ihn mit spöttischer Miene an, und sagte: Daraus kommt also Deine ungewohnte Zuvorkommenheit! Trugst Du doch sonst im Dienste die Nase immer so hock gegen mich! also meine Frau! und nun gar ein Kind, willst Du mir wieder ausschwatzen? ick bin fröh, aus dem Handel gekommen zu seyn, lebe so besser, und brauche Geld für mich, und siehst Du, wenn Du Dich unterstehst, meiner Frau ein Wort davon zu sagen, daß ick noch in Paris . . .
Na, was dann? rief der Husar inngrimmig, und stampfte das GlaS auf den Tisch, daß es zerbrach, was dann? denn ick tdnc eS auf Solkakenehre!
Ei, Du wirst dock nicht! sagte Firmin einlenkend; ja wenn Klementine Geld hatte, so nahm ich sie gern wieder, sie ist ein gutes Geschöpf, und ich habe ihr nichts vorzuwerfen. Aber da sie arm ist und ich mein Geld für mich brauche, so wirst Du einsehen . . .
Ich sehe ein, daß Du noch ein ebenso schlechter Kerl bist, wie Du warst, als Du bei uns davon zu laufen suchtest! rief der Husar hitzig.
« DaS sagt ein . . .
Er hatte noch nickt auSgeredet, da klatschte ihm eine derbe Maulschelle ans die Wange. Der Husar stand trotzig auf und sprach: Jetzt fordere Genuglhuung, ich gebe sie!
Da mehrere Zeugen dabei waren, konnte Firmin dem Kampfe nicht auswcichen, ob er gleich nichts weniger als ein Held war und wohl wußte, welchen Gegner er vor sich hatte.
Bereitwillig holte man ihnen einen Fiaker, zwei Zeugen erboten sich zur Begleitung, und man fuhr in den Park Sc. Fargean, um sich zu schießen. Der Wirth des WeinhanseS, an solche Auftritte gewöhnt, versah sie mit Pistolen, welche le Vaillant in Gegenwart aller lud.
Sie kamen an, und je näher der Entscheidung desto sichtbarer fiel FirminS Muth; dennoch mußte er schießen, zitterte aber so sehr, daß er fehlte. Der Husar lachte, als er ihn zittern und beben sab, schoß dann sein Pistol edclmüthig in die Luft und sprach: D« zitterst? rührt sich etwa Dein Gewissen ? rede! mir ist nichts an Deinem Tode gelegen, lebe, mache Dein Unrecht gut, folge meinem Rath und laß uns Freunde seyn.
Da es so weit war, entfernten sich die Zeugen, denn obgleich Firmln noch hämisch schwieg, glaubten sich doch die Beiden sich selbst überlassen zu dürfen.
Der Husar näherte sich seinem Gegner, um lhm die Hand zu beeren, da stieß Kumm nnt einem Messer nach seiner Brust, aber eine schnelle Wendung des Verletzten machte, daß die Wunde weder tief noch gefährlich war.
So warS gemeint Meuchelmörder! rief der Husar, wülhend über diese Schändlichkeit und versetzte ihm einen so kräftigen Säbelhieb, daß der Daumen der rechten Hand glatt abgehauen wurde. Elender! fetzte er hinzu, du hattest kein .Brod für Weib und Kind, nun bettle das dri- nige! Firmin war ohnmächtig geworden; es kamen Men-