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Fenster der fünften Etage auf das Pflaster des Hofs, wo sie nach wenigen Minuten starb.

In der riesenhaften Orangerie von Versailles befin­det sich ein Pomeranzenbauin, der große Bourbon ge­nannt, der volle 436 Jahre alt ist. Er ist so groß, daß es nothwendig geworden ist, seine Aeste durch Drahtseile zu befestigen. Trotz seines Alters ist er srisch und ge­sund, und bringt mit unerschöpfter Kraft Blüthcn und Früchte in reichster Fülle hervor. Er wurde im Jahre 1411 zu Pampeluna in Navarra gepflanzt und kam 89 Jahre später als Geschenk nach Frankreich. Es war der erste Orangenbaum in Frankreich, und auf seinem Wege von den Pyrenäen bis Chantilly strömte das Volk von weit und breit zusammen, um ihn zu sehen.

Der Polizeibericht.

Der Sohn des Cbcfs der Polizei Lief aus der Schreibestund herbei,

Und legt mit Hast und Ungeduld,

Auf seines Vaters Schreibepult,

In Abschrift nieder das Gedicht Von Säiller; nun, wer kennet nicht Das Mädchen in der Fremde.

In einem Thal bei armen Hirten Erschien mit jedem jungen Jahr,

Sobald die ersten Lerchen schwirrten.

Ein Mädchen schön und wunderbar. .Die Sache war zwar etwas schwer. Sie war nicht in dem Thal geboren,!Jndeffen, mir entgeht Nichts mehr! Man wußte nicht, wober sie kam; jJch habe sie vergangne Nacht Doch schnell war ihre Spur verloren. Gefaßt und in Arrey gebracht. Sobald das Mädchen Abschied nahm.

Der Knabe hatte unterlassen,

Die Dichtung versweis abzufassen,

Sie brachte Blumen mit und Früchte Gereist auf einer andern Flur ;

So stiedlt also das Diebsgezüchte? i Schon gut, das führt auf ihre Spur!

Der gute Manu stürzt eifrig fort, ^ Kommt nach drei Tagen zum Rapport, DenSchweiß sich wischend vomGesicht, Wonach zu seinem Chef er spricht: j Ich Hab nach mühevollen Stunden § Die Dirne richtig aufgefnuden:

Die heut der Chef dem Unterstab Zu weiteren Recherchen gab,

Dreß las der Polizei-Sergeant, Indem er noch im Hausflur stand.

Das Mädchen ist nicht aus der Fremde,

- Sie ist geboren zu Bernau;

Drum folgten hier die Worte auch jAort stäh; sie Aepfel und ein Hemde, Wie bei der Prosa es Gebrauch. Dienste einer Gärtnersfrau.

Der Zufall fügt s, daß der Sergeant pa ging ihre Spur verloren, Di-ß Blatt lil^den Papieren fand, gleich sie ihren Abschied nahm;

Doch vom Versteck, den sie erkoren, !Jch dennoch endlich Wind bekam. jSie bringer Blumen, Apfelsiunen, Gereift auf and'rer Flur in's Haus, Sie war nicht in dem Thal ge- Und bietet sie mit zücht'gm Mienen boren Am liebsten in Gasthäusern aus.

Also am Kreuzberg: leichtistdas! Kurzum, als Tochter von de», lahmen Doch schnell war ihre Spur ver-Schuhmacher,Finkeusieb genannt, lorcn .Ist sie auch unterm Nebeimamen Aha! der Jungfer fehlt ein Paß! Dragon er-Jette hier bekannt.

Des SchloHbarrers Ncvele.

(Fortsetzung.)

Unterdessen war zu Hause Freud und Leid gemischt. Wenn ein Unglück oder ein trauriger Zustand lange dauert, richtet man sich zwischen Thür und Angel wohn­lich ein; ein Mensch, wenn er gesund ist, kann nicht lange dem Schmerze nachhängen, die alle Lust des Lebens blitzt bald wieder in ihm auf. So wurden zu Hause Kirch­weihen und Hochzeiten gefeiert, wahrend draußen in fer­nen Landen Hunderte der nächsten Angehörigen vom Tode in sein kaltes Bett gelegt wurden.

Agathle, die älteste Tochter des Schloßbauern, war Braut des Rößlenswirths in Eutingen geworden; der Schloßbauer, der mit dem ganzen Dorfe verfeindet war, mußte seine Kinder außerhalb deS OrtS verheirathen.

Vevele sah am Hochzeitstage seiner Schwester gar prächtig aus. Die Schwestern hatten im Dorfe keinen > weitern Umgang, und so war Vevele die einzige Gespiele ^ der Braut, und ganz so wie sie gekleidet. Es hatte die l Schappel eine Krone von schimmernden L-ilberflittcrn!

auf dem Haupte, in die beiden den Rücken hinabhän­genden Zöpfe waren handbreite, ziegclrothe Seidenbänder eingeflochten, die fast bis auf den Boden herab reichten; das ist eine besondere Zierde einer Jungfrau, denn nur eine solche darf rorhe Bänder im Haare tragen, ein Mäd­chen, das sich verfehlt hat, muß weiße leinene Bänder tragen Um den Hals hatte Vevele die vielrcihige Gra­nakenschnur, deren dunkle Farbe die auffallende Zartheit der Haut noch mehr hervor hob; über dem weißen Spi- henkollcr ragte ein frischer Blumenstrauß aus dem schar« lachrothen Mieder hervor, das zu beiden Seilen von sil­bernen Agraffen, durch die sich Silberkettchen schlangen, gehalten war; der um und um weitfaltige Wieflingrock, der bis an die Kniee reichte, war zur Hälfte von der wei­ßen Schürze bedeckt; überall, an den Schultern wie an den Enden der kurzen Hemtermel, flatterten rothe Bän­der. Die Stöckleschuhe mit den hohen hölzernen Absätzen in der Mitte gaben dem ohne dieß schwankenden Gange Vevcles noch etwas Unsicheres. Dennoch, als es unter dem Klange der Musik und dem Abfeuern der Pistolen neben seiner Schwester zur Kirche ging, erschien Vevele so liebreizend, daß Jeder es gerne als die Braut ange­sehen hätte.

Wer weiß, wo die beiden Söhne des Schloßbauern waren, während dieser mit den Seinen fröhlich beim Hoeb- zeitsschmauße saß! Niemand gedachte ihrer. Nur Vevele schaute einmal lange unverrückt drein; es war, als ob es nichts von alle dem sehe, was um es her vorging; cs war, als ob sein Blick durch die Wände dränge und suchend hinaus schweifte ins Unendliche es gedachte seiner fer­nen Bruder. !

Kaum zwei Monate später feierte auch Melchior, der dritte Sohn des Schloßbauern, seine Hochzeit. Er hatte auf des Agathles Hochzeit seine Braut, die einzige Toch- ; ter des Engclwirths von Ergcnzingen, kennen gelernt und sich mit ihr versprochen. Obgleich Melchior noch sehr jung und kaum ein Jahr älter war als Vevele, beschleu­nigte man doch die Hochzeit, den» man fürchtete, er müsse sonst auch mit in den Krieg. Melchior zog nun auch fort aus dem Dorfe und Vevele blieb allein im Hause. Die Mutter kränkelte, ein stiller Gram zehrte an ihrem Leben. Sie wollte ihren Mann immer dazu bringen, daß er Alles verkaufe und aus dem Dorfe weg zu einem sei­ner Kinder zöge; der Schloßbauer aber gab ihr so hef­tige Antworten, daß sie nicht mehr davon reden durfte. Da hatte das Vevele traurige Zeilen, denn es hatte im­mer zu vertuschen und zu begütigen. Die Kränklichkeit ter Mutter machte sie noch immer gereizter und unnach­giebiger, und sie sagte oft: wenn ihr Later noch lebte, würde sie ihrem Manne auf und davon gehen. Diese Leute sahen doch schon bald das zweite Geschlecht aus ih­rer Ehe hervorgehcn, und toch konnten sic sich nicht in einander finden; ja, je älter sie wurden, um so mehr schien sich eine Uebclnehmerci, eine deftige Bitterkeit zwi­schen ihnen kund zu geben. Das Vevele wußte zwar im­mer wieder den Frieden herzustelle»; es war dann ver­gnügt und munter, aber im Stillen weinte cs oft über das traurige Schicksal seiner Eltern und über sein eige­nes, und dann gelobte es sich heilig, nie zu heiralhen. Es kannte ja ohne dieß Niemanden, dem es sein Leben hätte widmen mögen, und dann sah es wohl ein, wie nöthig es im elterlichen Hause scy, wenn nicht das Feuer zum Dache