Wasja sieht Deutschland

Lckielrsnl am karule Ues Lrieges / Von ff-kriexsbericchter ? auI st u I b r e cck t

Im Osten, August

Der schmalbrüstige Wasja steht nicht aris wie ein Soldat, aber er weiß gut mit der Maschinen­pistole umzugehen Er ist immer einer der schnell­sten und unerbittlichsten aus der Fährte der Ban­diten, und bei den deutschen Polizeiossizieren, seinen Vorgesetzten, sehr beliebt Fast knabenhaft noch mutet er in der ihm etwas zu weiten Uniform der Schutzmannschasl an »

Nein, ich kenne eine Kindheit nicht, wie Ihre deutschen Kinder sie haben", sagte er, der immer nach einem Einsatz aus der Bank vor dem Bunker saß, mit brüchiger Stimme. Er nahm seine Maschinenpistole, zerlegte sie spielend in ihre Be­standteile. und fügte, während er den Mechanismus zu reinigen und zu ölen begann, leiser hinzu: Man entriß uns zu früh das Spielzeug und drückte uns zu früh das Gewehr in die Hand ich war erst kaum zehn Jahre"

Bei der Begegnung mit Angehörigen der landes­eigenen Schutzmannschaft, die sich fast ausnahms­los aus Männern zusammenletzt, die unter dem Bolschewismus schwer zu leiden hatten, werden täglich ähnlich erschütternde Bekenntnisse laut Vor allem bei denen, die als Anerkennung für ihre Be­währung im Bandenkamps Deutschland sehen und sich mit eigenen Augen von einer ihnen bishktr unbekannt gebliebenen Welt überzeuge» konnten So sah ich auch in dem jungen Wasja einen Menschen, dem Deutschland zum Erlebnis geworden war, der zwar in erster Linie aus persönlichen Motiven, aus Gründen der Vergeltung im Bandenkamps seinen Mann stand, aber zweifellos auch für die Idee der Freiheit, eines besseren Europas täglich aufs neue sein Leben einsctzte Seine selbstbewußte Haltung verriet mehr als nur den Ernst seines fanatischen Haffes; es war auch noch etwas Eigenes, etwas ihn Aufwühlendes, mit dem er nicht fertig werden konnte, in seinem Wesen Er spürte, daß ich nicht weiter mit Fragen in ihn dringen wollte, setzte die Maschinenpistole wieder zusammen und lächelte dankbar Me Schatten wurden länger, Wirschwie- gcn Plötzlich beugte sich Wasja vor Seine Stimme zitterte ein wenig ,Za Es ist wahr Die Zukunst gehört euch Ich habe es in Königsberg und Dan­zig gesehen Dort sicht niemand so elend aus, als bekäme er nur schlechtes Esten wie bei uns"

Vom Waldrand her näherte sich ein Polizcitrupp Die Männer brachten wieder zahlreiche gefangene Banditen ein, bei deren Anblick Wasja seine Lip­pen zu einem Spalt zusammenpreßte. Er nahm einen Ziveig aus und zeichnete Figuren in den Sand Was sic darstcllen sollten, war- nicht genau zu erkennen Doch plötzlich zerstörte er sie und sah mich an

Ich hatte mit meinen? Bruder die Schule in Moskau besucht, wollte bet Ausbruch des Krieges mit ihm zu unserer franken Mutter nach Mogilew zurück Aber so etwas glückt nur selten. Es lagen überall Kommissare auf der Lauer die aus Menschenjagd ausgtngen für die Armee, So waren wir nachts unterwegs und schliefen am Tage in den Wäldern Uebcrall stießen wir aus Truppen und am dritten Tage wurden wir ver­haftet Als der Kommissar unser« Papiere prüste, lächslte "kr höhnisch: ..Feine Herrchen, wie?" und hob die Peitsche , Das war das Unglück! Peter, mein Bruder, sprang ihn wie eine Katze an, brach aber sofort, von Pistolenschüssen des Kommissars getrofsen, leblos in sich zusammen , , ,"

Wasja schwieg eine Meile,Sie misten, daß dies dir übliche Methode ist, sich in der Sowjetunion unbequemer Menschen zu entledigen. Der Tod war immer de «Nächste, war d?r eigene Schatten Sie begreifen, warum ich leben

mußte? Der Vater verbannt, der Bruder ermordet und dpnn diq, kranke Mutter , , Es blieb mir keine andere Wahl! Dir Sowjet-Armeei Aber nun bin ich am Ziel!

Warum ich von einem Ziel spreche? Weil dieses Leben hier ein Lebender Vergeltung ist oder der Rache wenn Sie wollen! Es mag auch schon zur zweiten Natur, geworden sein, dieses Kämpfen und dieses Ausharrcn in der Nähe des Todes, ich weiß es nicht , Es ist auch nicht allein wegen der Rache O nein! Sehen Sie den Zacha Propkowitsch dort, er hat eine Familie, hat viele Kinder die jahraus, jahrein in ihren zimt- farbenen Lumpen von Kleidern herumlausen , Wissen Sie? Dafür kämpfen wir auch, daß sie es einmal bester haben, für die Familien kämpfen wir, daß sie einmal in schönen Häusern wohnen, darin dann die Kinder gedeihen wie in den Gärten die Zwetschen, Birnen und Aepsel , , "

Es ist seltsam", unterbrach er sich,wieviel Licht und Farbigkeit von ein paar guten Gedanken ausgehen und wie glücklich eine einzige Hoffnung macht Sie ist die letzte Fackel aus unse­rem Weg, und wenn ich gerecht sein soll, muß ich gestehen, daß ich sie seit KönioSberg und Danzig habe Wie sagt man mit einem deutschen Wort? Man soll nicht schmeicheln! Gewiß nicht, aber der Wahrheit die Ehre geben, und das heißt, daß ich wieder hoffe "

Me Figuren im Sande entstanden zum zweiten Male und jetzt konnte man deutlich erkennen, daß sie ein Haus und eine Sonne darstellten, denn Wasja zerstörte sie nicht wieder Er erhob sich je­doch und ging in den Bunker hinein, kam aber nach wenigen Minuten mit einem Schreibheft in der Hand wieder zurück

Dies ist mein Tagebuch! Es beginnt mit dem Besuch in Deutschland .Ich habe schon viele Seiten gefüllt, aber was denken Sie, worüber ich geschrieben habe?" ,

Vielleicht über unsere sozialen Verhältnisse, über Verkehrst!"-'--'k, Theater. Film, Sport?"

Wasja veriu,..!e,Ueber Tannenberg I" sagte er

Also über Hindenburg, über die Schlacht, Über den Krieg?"

Er schüttelte den Kopf,Nicht über den Krieg, nicht über die Schlacht, sondern daß unsere Sol­daten des Weltkrieges dort ihr Grab haben wie eure Soldaten, und daß der einfache Musketier neben dem großen Marschall liegt darüber-habe ich geschrieben Wie ihr eure Toten verehrt und gleichermaßen die eurer Feinde , , , Niemals werde ich es vergessen, als wir plötzlich vor einem Find­ling standen, der einen Namen und ein Schicksal nannte: Samsonow! Sehen Sie, darüber habe ich geschlichen," >

Wenig später fand ich ihn beim Schein einer Kerze schreibend im Bunker wieder, und ein Poli-

zeiwachtmeister sagte mir, daß er nun für seinen toten Bruder schreibe, diese Briefe jedoch immer an seine Mutter in Mogilew richte Briefe für einen Toten an die Mutter . , .? Leise ging Ich wieder hinaus.

Mißglückte Blockade

Im Jahre 1753 belagerte ein englisches Heer die feste Stadt Rennes in der Bretagne, Vergeblich: denn die wackeren Verteidiger hielten unerschütter­lich stand und fügten den Briten durch Ausfälle schwere Verluste zu Als die Engländer merkten, daß sie es mit den Waffen nicht schassten, verfielen si^ aus ihr beliebtes, bequemesgentlemanlikes" Mittel: die Hungerblockade Bald schon litt man in der Stadt Not Um die moralische Wirkung dieses Zustandes zu verstärken, trieben die Be­lagerer fette Viehherden unter den Mauern vor­über und ließen eine Herde Schweine, unter dem starken Schutz britischer Hcldensöhne, in Sicht der Verteidiger weiden Dies brachte einen der bre- tonischen Führer, Bcrtrand de Guesclin, aus ei»en glorreichen Einfall: er ließ heimlich eines der Tore öffnen und eine herbeigebrachte Sau von kundigen Händen in Ohren und Schwanz kneifen Das arme Tier erhob ein mörderisches Geschrei, Der Erfolg blieb nicht aus: die britische Schweineherde jauste im Galopp zum Tor und in die Stadt Vergeblich rasten die Bewacher hinterher Die Säue waren schneller Hinter ihnen wurde eiligst das Tor ver­rammelt Die Verteidiger aber stiegen aus. die Mauern und schrien den Engländern Höhnisch ent­gegen:Speck gefällig?"

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Sie entrannen dem Blutrausch Stalins und marschieren in die Gefangenschaft <P8 Bauer-AItvaler)

Ein Berg flog in die Luft

Vor ÜO Andrer» /i-ttsbrueü «iss Lrakatar» - Oie gi öü«e Hiaturkarastropde «1er iXkelt

In der Sundastraße zwischen Sumatra und Java liegt die Insel Krakatau, ein vulkanisches Felseneiland, an dessen Namgn sich eine der größ­ten Naturkatastrophen aller Zeiten knüpft 'Der gleichnamige Vulkan dieser Insel hatte einen großen Ausbruch im Mai 1680 gehaht Dann trat Ruhe ein, und man hielt ihn für erloschen. Nur ein unterirdisches Gebrumme und leichte Erschütterun­gen verrieten die vulkanische Unruhe in diesem Gc-

Eine lebendige Schilderung gab der holländische Ingenieur Verbreck von dieser Katastrophe der sich zur Zeit des großen Ausbruches »n Bütten- zorg, südlich von Batavia, befandDie ganze Nacht hindurch Hielt dieses entsetzliche Rollen an Die Detonationen wurden immer stärker, und er

reichten in den ersten Morgenstunden eine solche bläust, siewödnlich ohne Empfang abzugchen

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biet. In den Erzählungen der Matrosen führte man diese Erscheinungen auf die Tätigkeit des Meeres- gottes Neptun zurück, her Sumatra an Java fest­schmiede Im Frühjahr 1883 aber wurden die Be­wohner der umliegenden Inseln durch dumpfe De­tonationen ousaeschreckl, und bald brachten Schisse die Nachricht, daß der Krakatau wieder in Tätig­keit sei

Der holländische Kapitän Terzcnaar war der letzte Europäer, der am 11 August 1883 die Insel vor ihrer Zerstörung noch einmal gesehen hat Er konnte drei neue Krater beobachten, aus denen dichte Dampfwolken hervorquollen. Weitere direkte Augenzeugcnberichte gibt es nicht, da die wenigen Weißen, die sich aus der Insel befanden, mit Tau­senden von Eingeborenen umgekommen sind:

In den frühen Morgenstunden des 27, August setzte die Katastrophe ein. In Tclok Betonq aus Sumatra. 70 Kilometer vom Krakatau entsernt, ging zwischen 5 und 6 Uhr morgens der Kontrolleur an den Strand, um nach dem Post- hampfer auszuschauen Er mußte sich aber in größ­ter Eile nach hem hochgelegenen Residentenhaus flüchten Eine gewaltige Flutwelle drang plötzlich in die Bucht, überschwemmte das Land 35 Meter hoch, warf hcn Schoner Badaecro aus einen Hügel »nd verwüstete Stadt und Land Der Himmel ver­finsterte sich. Stein- und Schlammregen setzte ein, und die Bewohner flüchteten beim Lichte brennen­der Fackeln ins Gebirge Aus der Insel Mrrak drang die erste Flutwelle morgens um 6 Uhr aus das Land, um cs vollständig zu überschwemmen Da keine Möglichkeit zur Flucht vorhanden war, ertranken 10 000 Menschen,

Stärke, Laß an der ganzen Ostküste Javas kein Mensch mehr die Augen schließen konnte Wer es nicht miterlebt hat, kann es sich kaum vorstellen, welchen Eindruck eS Hervorrufen mußte, daß ein Berg, der sich in hundert Kilometer Entfernung befand, uns alle mit seinem Donnern und Rollen erzittern ließ Um 6,45 Uhr morgens erfolgte ein fürchterlicher Knall In Buitcnzorg fielen alle Lampen herunter, die Verzierungen sielen von den Mauern herab. Türen und Fenster gingen aus Entsetzt sprangen die Leute aus ihren Betten u»d eilten ins Freie, Noch folgten einige Deto­nationen, dann hörte aber sehr bald alles aus Dafür begann sich der Himmel zu verfinstern Zwei Stunden später setzte der Aschenregen ein , , ,"

Die Norbküste von Java wurde bis Batavia überschwemmt. Im neuen Hasen von Prwek, östlich von Batavia, trat mittags daH Wässer so weit zu­rück, daß das Becken trocken lag und man die Fische mit den Händen greifen konnte. Sehr schnell aber folgte die Flut mit einer hohen Sturzwelle, Dut­zende von Ortschaften wurden wegge­spült, Erst nach Wochen konnte man die Größe dieser Katastrophe ganz ermessen Mehr als 30 000 Menschen waren dieser furchtbaren Naturgewall zum Opfer gefallen Als man endlich die Insel Krakatau zu betreten wagte, kannte man sie kaum wieder. Fast zwei Drittel der Insel waren ver­schwunden, durch den Vulkanausbruch wcgge- schwemmt worden. Wo einst Land war, zogen letzt hie Wogen des Ozeans dahin.

Die Aschenmengen, die der Vulkan ausgeschleu­dert hatte, waren so gewaltig, daß kilometer­weit um den Berg herum die Asche 30 bis 40 Meter hoch lag Aus der AuSwurfsschicht ragten hier und da Baumkronen hervor und erinnerten dar­an, daß sich vor kurzer Zeit an dieser Stelle noch blühende Palmenhaine befanden Das Gebiet, aus dem Auswurfsprodukte hes Krakatau festgestellt wurden, war ändert halbmal größer als Deutsch­land,

Die Rauchsäulen stiegen während des Aus­bruches 30 bis 40 Kilometer hoch in die Lust, Noch monatelang nach dem Naturereignis konnten in allen Gegenden der Erde sonderbare Lichtphäno- mene, auffällige Dämmerungserscheinungen usw be. »buchtet werden, hervorgerufen durch den Erup­tionsstaub des Kraters Den Donner der Explosionen hörte man sowohl in Australien wie auf Ceylon, also innerhalb eines Kreises von 6800 Kilometer Durchmesser Hätte der unruhige Berg in der Mitte Europas gestanden, so wäre seine grollende Stimme bis an die Grenzen dieses Erdteiles ge­drungen Die durch ihn erzeugten Luftwellen wun­derten, wie das Barometer bestätigte, drei- bis viermal um den Erdball.

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Kradschützen einer Aufklärungsabteilung jagen an der Ostfront ins Bandengebiet vor (PK. Wehmeger)

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Die Ungenannten

Von llriegübericliler 4 <1 » I b s r t 8cbvsrtr I'K Bei der Kriegsmarine. Wir liegen nun in dem kleinen Hajen der als Ziel unserer Unter- ncbmung besohlen war Das Morgenarauen löst schon ba§ malerische Hascnbild aus dem Dunkel, Zu dieser Stunde halten mir keinen Empfang er­wartet Jedenfalls nicht in dcyi Ausmaß, weniger noch in dieser Art: denn hier am Kanal pflegt es, wenn man mit einem Kncgsschiss einen Haien

Heute ist es anders Unser Schiff birqi Frack t, wertvolle Last Und zu- deren Empfang stehen dir vielen Männer mit ihren wetlerqebräunten Ge- ülbtcrn am Pier Sie emvianpen nickt uns son­dern die Fracht Sic bilden das nächste Glied in der Kette des Arbeitsprozesses der großen, ge­meinsamen Anstrengung, die der Sicherung und

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Lagebesprechung im Schutze eine» Graben» Offiziere eines Kommanüogrfechtsstandes in einem Kampfabschnitt bei Grel erwarten noch einige Mel­dungen, damit der nächste Einsatz vorbereitet werden kann (PK,-Kriegsberichter lvaske-Sch.)

Festigung der langgestreckten Westküste dient Drei Tage sind vorgesehen zur Löschung der Fracht.

Die beiden Zivilisten aus der Brücke ver­folgen die Arbeiten mit einem unverkennbaren Ausdruck der Genugtuung Ganz für sich selbst sind sie offensichtlich stolz aus ihr Werk Vor zwei Stunden noch, als die Leuchtfeuer im blassen Mor­genlicht den Weg zur Hafeneinfahrt gewiesen hat­ten, stand der eine dieser beiden Zivilisten auf der Brücke und trug die weiße Kapitanmütze mit dem Zeichen der deutschen Reederei Der andere, der Leitende Ingenieur, stand mit schwarzen, ölig glän- ! zenden Händen tief unten in der zehrenden Hitze zwischen Kessel und Maschine »

Diese beihen Männer sind, ebenso wie die ande­ren Offiziere und Mannschaften, nicht nur gerade dieses Handelsschiffes seit Ausbruch veS Krieges untereinander und mit ihrem Schiff aus Gedeih und Verderb verbunden während jedes dieser schwie­rigen, verantwortungsvollen Unternehmen, Sie sind Männer.in unmittelbarem Fronteinsatz. Der zweite Offizier, jung, blauäugig und frisch, hat Jahr und Tag Nachschub gefahren für unsere Truppen aus afrikanischem Boden, Dreimal sah er sich schwimmend dem Tode gegenüber DerLei­tende" stgnd im Maschinenraum, als ihm wäh­rend der Ucbcrfahrt von Südamerika nach Deutsch­land die englische Kriegserklärung durch Funkspruch bekannt wurde. Sie durchbrachen in nervenverzeh- rendcr, langer Fahrt die feindliche Blockade und machten mit dem großen deutschen Handelsschiff, das ihnen anvertraut war, in einem Fjord des damals noch neutralen Norwegen fest Man sieht es den Männern, wenn sie in schlich­tem, grauem Zivil an Land gehen, nicht an, welch hervorragenden Anteil sie in aller Stille an den Erfolgen im Verlauf des Krieges durch ihren Ein­satz errungen haben. Man spricht nicht viel von diesen Männern. Noch weniger aber sprechen sie von sich selbst. Sic stehen im Schatten der Ereignisse. Sie sind die Ungenannten.