Polsrlraltrms

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SyWrmgen ^ den KikrnbknL

Speerdisteln

Km besonnten Hange wohnen ^

disteln, ganz von Licht umslammt, alle tragen neue Kronen,

Filigran und öunNeo Samt.

Doch, o wrhl Dir Schönen, Herben finö schier kriegerisch bewehrt,

Speere künden ->r verderben, jedes DI alt gleicht einem Schwert.

Zwar die Käfer und die Fliegen fühlen wenig sich bedroht,

Stacheln sind für sie dir Stiegen zu dem wundersamen Not.

wem nur» Jungfer Distel, schlimme, sind dir Waffen so gezückt?

Freut cs dich in falschem Grimme, wenn dich keiner, keiner pflückt?

btaris biüller-Lözler

Oie vertauschte HelmUachtel

Von ölüller-ttückerzciork

In launiger Stunde erzählte Feldinarjchall von der Goltz-Pascha das folgende drollige Erlebnis: In der Zelt, da ich Kommandierender General ln Ostpreußen war, fuhr ich eines Tages in Beglei­tung meiner Generalstabsoffiziere mil der Klein­bahn zu einer Rckrulcnbefichtigung.

Als wir das Abteil betraten, saß darin die mir gut bekannte Frau des Rittmeisters von F mit ihrem dreijährigen Töchkerchen. Erfreut, eine so ausgezeichnete Gesellschaft zu haben, setzte ich mich, indes man mein Gepäck oben im Netz verstaute, zu der scharmanten, geistreichen jungen Frau und unterhielt mich mil ihr lebhaft während der ganzen Fahrt.

Blitzschnell schwand die Zci^dahin. und ehe ich mich »ersah, ivar ich mit meinen Kameraden am Ziel.

Während ich mich von Frau von F. verabschie­dete, kam eine Ordonnanz in den Zug und nahm mein Gepäck, zu dem auch eine Helmschachtel ge­hörte, ans dem Retz und trug es zum Krümprr- wagen. in dem wir nach der betreffenden Kaserne fuhren.

Vor dem Exerzierhausc erwartete mich der Regi­mentskommandeur. der, ebenso wie die ihn um­gebenden Majore und Hauptlcutc, vorschriftsmäßig Helm und Halsbinde trug

Schnell raunte ich der Ordonnanz zu:Meinen Helm!'

Ohne sich zu besinnen, griff der Gefreite zu der Schachtel, schnallte sie aus und hielt sie mir hin

Ich schaute hinein und dachte, ich solle in die Erde versinken Denn statt meines Helms lag darin eines der stets schüchtern verborgen gehalte­nen, blendend weißen Geschirre Frau von F hatte es der Sicherheit halber für ihr kleines Töch- tcrchen mit aus die Fahrt genommen und zweck­mäßig in einer Helmschachtcl untergcbracht. In der Eile hatte die Ordonnanz diese mit der weini­gen vertauscht.

Was sollte ich also tun? ilnoorschrislsmüßig. die Mütze aus dem Kops, ging ich zur Rekruten- besichtigung.

Doch damit mir dergleichen Verwechslung nicht mehr Vorkommen kann, habe ich mir. seitdem ich weiß, daß in Helmschachteln auch etwas anderes als Helme geborgen werde», auf die mir gehören­den deutlich sichtbar einen kleinen Helm aufmalen lassen.

Zweierlei

Herr (zu seiner schönen Nachbarin):Gehört da? Hündchen Ihnen, gnädiges Fräulein?"Nein ' Wirst du gleich vom Stuhl herunter gehen, du jämmerliches Hundcvieh!"

Auf verlorenem Posten, v°» e-i-a,

Der Türmer von Brandenburg war all gewor­den. Sein Gesicht war grau und verwittert wie der Stein, aus dem der mächtige, hundert Meter hohe Turm der Katharinenkirche aufgeführt war. Seit vielen Jahren schon hatte er nur den heulenden Wind zum Freund und die grämlichen Dohlen Das endlose Aus und Ab der Stufen war für den Greks zu beschwerlich geworden, und sein Herz verlangte nicht mehr nach den Menschen. Gleichwohl erfüllte er noch immer mustergültig seine Pslicht. die Stadt vor Feuers- und Wassersnot zu bewahren, und blies pünktlich die Stunden vom Turm herab Er kränkte sich daher insgeheim, als ihm im Herbst des Jahres 1579 der Hohe Rat der Stadt einen jungen Gesellen bci- gab Dieser, namens Antonius, war ein munterer, ja zuweilen ein wenig kecker Bursche, einer von' jener Sorte, deren Wahlspruch lautet:Hilf dir selbst, so hilft dir Gott!" Tie beharrliche Schweia- samleil des Allen jocht ihn me»ia an. Auch vermochte das Winseln des Sturmes und das beständige leise Schwanken des Gemäuers seinen gesunden Schlaf nicht zu stören. Den Alten oder, trieb eine seltsame Unrast Nacht für Nacht aus dem Bette. Ein unheimliches Mahlen und Knistexn, das er nie zuvor vernommen, drang in sein geschärftes, an tausend kleine Nachtgeräusche gewöhntes Ohr Zum erstenmal in seinem langen Leben wollte ihn etwas wie Furcht überkommen vor dem Unsicht­baren, gespenstisch Drohenden, das seinen Turm umschlich und aus dem Dunkeln auch nach ihm zu greifen schien Endlich entschloß er sich, seine Besorgnis dem Ge­sellen Antonius mitzuteilen Aber der lachte nur Wie seinen Turm glaubte der Alle in Ge­fahr? Aber das waren ja Hirn­gespinste! Diese Mauern schienen für eine Ewigkeit gegründet und würden wohl das Geschlecht über- dauern, das gläubig an ihnen hinaufblickte! Der Alte schüttelte hesserwissend den Kops, Er konnte der blanken Herbsttage nimmer froh werden und schien sich in Sorge zu verzehren Da ent­schloß sich Antonius, Turm und Kirche sorgfältig zu prüfen Fröhlich pfeifend stieg er Stufe um Stufe hinab, jeden Stein mit seiner Hand abtastend, jeden Win­kel ableuchtend. Und plötzlich riß sein Lied mitten im schönsten Triller ab. Wie gebannt blich er stehen Da ein breiter Riß klaffte bis tief hin­unter ins Fundament, als hätte eines Riesen Faust das Mauerwerk mit der Axt gespalten! Wenn der Turm nun wirklich einstürzte. . . Seine Pulse klopften wie im Fieber. Aber er blieb ganz ruhig Gemessenen Schrittes, als genieße er nur eben ein wenig die abendliche Kühle, ging er durch die Gas­sen und erstattete dem Rat- seine Meldung Der Bürgermeister ward vom Entsetzen ergriffen Wür­den nicht die gewaltigen Steinmassen alles Leben in weitem Umkreis unter sich begrahen? Der Him­mel hatte sich verdüstert, milchige Streifen überzo­gen ihn ganz. Es konnte eine stürmische Nacht geben. Eilige Hilfe tat not Der Bürgermeister aber zögerte Was konnte man bei einbrechender Dunkelheit noch ausrichten? Auch schien es ihm geraten, das Volk nicht ohne Not in Furcht und Schrecken zu versetzen Bor allem mußte natürlich der Turm geräumt werden! Wer aber sollte die Leute warnen, salls sich wider Erwarten das Schrecknis beschleunigen würde? Ratlos., hände­ringend standen die Herren aus einem Hausen. Ta sagte AntoniuS:Den Alten will ich schon in Sicherheit bringen, mag er sich auch sträuben Ich selbst aber werde diese Nacht auf dem Turm ver­

bleiben und Euch von Stunde zu Stunde ein Zei­chen geben, wie cs steht. Solang ich:Die Sonn' hat sich mit ihrem Glanz gewendet' blase, mögt Ihr ohne Furcht in Euren Betten bleiben. So ich aber anhebe:O Welt, ich muß dich lassen', ist es hohe Zeit, die Leute aus den «inliegenden Häusern zu retten.' Der Bürgermeister wandte ein:Wer du selbst kannst dabei dein Leben verlieren!' Do lächelte Antonius ein wenig und sagte:Besser einer als viele!'

Als die Nacht hcreinbrach, bezog Antonius seinen Posten aus dem Turm. Er besaß ein frohes und furchtloses Herz. Als er aber jo mutterscclcaallein

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beim flackernden Kerzenlicht saß und in das Dun­kel hinaushorchte, sank ihm beinahe der Mut. Gab es etwas Schlimmeres, als sich einer Gefahr ausge- letzt zu wissen, die man nicht sehen, nicht mit Hän­den greisen konnte und die man doch unaufhaltsam näherrücken fühlte?

Der Wind fuhr jaulend um alle Ecken, die Fen­sterläden klapperten einen gespenstischen Takt und die Wetterfahne über ihm drehte sich kreischend um ihre Achse Deutlich und immer stärker vernahm er i zwischendurch das Knistern im Gemäuer, hörte' Stein um Stein sich lösen und mit dumpfem Ge­polter in die Tiefe stürzen.

In der Mitte der Nacht schwoll der Wind plötz­lich zum Orkan an In ununterbrochener Folge prügelten jetzt die Maucrstücke hernieder, der Turm ächzte wie ein lebendiges Wesen und schwankte so stark wie ein Schiss bei grober See

Do trat Antonius aus den Umgang hinaus und nahm seine Posaune zur Hand. Der Sturm riß ihm fast die Töne vom Mund, er aber blies mit voller Lunqenkrast, daß es weithin über die Stadt hallte:O Welt, ich muß dich lassen . . .'

Alsbald sah er hier utid dort, in einem Haus Licht aufstcahlen und schon schwankien auch die ersten Laternen eilig durch die Gassen. Die Weni­gen. die von der drohenden Gefahr unterrichtet waren, hatten wohl gleich ihm gewacht und das

Nötigste zur Bergung der Gefährdeten schon vor- bereitet.

Als AntoniuS nun die Tür zur Treppe öffnete, um endlich sich selbst in Sicherheit zu bringen, prallte er erschrocken zurück: wo vordem die zierlich gewendelten Stufen hinabgesührt hatten, gähnte ihm jetzt ein schwarzer Schlund entgegen!

Da trat der Gesell zurück ins Turmgemach. Ein wildes Weh durchschüttelte ihn für eines Atemzuges Länge; denn er war >ung und froh und liebte das Leben. Dann aber faßte er sich, steckte eine frische Kerze auf den Leuchter und befahl seine Seele Gott. Besser einer als viele!' sprach er leise vor sich hin. Er hatte eS dem zaudernden Bürgermeister entgegen- gehaltcn und mußte nun zu seinem Worte stehen.

Eine Stunde später stürzte der Turm mit don­nerähnlichem Krachen in sich zusammen. DaS Wahr­zeichen der Stadt Brandenburg war nur noch ein armseliger Trümmerhaufen. Verstört und traurig scharten sich die Bürger um die Ueberreste ihres stol- zsn Bauwerkes

Do aber erinnerte sich der Bürgermeister dcS braven Antonius, der bis zuletzt auf seinem verlo­renen Posten auSgehalten hatte Run wollte man wenigstens seinem Leichnam alle Ehr« antun. Kaum daß der Morgen graute, begann man schon den Schutt um und um zu wühlen Plötzlich, als man zwei schräg gegeneinander stehende Mauerstücke mit der Spitzhacke auscinanderriß. stießen die Männer einen Schrei der Verwunderung aus vor ihnen lag, zwar von einer leichten Ohnmacht umfangen, sonst aber gesund und unverletzt. Antonius!

Schillers Schreibleöer

Von ltsriL 6»fgeo

Es war einmal eine Gans, die verlor eine schöne weiße Feder und der Dichter Schiller, der gerade vorüberging, nahm die Feder und schnitt sic sich zum Schreiben zurecht

Und da es Schiller gewesen der mit der Feder geschrieben, kain die Feder nach des Dichters Tode ins Schillerhaus zu Weimar oder vielmehr sie blieb dort tn seinem Arbeitszimmer ,

Viele Menschen kamen und gingen.

Und sic besahen die Feder mit Ehrfurcht, auch wenn sie sonst Spötter waren Eines Tages aber kam eine ganz moderne junge Dame nach Weimar und sie ging auch inS Schiller» Haus, nicht aus Verehrung für den Dichter, son­dern weil man dort gewesen fein mußte.

Und sie sah die Feder und lachte ^

Da war aber ein alter Aufseher im Raum, der das gesehen hatte Er trat hinzu und fragte die junge Dame, die gelacht hatte und einige andere Leute, die da herumstanden, ob er ihnen die Ge­schichte der Feder erzählen dürfe. ,

Alle stimmten freudig zu Da blickte der Aufseher die moderne junge Dame , ganz scharf an und sagte:Es war einmal eine Gans' >

Und hier ist die Geschichte aus. ,

Ein Bauer lucht LOS Eier in einem Huhn

Man liest von einem Bauern, 'MO Isttttg untrr^ die Narren zu zählen ist; der hatte eine Henne, die legte ihm alle Tage ein Ei Der Bauer dachte, sie hat wohl 100 oder 20V Eier in ihr; hättest du die alle aus einmal, so könntest du damit etwas schaffen! Ein Ei, das hilft dir nicht viel; du willst sie erstechen.' Er tötete sie und machte sie auf und fand nichts in ihr So verlor er die Henne und die Eier. Wer zu viel will, bekommt gar nichts!

Erstaunliche Bestätigung

Jemand kaufte einen Papagei.Ist er auch den Preis wert?' fragte er den Händler. ,^Wcr könnte daran zweifeln', schrie der Vogel dazwischen. Das gefiel dem Käufer und vergnügt zog er mit dem Papagei heim. Bald jedoch merkte er, daß derselbe nur den einen Satz sprechen konnte. War ich. nicht ein rechter Esel, den Vogel für , einen so hohen Preis gelaust zu haben?" brummte er halblaut, woraus ihm der Papagei prompt z» ries:Wer könnte daran zweifeln?'

Gejpräch in öer Sommernacht

Von Ou;ts» l.eu>eritr

Wir faßen aus der Veranda und blickten in den nächtlichen Garten. Mücken umschwärmlen unsere Lampe. Eine milde Nacht blaute hinter den alten Nußbäumen. Die Grillen zirpten tausendstimmig. Wir saßen zu dreien, mein Freund Joachim, seine Frau und ich Wir Männer hatten uns die Köpse darüber heiß geredet, ob aus den Aeußerungcn des alten Goethe hervorgrhe, daß er an eine Existenz nach dem Tode geglaubt habe. Joachim bestritt das. Ich versuchte es zu belegen und sagte, auch dort noch, wo Goethe über gewisse naiv« Jenseitsvor­stellungen scherze, sei doch ganz unverkennbar seine Zuversicht aus ein Fortlcben nach dem Tode, wo­gegen Joachim wieder einwarf, Goethe sei die ganze Mystik ein Greuel gewesen, was schon aus seinen Worten zu Eckermann hervorgehe: ein tüch­tiger Mensch, der täglich zu streben, zu kämpfen und zu wirken habe, lasse die künftige Welt aus sich beruhen und sei täiig und nützlich in dieser.

Je nun, erwiderte ich, das sei ja kein Beweis dafür, daß Goethe >m Innersten nicht doch, ganz für sich und ohne Worte an diesekünftige Welt' geglaubt habe. Dte ärgerlich hingeworfene Acuße- rung zu Eckermann bestätige doch höchstens, daß ihm das Reden über diese Dinge unerquicklich ge­wesen sei, wohl aus einer begreiflichen inneren Scheu und Ehrfurcht heraus.

»Durchaus nicht", parierte Joachim.Goethe war ganz und gar ein Heide, ein prachtvoller Diesfeits- menschl"Was ihn", warf ich leidenschaftlich ein,gleichwohl nicht abhielt, zu erklären, der Mensch solle an Unsterblichkeit glauben, er habe dazu ein Recht, es sei seiner Natur gemäß; und daß er an anderer Stelle geäußert habe: .Ich bin der festen Ueberzeugung, daß unser Geist ein Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur."

Joachim schüttelte dazu nur den Kopf und rief hitzig das wären so charakteristische Genie-An­sprüche, aber kein Glaube, keine Gotteskindschaft.

Hier stockte unser Gespräch. Wir saßen einander verrannt gegenüber. In dir plötzliche Stille tönt«

das Raunen der Bäume, das tausendstimmige Zir­pen der Grillen, das ferne Grollen eines Gewitters. Benommen griffen wir nach unseren Gläsern und nahmen einen tiefen Zug von der Bowle Joachims Frau, die unserem Gesprächsducll schweigend zu­gehört hatte, sagte nun unvermittelt mit ihrer leisen, doch eindringlichen Stimme:Ihr Männer leid doch wunderliche Propheten! Ihr wollt immer olles bewiesen haben und alle? beweisen Da sitzt ihr nun hier unter diesem ausgestirnten Nacht- Himmel und redet euch die Köpfe heiß, als ob Goethe ein Rcchencxemprl gewesen wäre und nicht der tiefen Geiheimnisse voll. Lauscht in die Nacht hinaus, in dies Rauschen und Zirpen! Kann einer denn wirklich annehmen, daß unser bißchen Leben die Welt ausschöpste?"

Und sie schwieg wieder. Und wir schwiegen auch Aber uns schien, als hätte diese Fra» die All­gegenwart des Unbegreiflichen an unseren Tisch geladen. Aus dem Garten stieg es ambrosisch aus, Duft und Kühle. Wir lehnten hier wie in einer Schwebe zwischen Himmel und Erd« und emp­fanden unsere Worte spärlich, ja wir schämten uns ein wenig vor dieser Frau. Droben aber zogen nach ewigem Plan die Gestirne.

Das Kinö unter öem Bahrtuch

Von 6 i 5 s knrtrert

Es ist Nacht. Stoßend und rätternd fährt der Zug dahin durch das weite galizische Land Jäh bricht er ein in die weiche schwingende Stille. Eine Woge von Lärm brandet vor ihm her, folgt ihm nach, ersülli jeden der Wagen, braust den Soldaten in den Ohren, pocht ihnen gegen die Stirn, reißt ihnen den Faden des Gedanken? ent- wei, senkt sich lähmend aus sie herab. Seit Tagen ahren sie nun nach dem Osten der Front ent­gegen. Müde sind sie alle. Einer um den andern fällt in einen dumpfen, unruhigen Schlaf.

Nur.tn der Ecke des Abteils wacht noch ei» Soldat, Erich Dorcrndt mit Namen. Er findet keine Ruhe heute nacht. Sie fahren dahin durch das Land, in dem er geboren ist, da» er aber dennoch nicht Heimat nennt. Ms Kind von vier Jahren

mußte er schon daraus fort. Sie flohen vor den Bolschewisten In das schmählich verstümmelte Oesterreich kehrten sie zurück, in das Oesterreich, über dem der Schatten des Schmachsriedens lag.

Die Fesseln dieses Friedens sind gebrochen. Ga­lizien und die Ukraine sind wieder in deutscher Hand Sie gegen den erneuten Ansturm der Bol­schewisten zu schirmen, fahren sie nach Osten. Erich Dorandi hört wieder die Stimme seiner Mutter, als sie von ihm Abschied nahm:Ich gebe dich tn die Hand der Vorsehung, wie ich es schon einmal getan ' Aus der Nacht wächst das Bild des Ge­schehens in ihm aus, das jene Worte beschworen.

Es war ein unheimlicher Abend. Seine Mutter war tn stummer Verzweiflung aus einem rattern­den Baucriikarren in die Dämmerung hinausge- fahren. Auf den Armen hielt sie ihr jüngstes, tod­krankes Kind. Einen Arzt gedachte sie im Städt­chen zu finden, einen Arzt, der das Bübchen retten könnte, che die Diphtherie es würgend hinrasfke.

Ihn selber ließ sie in der Obhut einer jungen Magd zurück. Die Nachbarn sahen sie am Fenster sichen. Sie wiegle den Vierjährigen in den Armen und sang dazu.Laß das Singen heute abend, Margusch". riesen sie ihr zu.Du könntest sonst morgen den ganzen Tag weinen müssen.' Und dringender dann:Birg dich im Haus. Margusch, oder komm' zu uns herüber. Sie sagen, die Bol­schewisten sind im Anzug. In der Schenke am Wcgkccuz fitzt schon eine Horde nnd zecht. Der Küster hat sie gesehen."

Was kümmert's mich', gab die Angerufene mit .einem frechen Lachen zurück.Bin selber eine halbe Russin!" Ein wenig später sah man die Magd aus dem Hause laufen, in hohen Stieseln, ein Tuch um die Schultern, als wolle sie über Land. Kaum aber stand sie auf der Straße, so begann ihr Schützling jämmerlich zu weinen. Durch das offene Fenster hörte man sein Wimmern bis hinaus auf die Gasse. Die Magd verhielt den Schritt, horchte zurück nach dem Hause, warf einen schnellen-Blick hinüber zu den Nachbarn und verschwand noch Anmal durch die Türe. Sie kam alsbald wieder heraus, trug das Kind auf dem Arm und lief hastig ins Dunkel hinaus.

Der Nachbarin schwante nichts Gutes. Sie lief, der Magd nach, sie zu bewegen, den Knaben in ihrer Obhut zu lassen. Doch kurzatmig wie sie war, konnte sie die Eilende nicht einholen Im Gewirr der Häuser verlor sie ihre Spur. Niemand kam ihr entgegen, den sie hätte nach der Flüchtigen fragen können. Nur an der Kirchhospsorte schlüpfte leichten Schrittes eine Gestalt an ihr vorüber. Ein Mädchen mußte es gewesen sein.Hast du di« Margusch nicht gesehen, die Margusch mit dem kleinen Erich?" ries sie auf gut Glück hinter rhr her. Doch nur ein höhnisches Lachen ward ibr zur Antwort. ^ , ,,

Ratlos stand die Alte im Dunkel der Nacht. Un- heimlich klang ihr noch immer das Lachen in den Ohren. Woher kannte sie es denn, dieses grelle, wilde Lachen? Sollte es die Margusch. dieses, fremde leichtfertige Geschöpf gar selber gewesen sein, mit dem sie gesprochen hatte? Aber wo sollte die Magd indessen das Kind gelassen Habens Nir­gends brannte mehr ein Licht Hinter allen Zäunen wachten knurrend die Hunde Und der Heckenpsad? ^ sann die Alte weiter, führte der nicht geradeswegS nach der Schenke am Wegkreuz?Behüt'- uns Gott in Gnaden!" flüsterte sie und strebte heimzu.

Der Soldat am Fenster starrt hinaus in die Nacht. Feuerbrände sieht er gen Himmel lodern. Dort brannte eine Kirche, da ein Haus Aber nein, es ist nichts. Seine erregte Phantasie narrt ihn mit diesen Bildern des Schreckens. In jener Nacht wur­den alle Häuser im Dorfe, in denen sich ein wenig Wohlstand barg, geplündert. Das halbe Dorf ging in Flammen auf. Fünf Menschen lagen tn ihrem Blute. Den kleinen Erich rechnete man zu den Toten.

Ein junges .Weibstück habe die Horde geführt, sagte hernach der Schmied, den sie für tot am Wege liegen ließen.

Als die Bauern am Morgen in das BeinhauS traten, die Totentrage zu holen, lächelte ihnen unter dem Bahrtuch hervor der totgeglaubte Knabe ent­gegen. Margusch blieb verschollen seit jener Nacht.

Müde lehnt sich nun auch Erich Dorandt zuruck. Leise übermannt ihn der Schlaf.

HerauSgeaebe» tm Aufträge der NS^Prelle Würt­temberg von 2 au» Revhiua, Ulm a. D.