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Der Gesellschafter.
Württernbergifche Chronik.
-!- Altenstaig, den 20. August. Der Einsender dieser Zeilen kann cs nicht über sich bringen, einen Vorfall zu verschweigen, der sich kürzlich ereignete und der einen traurigen Beleg dafür gibt, auf welche wucherische Weise oft die Armuth auszubeuten gesucht wird. Eine Bauersfrau kam hieber und erzählte Folgendes: Ich komme so eben von ***, wo ich bei einer Wtttfrau 12 fl. gut habe, die ich schon lange cinklagte und nun mein Geld holen zu können glaubte; der Schultheiß daselbst sagte mir aber, in vierzehn Tagen dresche die Wiitwe ihren Haber aus, und da soll ich dann mein Geld erhalten; als ich mich beklagte, daß ich eben auch sehr nöthig Geld brauche, offerirte er mir, er wolle neun Gulden aus seinem Sack vergeben, wenn ich ihm dann meine Ansprüche an die Wittwe ccdire. Ich dachte aber, um die 3 fl., die ich auf diese Weise verlieren soll, kann ich schon noch 14 Tage warten!
Dornstetten, den 20. August. Dienstag den 18. d. Ml, Mittags halb 2 Uhr, war die-verhängnißvolle Stunde, welche über den Pfarrort Witten dorf einen so unheil- schwangeren Anfang nahm. Als sich gerade der größere Thcil der Einwohnerschaft schon auf daS Feld begeben hatte, um den noch nickt gänzlich eingeheimSten Haber vollends unter Dach zu bringen, brach in einem zwischen dem Schul- und einem andern Hause gelegenen Reisachhaufen Feuer aus, welches in einem Nu daß mit Brettern und Schindeln bekleidete Schulhaus ergriff und sich bei einem Süd-Wcst-Winde und einer Temperatur von -j- 30 — 34° so schnell und furchtbar verbreitete, daß binnen einer Stunde siebenundzwanzig mit Heu, Hol; und Früchten vollgespicklc Häuser nebst einigen Nebengebäuden lichterloh brannten. Das verheerende Element griff mit solcher Schnelligkeit um sich, daß Leute, welche andern zu Hülfe eilten, indessen ihre eigenen Wohnungen verloren. Nur durch die äußerste Anstrengung der schnell herbeigecilten Löschmannschaften und durch eine zweckmäßige Verwendung der Feuervertilgungsmittcln wurde verhindert, daß die Gefahr nicht noch größer wurde, denn, wäre daS Lö- wenwinhshaus nicht noch gerettet worden, oder der Wind hätte eine andere Wendung genommen, so wäre der ganze Ort, bis auf wenige Häuser unfehlbar niedergebrannt. Die Kirche und das Pfarrhaus stehen noch. Menschenleben haben wir keines zu bedauern; dagegen aber verbrannten zwei Ockfen, ein Rind, zwei. Gaisen, zwei Schweine nebst einer Menge anderer Hausthiere. Mehr denn drei Hundert und theilweise schön mit Obst behan- gcne Obstbäume verbrannten ebenfalls. Durch diese furchtbare Katastrophe sind zweiundvierzig größtenteils ganz arme Familien obdachlos geworden und nur wenige (so viel wir hören zwei) hatten ihre Hausmobilien versichert. Wie der Brand entstanden, ist bis zur Stunde noch unbekannt, Brandbriefe, welche einige Wochen vorher- gefunden wurden, lassen jedoch vermuthen^ daß dieß daS Werk einer frevelhaften Hand scye. Der Schaden ist groß, das Unglück gränzenlos. Herzzerreißend war der Anblick der Unglücks chen, die Größe ihres Unglücks so recht vor Augen habend, irrten sie trostlos, verzweifelnd die Hände ringend, umher. Wer gibt uns ein Obdach?! — Wer er
nährt uns?! Wer kleidet uns?! u. s. w. Dieß waren die verzweiflungsvollen Ausgüsse ihrer jammervollen Herzen. Darum, edle Menschenfreunde, lasset Euch herbei und helfet den Unglücklichen schleunig aus der Noth! — Liebesgaben jeder Art sind willkommen, indem die armen Verunglückten durchaus nichts retten konnten, und in gegenwärtigem Zustand nicht einmal ihre Felder mit Winterfrüchten anzubauen im Stande sind. (Zur Empfangnahme jeder Licblingszabe und gewissenhafter (Überlieferung an die Verunglückten erbieten sich: Fr. Hindennach, Apothekerin Dornstetten; G. Zaiser, Buchdrucker in Nagold.)
Ernannt wurde: Revisor Lang in Stuttgart zum Kameraloerwalter iu Horb.
Erledigte Stellen: Die eines Revisors beim Steuerkollegium, das Oberamtsgerichts - Aktuariat Blaubeuren und das Amtsnotariat Ochsenhauscn, eine Gchül- fenstelle bei dem Oberamt Ehingen, die Frühmeß - Kapla- -nei zu Markt Dischingen (Geh. 545 fl 13 kr.) und die Collaboratorsstelle zu Leonberg (Geh. 450 fl.)
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Lucca, den 12. August. Heute, eine Minute vor 1 Uhr, Nachmittags, hatten wir zwei fürchterliche Erdstöße, der zweite Stoß war der stärkste. Die Glocke auf dem Hauptthurm schlug an, alle HauSschellen klingelten, eine Masse Schornsteine fielen in die Straßen, viele hohe Häuser wurden beschädigt, in einem Garten vor der Stadt fielen Bildsäulen von ihren Fußgestellen, Hausgeräthschaf- tcn wurden umgeworfcn, aber kein Unglück von Bedeutung ist zu berichten. — Auch in Lausanne in der Schweiz und in Neapel sind am 16. August heftige Erdstöße verspürt worden, so daß Hausgcräthschaften umgefalle» sind, Ziegel fielen von den Gebäuden und daS Vieh irrte scheu umher.
In Grulich in Böhmen schlug am 7. August Nachts um drei Viertel auf 12 Uhr der B li z in die Bibliothek des S e r v i t c n k l o st e r s auf dem Muttergottesberg. Augenblicklich hatte sich das Feuer über das ganze Kloster verbreitet, und die Kirche, die Thürme, selbst die Krambuden ergriffen. Was im Kloster an Geräthschaftca und Vorrätheu war, wurde vom Feuer verzehrt, in der Kirche verbrannten Altäre, Kanzel, Orgel, Kirchenstühle, Meßgewänder, auf den Thürmen schmolzen die Glocke». Die Mönche (sechs Priester und drei Laienbrüder) retteten nur ihr Leben. Um 2 Uhr nach Mitternacht schwamm alles in einem Flammenmeer, an Löschen war nicht zu denken wegen der Schwierigkeit der Wasserzufuhr aus der Stadt in eine solche Höhe. Noch am dritten Tage zehrte das Feuer an den Resten Dieses Kloster war das einzige Servitenkloster in Böhmen, die Kirche das Ziel zahlloser Wallfahrer aus Böhmen, Mähren und Schlesien.
Im Hafen zu Liverpool langten neulich in einem einzigen Tage auS Nordamerika nicht weniger als 12 Schiffe an, deren Ladungen größtcntheils aus Mehl und übrigen Lebensmitteln bestanden.
Jerusalem, den 8. Juni. Eine fruchtbare Hun- gersnoth herrscht in Folge der anhaftenden Dürre und des