Nus Stadt und Land.
Talw, den 28. September 1926. Aum Sonntag.
Lerne vom Herbst, was du aus deinen Tagen schaffen kannst, denn der Herbst ist ein Künstler, der aus dem ärmlichen Stoff, dem das Lckien entweicht, auS verdorrenden Sträu- chern, welkenden Gräsern und gelichteten Baumkronen seine festlichen Bänder knüpft. Acht« auf die blaue seidige Tapete» die er über den Himmel spannt, und steh, wie er vor diesen klaren Grund die Wälder und Hügel baut und das glanzlose Grün des Ahorns und der Buche in flammendes Rot und kupfernes Braun wandelt.
Spröder als dies welkende Laub ist auch der zäheste Ton nicht, den dir das Schicksal legt, daß du ein feines Dasein daraus formest. Steinmüller.
Mit dankbarem Gemüts hier nehm ich deine Güte, Herbsttag, du milder Gast, der du mich reich beschenktest, den Sinn ins Klare lenktest und mich zum Abend fröhlich
*
ausgerüstet hast.
Bievbflum.
Persönliches.
Am morgigen Sonntag begeht Altschultheiß Adam Frei in Aichelberg mit seiner Gemahlin gell. Brauer das Fest der goldenen Hochzeit. Dem Jubilar, der 35 Jahre lang Schultheiß der Gemeinde Aichelberg war und auch durch seine verdienstvolle Tärigkeit in der Amtsversammlung in weiteren Kreisen wohl bekannt ist, gelten unsere besten Glückwünsche.
Lalwer Bezirksverein Stuttgart.
Im großen Wulleschen Saale fand unter großer Beteiligung am IS. September unter Mitwirkung der Postmusikkapelle die Herbftfeier des Vereins statt. Die Sänger- und Theatergruppe, unter Leitung der Herren Flechtner und Haselmaier, sorgten für einen genußreichen Nachmittag. Guten Anklang fanden die schönen Kinderaufführungen, ebenso das Lustspiel. Besonders freudige Aufnahme fand das muntere Sängerquartett des Lioderkranzes Holzbronn in den Rechen der Stuttgarter Landsleute, ebenso der Verein der Schwarzwälder aus Eßlingen, welchen Vorstand Dreher den Willkommgruß des Vereins entbot. Die Holzbronner Sänger ernteten für ihre gut vorgetragenen Ehöre allgemein reichen Beifall. Ein Festball schloß die würdige Feier. D.
Schwäbische Bilderbühne.
Di« „Schwäbische Bilderbichne" zegte vorgestern Abend im „Bad. Hof" ihren zweiten klassischen Film: Die Eroberung des Mount Everest, des „Gipfels der Welt". Es ist bekannt, daß im Jahre 1924 eine dritte englische Expedition den Mount Everest zu bezwingen suchte, bis sie — 180 Meter vom Gipfel entfernt, den ungeheuer schweren Kampf aufgeben mußte. Wir begleiteten die tapferen Männer von Indien über das tibetanische Hochland zur schmutzigsten Stadt der Welt, dem 5000 Meter hoch gelegenen Phari-Dzong und weiter durch das tibetanische Hoch land bis zum gastlichen Rong-buk-Kloster. Von dort aus begann die Besteigung etappenweise. Vom letzten Camp, etwa 8000 Meter hoch gelegen, brechen zwei Teilnehmer der Expedition auf, um den Gipfel zu erreichen, von dem Fernobjektio des Kinoapparates verfolgt. Sie kommen aber erschöpft und fast schneeblind zurück, ohne die Spitze bestiegen zu haben. Die beiden jüngsten Teilnehmer versuchten es noch einmal. — Sie kehrten nie wieder. Haben sie den Gipfel erklommen und starben sie auf dem Rückweg oder brachen sie vorher zusammen? Niemand weiß es. Aber die Prophezeiung des Rong-buk-Lama ist erfüllt: vor dem Aufstieg segnete er die Expedition mit feierlichem Zeremoniell, weissagend, daß sie nie den Gipfel erreichen werde, der Geist des Berges, die „Allmutter der Welt", lasse es nicht zu. — Nach dem letzten Versuch kehrte die Expedition zurück. — Ihr Film ist ein Meisterwerk der photographischen Kunst, ein unschätzbares Kultur- und Zeitdokument und eine grandiose Tragödie menschlichen Ringens, so dramatisch wie kaum ein Spielfilm. Er hinterläßt in jedem Beschauer unvergeßliche Eindrücke. —
Wette» stk, Sonntag und Montag.
Leber Mitteleuropa liegt ein schwaches Hochdruckgebiet. Don England dringt eine DepreMon vor. Für Sonntag und Montag ist deshalb mehrfach bedecktes, jedoch in der Hauptsache noch troh kenes Wetter zu erwarten.
V
Bad Teinach, 24. Sept. Die heurige Saison, dis anfänglich wenig versprechend aussah, hat sich bei dem prächtigen Nachsommerwetter noch ganz gut gemacht. Im ganzen wellten über 2000 Kurgäste hier. Kur- und Gemeindeverwaltung geben sich auch alle Mühe, dem Bad sein altes Ansehen wieder zu geben und den Gästen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Neben einem Lesezimmer, Lunten Abenden und sonstigen Veranstaltungen sorgten fast tägliche Konzert« für reiche Unterhaltung. Das Jakobifest wurde mit Rücksicht auf den Schäferlaus in Wildberg, der nun statt im September auch wieder Ende Juli, und zwar in den geraden Jahren, abgehalten werden soll, auf nächstes Jahr verschoben und soll dann im Wechsel mit dem Schäferlauf immer in den ungeraden Jahren abgehalten werden. Für Wege und Anlagen war ein ständiger Wegwart bestellt. Ein neubeschafster Gießwagen verhinderte die so lästige Staubentwicklung. Um den Verkehr zwischen Station und Bad Teinach rasch und glatt zu bewältigen, entschloß sich der Gemeinderat klugerweise zur Anschaffung eines Verkohrsautos, das sich, wie erwartet, rasch bezahlt machte. Im Orte selbst wurde die Ortsstraße verbreitert und am neuerstellten Postgebäude vorbei ein weiteres Sträßchen ausgebaut. Auch die Kirche wurde innen und außen renoviert.
Neuweiler, 24. Sept. Im Garten des Landwirts Fritz Burkhardt ist ein im schönsten Blülenschmuck stehender Apfelbaum zu sehen.
Deckenpfronn, 24. Sept. Gestern nachmittag stürzte die 20 Jahre alte Gottliebin Wolf so unglücklich vom Fahrrad, daß sie sich einen komplizierten Beinbruch zuzog. Sie mußt« am folgenden Tag in die Klinik nach Tübingen verbracht werben.
Altensteig, 24. Sept. In den letzten Tagen durchschritt auf hohen Stelzen ein Ausrufer des Wandertheaters Mende unter großem Jubel der Schuljugend unsere Straßen. Seine Geschicklichkeit erlaubte ihm, die steile gepflasterte „alte Steige" mit Leichtigkeit auf und ab zu gehen. Gestern jedoch glitt er an einer abschüssigen Stelle auf dem Pflaster der Gartenstraße aus und fiel, ehe es einer der zahlreichen Zuschauer verhindern konnte, so schwer auf ein« Vetonmauer, daß er schwerverletzt vom Platze geführt werden mußte.
Sport.
Vorschau für Fußball
Nachdem schon seit einigen Wochen fast überall die Meister- schafts-(Verbaiids-)Spiele im Fußllallsport begonnen haben, fetzen nun auch am Sonntag im Enz-Pfinzgau, wohin Calw gehört, diese Verbandssptele ein. Das 1. Spiel für Calw findet auf fremdem Platz, gegen den F. C. „Phönix" in Würm- Pforzheim statt. Man wird nicht nur in Calw, sondern sogar im ganzen Gau auf das Abschneiden Calws gespannt sein, da Calw zum 1. mal in der A-Klasse spielt, welche eine der spielstärksten in ganz Württemberg und Baden ist. Die 2. Mannschaft macht ebenfalls ihr 1. Verbandsspiel dort. Die 1- Elf spielte vor 8 Tagen gegen Wildbad 2:2, sie muß sich anstrengen, wenn die ersten Punkte mit nach Hause genommen werden sollen. Ein Auto führt die 2- Mannschaften und etwaige Begleiter an den Platz. Die übrigen Mannschaften sind spielfrei.
Fußballsport in Altburg.
Am verletzten Sonntag konnten die Mannschaften Altburgs zwei Siege rerzeichnen. Die 1. Mannschaft spielte gegen die „Alten Herren" des Ballspielklubs Pforzheim und gewann 1:4, die 2. Mannschaft blieb mit 2:3 glücklicher Sieger über Liebenzells zweite Mannschaft. —
In Althengstett trat am letzten Sonntag Altburg an und blieb mit 0:1 Sieger. Es war ein harter Kampf, bei dem leider der Schiedsrichter nicht über den Parteien stand, aber dabei beide benachteiligt«. Der Ausgang war jeden Moment offen, noch bis zum Schluß stand der Sieg nicht fest. Auf der einen Seite stand ein guter Torwart, auf der anderen eine gute Ver
teidigung: die Stürmerleistungen waren auf beiden Seilen nicht gut, es fehlt« am Schuß aufs Tor. Beiderseits wurden ein« Menge Sachen verpatzt. Daran trägt nicht zuletzt der unebene Platz schuld, auf ihm wird Althengstett selbst ni« zu einem flachen Kombinationsspiel kommen, sondern wird immer ein hohes, weniger schönes Spiel vorführen. Der Gegner auf solch einem Platz wiü» nur sehr schwer gewinnen können. Den Verein trifft jedoch keine Schuld, er hat getan was er tun konnte, und es sei auch hier festgestellt, daß der Ort Althengstett durch seine Fußballspieler nicht schlecht vertreten wird. —
Stamncheim spielte am letzten Sonntag in Altensteig. konnte aber nur ein mageres 1:1 nach Hause bringen, was allgemein verwunderte. Rach einem 3:0 Sieg über Althengstett hat es lnl 2 Spielen 3 Punkte.
Besser steht VfB. Effringen mit 2 Spielen 4 Punkten, schlech- ter Altensteig mit 1 Punkt aus 2 Spielen: keine Punkte haben Althengstett und Nagold. Altburg steht mit 3 Spielen 8 Punkten noch an der Spitze. Der kommende Sonntag bringt die ersten Vorentscheidungen in den Verbandsspielen. Diese Spiele werden zeigen, die Vermutungen, aus den jetzigen Ergebnissen resultierend, richtig sind, obwohl auch dann noch Schwankungen Vorkommen können.
Dentpsey geschlagen.
Auf dem Gelände der Weltausstellung in Philadelphia fand am Donnerstag der mit größter Spannung erwartete Entscheidungskampf um die Weltmeisterschaft im Boxen statt. Der Kampf endete mit einem großen Ileberraschungssieg des Marinesoldaten Gen« Tunney, der den Titelverteidiger Dempsey einwandfrei in überlegener Weise nach Punkten schlug.
Aus Geld-.
Volks» und Landwirtschaft.
Berliner Briefkurse.
100 holl. Gulden 168,45
100 franz. Franken 11,67
100 schweiz. Franken 81,25
Börsenbericht.»
Die Börse lag am Freitag lustlos, jedoch behaupteten sich die Kurse.
Großmärkte.
Stuttgart: Kartoffelgroßmarkt auf dem Leonhardsplatz: Zufuhr 1000 Zentner, Preis 4.20—4.50 -4t für 1 Ztr. — Mostobstmarkt auf dem Wilhelmsplatz: Zufuhr 2000 Ztr., Preis 6.59 bis 6.80 <K für 1 Zentner.
Biehpreise.
Viberach: Kalbinnen 450—480, gute Kühe 429—500, Zugochsen 580—600, Jungrinder 220—350 .4k. — Ehingen: Farren 500—800, Kühe 280—320, Kalbeln 540-650, Jungvieh 180 bis 330 ^t. — Köngen OA. Eßlingen: Kühe 350—550, Stier« 400 bis 600, Jungvieh 150—350 .4t. — Schwendi bei Laupheim: Kühe 425—520, Jungrinder 150—290, Kälber 80 ^t. — Wangen i. A.: Jungstierle 270—280, größere bis 400, Kalbeln 500 bi» 700, Rindle 250—300, trächtige Kühe 500—600, ältere trächtige Kühe 400—450
Schweinepreise.
Biberach: Läufer 45—70, Milchschweine 20—33 ^4t. — Ehingen: Ferkel 30—35, Läufer 40—50, Muttersihwcine 180—200 -4t. — Bühlcrtann: Milchschweine 25—37 .4k. — Dörzbach a. d. I.: Milchschweine 35—40 ^k. — Köngen: Milchschweine 30—37, Läufer 85 -4k. — Niederstetten: Saugschweine 25—37 ^k. — Spai- chingen: Milchschweine 26—40 .4k. — Trvfsingen: Milchschweine 20—25 ^k. — Wangen i. A.: Ferkel 30—35 ^k das Stück.
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Fünftes Kapitel.
Drei Jahre sind vergangen. Wunderbar warm scheint die Sommersonne über den Bergen, der Wald teht in prangender Schöne, und alle Bauden sind über- üllt von fröhlichen Wanderern. Vom Urlasgrunde challt ihr Gesang und die Melodien der Mandolinen ind Gitarren herauf, droben auf der Schwarzschlag- »aude kann sich der Zitherspieler nicht genug tun, zum stanz aufzuspielen, und überall auf den Matten und Sergwiesen ertönt das Geläut der Herdenglocken.
Auch die Oberförsterei Käter-Baude hat ein neues, verjüngtes Gewand angelegt. Zwar der Efeu, der nun wieder an den frischgetünchten Wänden emporkriecht, ist noch nicht viel über den Sockel heraufgewachsen, aber er zeigt den besten Willen und er muß sich dazuhalten, sonst überflügelt ihn der neu angepflanzte wilde Wein und die Lonizeren, die ihre roten Vlütendolden in seine tunken flechten. Auch der Wald ist noch nicht wieder "'wachsen, und nur kleine, halbmetrige Schonungs- i's.'cwzchen erheben ihre Köpfchen, aber um das Forst- ! aos ist ein Garten erstanden. Vor der Tür hat sich üi"- Hof in einen hübschen grünen Rasenplatz verwandelt, auf dem hochstämmige Rosen stehen, große grüne Fuoderbüi'cke decken die häßlichen Stallwände und ver
bergen den unentbehrlichen Misthaufen, und hinter der Försterei ist 'ein lieber, lauschiger grünes Winkel entstanden mit Obstbäumen und einer Jasminlaube, an der der Wildbach vorüberrauscht.
Lene Wendtland, die eben im Garten steht und die reifen Früchte von den Johannisbeersträuchern sammelt, hat ihre drei Jahre benutzt. Das Försterhaus hat sich auch in seinem Innern verjüngt. Die Stuben sind sauber, und die Möbel glänzen, die Hellen Gardinen geben den niederen Räumen etwas Freundliches, und ihr kleines Stübchen, das mit den Möbeln aus dem Elternhaus eine trauliche Erinnerung bildet, ist stets mit frischen Blumen geschmückt. Aber auch sie selbst ist eine andere geworden. Ihre schmale, magere Gestalt hat sich gerundet, ihre blassen Wangen sind gesund und gebräunt, und ihr Gang ist sicher und aufrecht.
Und doch paßte ihr Gesicht nicht recht zu den blühenden Rosen und lachenden Auen. Ihr Auge blickte ruhig
und-vielleicht zufrieden, aber das Glück, das in
diesem freundlichen Winkel zu wohnen schien, war ihr fremd. Es waren keine leichten Jahre gewesen. In den ersten Wochen hatte Lene oft geglaubt, verzweifeln zu müssen. Der Oberförster war wenig daheim. Der Dienst nahm ihn viel in Anspruch, und im übrigen hatte er nach dem Tode seiner Frau wieder Junggesellengewohnheiten angenommen. Der Abendschoppen drunten in Groß-Aupa, der mit Rücksicht auf die kurzen Tage oft schon nachmittags begann, war ihm lieber als sein Zuhause. War der Dienst erledigt, dann fuhr er eben fort-bald nach Groß-Aupa, bald nach Frei
heit, und nun Lene im Hause war, wollte er es ebenso machen. Das heißt, wie am zweiten Nachmittag die
Stunde kam, nahm er ganz unwillkürlich Hut und Stock! ins Reine zu kommen, und rief nack dem Waaen. " '
„Wieder in den Dienst?"
„Nein, zum Stammtisch in Groß-Aupa."
„Zum Stammtisch?"
Erst ihr gekränkter Ausdruck brachte ihm zum Bewußtsein, daß er nun wieder ein Heim hatte und eine Frau.
„Ach so! Hast ja recht. Soll ich hierbleiben? Das hatte ich ganz vergessen. Es ist nur, wenn man sich gewöhnt -^
„Nein, bitte-geh', laß dich nicht auchalten —
— ich habe ja sowieso keine Zeit."
Er sah sie einen Augenblick zweifelnd an, aber sie konnte schon wieder lächeln.
„Laß den Johann nicht warten! Diel Vergnügen!"
Er ging langsam und kopfschüttelnd-aber er
ging. Lene war wieder nahe daran zu weinen, dann aber wurde sie ruhig. Es war ja sogar ganz gut. Was sollten sie miteinander? Sich unterhalten? Wovon? Er war ihr ja so fremd!
Sie war bitter geworden, dann aber ging sie durch die Zimmer und wurde ruhiger. Konnte sie es ihm eigentlich übelnehmen?
Heimlich trat sie in das Zimmer der Toten. Da sah es zwar auch staubig und modrig aus, aber sie erkannte an all den zierlichen Sächelchen, daß sie es wohl verstanden haben mußte, ein Heim zu bereiten.
Und nun? Konnte er sich in der Verwahrlosung wohl fühlen? Sie benutzte den einsamen Abend, denn auch Erich war in Groß-Aupa, wo er mit dem Pfarrerssohn bei dessen Vater Unterricht hatte, und sollte erst mit dem Wagen, der den Oberförster an seinen Stammtisch beförderte, zurückkehren, dazu, mit sich selbst