Hnlsrkcütruis
-GynUu/ngen fiü/ den MerubenL
Oivlituiigs und I-sksa
H^perions Schicksalslied
Von Brisckrtek USIckerüu Zu seinem 100. Todestag am 7. Juni 194S
Ihr wandelt droben im Licht Huf weichem Soden, selige Genien! Glänzende Göttrrlüste Rühren euch leicht,
Me die Finger der Künstlerin Heilige Saiten.
. Schicksallos, wie der schlafende Säugling, atmen Sie Himmlischen- Keusch bewahrt In bescheidener Knospe Blühet ewig Ihnen der Geist.
Und öle seligen Hugen Blicken in stiller Ewiger Klarheit.
Doch uns ist gegeben,
Huf keiner Stätte zu ruh'n,
Es schwinden, es fallen
Die leidenden Menschen
Blindlings von einer Stunde zur andern,
wie Wasser von Klipp,
Zu Mppe geworfen,
Aahrlang ln« Ungewisse hinab.
Zwischen Himmel unö Cröe
Von Otto 1-uckvig
Bon Glück und Unglück reden die Menschen, dal der Himmel ihnen bringe. Was die Menschen Glüö und Unglück nennen, ist nur der rohe Stoff dazu Am Menschen liegt's, wozu er ihn formt. Nich! der Himmel bringt das Glück: Der Mensch bereite! sich sein Glück und spannt seinen Himmel selbe, in der eigenen Brust. Der Mensch soll nicht sorgen daß er In den Himmel, in ihn komme. Wer ihn nicht in sich selber trägt, der sucht- ihn vergebens im ganzen All. Latz dich vom Verstände leiten. Aer verletze nicht die heilige Schranke des Ge- fiihlsl Kehre dich nicht tadelnd von der Welt, wie sie ist,- suche ihr gerecht zu werden, dann wirst du ihr gerechtl Und in diesem Sinne sei dein Wandel: Zwischen Himmel und Erde!
Oie Kaffeemühle
Von Ou8ta.v 1>e Uteri kr
Als Ende August 1813 die Schlacht um Dresden dröhnte und die Heere der Verbündeten den sich zäh verteidigenden Napoleon angriffen, saß in seiner Schuhmacherwerkstatt nahe der Bürgerwiese mein Urgroßvater und schlug die Stiefel über die Leisten wie in Friedenstagen. Den heiteren Mann konnte so leicht nichts aus der Fassung bringen. Nur Johanna. sein Weib, lief des öfteren zum Fenster und rief: O. Gottfried, es geht nicht gut! Steh nur wie die Franzosen rennen. Und wie's klirrt und spektakelt!"
Mein Urgroßvater ließ den Hammer auf die Kernsohle niedersausen, pfiff vergnügt und erwiderte: „Hoffentlich geben sie dem Lamberöhr (I Lmpereur--der Kaiser) ordentlich eins aufs Leder I"
Nun hatten aber zu dieser Stunde die Verbündeten vier schwere Zwölf-Pfund-Batterien auf den Räcknitzer Höhen in Stellung gebracht zum Schutz der vorrückenden Division Lichtenstein. Die schoflen mit ihren Zwölfpfündern in die Altstadt herein, um dem Napoleon einzuheizen. Der Zufall wollte es, daß eines der Geschosse mitten in die Werkstatt meines Urgroßvaters fiel. Es gab einen Höllen-
spektakel. Die Schusterkugel zersprang. Glas und Holz splitterten. Geschirr und Handwerkszeug flogen durch die Stube.
Johanna schrie auf: „Mann, rette dicht" Während mein Urgroßvater verdrossen seinen Lederschurz abband, warf meine Ahne in völliger Verwirrung eine Pelerine um die Schultern, ergriff den ersten besten Gegenstand, den sie zu fasten bekam und stürmte damit aus die Straße. — Aus
Oie Schmachschi
Als bekanntlich eine Pasquille oder Schmach- schrift auf den König Friedrich in Berlin an einem öffentlichen Platz angeheftet wurde, und sein Kammerdiener ihm davon die Anzeige machte: „Ihre Majestät", sagte der Kammerdiener, „es ist Ihnen heute nacht eine Ehre widerfahren, das und das. Alles Hab ich nicht lesen können, denn die Schrift hängt zu hoch. Aber was ich gelesen habe, ist nichts Gutes." Da sagte der König: „Ich befehle, daß man die Schrift tiefer hinabhänge und
eine Schildwache dazustelle, aus daß jedermann lesen kann, was es für ungezogene Leute gibt." Nachderhand geschah nichts mehr.
Nicht ebenso dachte der Amtsschreiber von Braselheim. Denn Braselheim ist ein Amtsstädtchen. Als ihm eines Morgens eine Pasquille ins Haus gebracht wurde, die jemand mit Teig in der Nacht an die Haustür geklebt hatte, wurde er ganz erbost und ungebärdig, fluchte wie ein Türk im Haus herum und schlug der unschuldigen Katze ein Bein entzwei, daß die Frau Amtsschreiberin ganz entrüstet wurde und fragte: „Bist du verrückt oder was fehlt dir?" Der Amtsschreiber sagte: „Da, lies! Du hast deinen Teil auch darin." Als das die losen Vögel erfuhren, welche die Schandschrift angeklebt hatten, daß der Herr Amtsschreiber im Harnisch war, hatten sie große Freude daran und sagten: „Heut' nacht tun wir's wieder " Den zweiten Morgen, als ihm die neue Schandschrist gebracht wurde und ein Rezept für lahmgeschlagene Katzen darin, ward er noch viel wütender »nd warf Tische und Stühle zusammen, ja, er schrieb mit eigener Hand einen zornigen Bericht darüber an den regierenden Grafen, obgleich er niemand nennen konnte, und als er ihn geschrieben hatte und den Sand darauf streuen wollte, ergriff er in der Rasche statt der Sandbüchse das Tintenfaß und goß die Tinte über den Bericht und über die weiß- tünchenen Amtshosen.
Am Abend aber sagte er zu seinem Bedienten: „Hansschffel". sagte er, „vigiliere heut' nacht ums Haus herum, bis der Hahn kräht, und wenn du den Kujonen attrappierst, so bekommst du einen
dem Altmarkt, im Schuhe der Kreuzkirche, sahen sie dann, heiter erstaunt, daß meine Ahne in ihrem Schrecken und ihrer Hast die — Kaffeemühle in der Rechten hielt.
Sie sei eben eine echte Sächsin gewesen, pflegte mein Großvater schmunzelnd zu jagen, wenn er diese Anekdote von unserer Ahne erzählte, denn sie habe in der Stunde der Gefahr das Allerheiligste — die Kajseemühle an sich gerissen.
Von ter klebsl
großen Taler Fanggeld Ich will sehen", sagte er, „ob ich mir soll aus der Nase herumtanzen lasten."
Etwas nach II Uhr kam der Stosfel von seinem Posten herauf und der Herr Amtsschreiber war auch noch aus, auf daß, wenn der Stoffel den Pasquillenmacher brächte, daß er ihn gleich auf frischer Tat erstechen könnte. „Herr Amtsschreiber", sagte der Stofsel, „ich will nur melden, daß heut nacht nichts passiert ist. wenn Sie'mir erlauben, jetzt ins Belt zu gehen. Alle Lichter im Städtlein sind ausgclöscht, die Wirtshäuser sind leer, die zwei Letzten sind nach Haus gegangen und des Wagner- Mattheisen Hahn hat zweimal hintereinander gekräht, es wird wohl morgen auch wieder einmal regnen." Da fuhr ihn der Amtsschreiber wie ein betrunkener Heide an: „Dummes Vieh, aus der Stelle begib dich auf deinen Posten, bis der Tag ausgeht oder ich schlage dir das Gehirn im Leibe entzwei!" sagte er im unvernünftigen Zorn. Der geneigte Leser denkt: Was gilt's, während der Stofsel bei dem Amtsschreiber war, ist die dritte Pasquille auch angepappt worden, und wenn er herabkommt, findet er sie jetzt. Nichts weniger. Sondern als der Stoffel im Fortgehen bereits an der Stubentür war und der Amtsschreiber ihm noch einmal nachsah. „Hansstoffel!" rief er ihm, „komm doch noch ein wenig da her!" — Der Stoffel kam, „dreh dich um! Was hast du auf dem Rücken?" — „Will's Gott, keinen Galgen", sagte der Stosfel. „Nein, -vermalmedeiter Dummkops, aber wahrscheinlich ein Pasquill." — Wie gesagt, so erraten. Der Stofsel trug das dritte Pasquill bereits auf den Rücken geklebt, und standen darin noch viel mutwilligere Sachen als in dem ersten und zweiten, und unter anderem ein Rezept für Tintenflecke aus den Amtshosen zu bringen. Dies war so zugegangen. Als der Stoffel noch vor dem Haus gesessen war. kamen zwei lose Gesellen heran und einer von ihnen hatte schon das dritte Pasquill auf der flachen Hand liegen, also daß die beschriebene Seite des Papiers gegen die Hand hineinlag, die äußere Seite aber war mit Teig bestrichen, daß er im Vorbeigehen die Schrift nur an die Tür hätte drücken dürfen. Als sie aber den Bedienten des Amtsschreibers vor der Tür sitzen sahen, und alle Leute kannten den Stoffel: „Ei Uten Abend", sagte der eine, „was schasst er Gut's ier, Herr Stoffel? Was gilt's, er kann nicht hinein." Da erzählte er ihnen, warum er da sitzen müsse und bis wann, und wie ihm bereits die Zeit so lang sei und es komme doch niemand. „Ei", sagte der eine, „die Lichter im' Städtlein sind ausgelöscht und die Wirtshäuser sind leer, und wir zwei sind die letzten, die hcimgehen. Also gehe Er in Gottes Namen ins Bett." Der andere aber, der das Papier in der flachen Hand hatte, schlug ihm im Vorheigehen sanft und freundlich die Hand aus den Rücken, daß das Papier am Rock hängen blieb und sagte: „Gute Nacht, Herr Hansstoffel, schlaf Er wohl!" — „Ebenfalls", sagte der Stoffel, und als sie um das Eck herum waren, krähte einer von ihnen zweimal wie ein Hahn. Also brachte der Stoffel dem Amtsschreiber die Pasquille selher auf dem Rücken in die Stube, und der Herr Amtsschreiber prügelte zwar den Stoffel im Zimmer heruin und schlug bei dem Ausholen ein paar Spiegel entzwei, aber den Schimps und Schaden und Zorn mußte er an sich selber hohen und brachte nichts heraus. Denn die zwei Spaßvögel sagten: „Der klügste gibt nach. Jetzt wollen wir's aufgeben, ehe es zu bösen Häusern kommt." Und jedermann, der davon erfuhr, lachte den Amtsschreiöer aus.
Briese mit Bücklingsöuft
Von dlüllerkückersckork
Immer wieder juchte Spionenlist herauszubekommen, was der preußische Gesandte am Deutschen Bund in Frankfurt a Main, Otto von Bismarck, dienstlich nach Berlin berichtete. Wiederholt gingen von Bismarck ausgegebene Depeschen und Briese verloren. Auch konnte man seststellen, daß manche- Schreiben, das sich als Bismarcksendung verriet, unterwegs geössnet und zur-Kenntnis genommen war.
Bis der ^unge, - findige Gesandte schließlich ein sicheres, wenn auch spaßiges Mittel gegen die Postspione gefunden hatte.
Jedesmal, wenn Bismarck fortan einen geheimen Brief an die Preußische Regierung senden mußte, ging er damit in eine Vorstadtgafle, besorgte sich in diesem oder in jenem Laden einen einfachen Briefumschlag, ließ sich dort die mit seiner Berliner Dienststelle vereinbarte Deckadresse gegen eine kleine Entschädigung gleich draufschreiben, kaufte dann noch ein paar Bücklinge und steckte diese sowie den betreffenden Brief zusammen in die Tasche.
Wenn dann Letzterer den Duft der Räucherware angenommen hatte, übergab er ihn unbesorgt der Post.
Niemand ahnte, daß es sich hier um ein wichtiges amtliches Schreiben Bismarcks handelte.
Oer Kapellmeister Poll
Von luslinus lkeroei-
Ein italienischer Musiker aus der Kapelle de- Herzogs Karl, namens Poli, hatte seine Wohnung i» den Arkaden des Marktplatzes in Ludwigsburg. Er verstand die deutsche Sprache nur wenig und stellte sich Fremden gegenüber mit den Worten vor: „Jk bin die große Poli. Kapellmeister vom 'Herzog Karle." Ich sah ihn ost in einem roten Nock, mit einem Haarbeutel, kleinem dreieckigen Hütchen, einen Hängekorb am Arme, aus den Gemüsemarkt gehen, und in seinem gebrochenen Deutsch mit den Hökerweibern um Kraut handeln. Er hatte eine durchaus nicht schöne Frau, auch aus der Musikschule des Herzogs. Aus Eifersucht halte er sie immer ins Zimmer verschlossen, und sie kam nur selten ins Freie.
Dieser Italiener wurde einmal von Kolikschmerzen gequält, in welchen er immer ausries: „Lo Speziale! Lo Speziale!" — Die deutsche Magd, die nichts anders glaubte, als ihr Herr begehre noch vor dem Tode den Geistlichen, den Spezial, hatte nichts Schnelleres zu tun, als zu dem Spezial Zil- ling zu springen und ihm zu sagen, ihr sterbender Herr rufe immerdar nach ihm, sie bitte um Gottes willen, eilig zu kommen. Zilling war schnell bereit; denn er glaubte, der Italiener habe einen lutherischen Geistlichen nur darum begehrt, um sich vor seinem Tode noch in den Schoß dieser Kirche zu begeben. Aber wie erstaunte er, als ihm, vor seinem Bette angekommen, der Italiener einen gewissen Teil des Körpers zum Klistieren.. hin- ftreckte, von Gebet und Bekehrung aber nichts wissen wollte Die Irrung kam daher, daß im Italienischen l» Spezial „der Apotheker" heißt, und daß in Italien die Apotheker das Geschäft des Kli- sticrcns. wie.bei uns die Chirurgen, über sich nehmen Es ist dies eine Anekdote, die auch sonst oft erzählt wird, die aber die hier genannten Personen wirklich betraf und ihren Ursprung einzig in Ludwigsburg hat.
Oer abgelehme Heiratsantrag
Eine Dame, die mit Recht nicht tm besten Ruf stand, gewann einen Prozeß und ging zu ihrem noch nicht verheirateten Rechtsanwalt, ihm ihren Dank abzustatten. Sie tat dies aus die verbindlichste Weise und schloß mit den Worten: „Da ich aus keine andere Art Sie würdig genug belohnen kann, so biete ich Ihnen mein Herz an." Rasch erwiderte der junge Advokat: „Verzeihen Sie, die Sporteln gehören in der Regel meinem Schreiber", worauf die junge Dame sich beschämt entfernte.
Das tägliche Brot
Der Wind strich unablässig über die karge karelische Landschaft und schleuderte den beiden Sol- baten, die sich keuchend durch den metertiesen Schnee vorarbeiteten, ganze Hände voll Eisnadeln ins Gesicht. Man mußte höllisch aufpassen, um nicht die Richtung zu verlieren; die Grauerlenbüsche hockten wie Kobolde lm Dämmern, und ein gefrorener Tümpel glich dem andern. Plötzlich brach der ältere der beiden Männer ties in eine hohl gelagerte Schneewächte ein. Als er sich mühsam wieder herausgearbeitet hatte, konnte er einen Schmerzens- laut nicht unterdrücken; er mußte sich den Knöchel verstaucht haben. Nach wenigen Schritten schon mußte der Verletzte einsehen, daß er unmöglich aus eigener Kraft in dem unwegsamen Gelände weiter- kommcn konnte.
„Ich laß dich aus keinen Fall allein hier zurück!" sagte der junge Soldat, dessen Herz an dem Aelteren hing. Mnn auch seit Tagen kein Gegner mehr in diesem Wald zu spüren war, so war doch schon die unbarmherzige Kälte allein Feind genug, um ein Leben zu gefährden. Aber der andere wies chn energisch zurecht: „Du mußt unter allen Umstanden zurückkommen, hörst du? Für mich wird sich schon ein Ausweg finden."
„Aber du wirst erfrieren!"
„Nun - wenn schon! Hängt nicht unser aller Leben an einem Fädchen? Die Kameraden war- trn — los, scher dich zum Teufel!"
Das klang rauh und munter. Aber dem Verletzten war, nachdem ihn sein junger Kamerad gehorsam verlassen hatte, gar nicht leicht zumute. Er wußte vvshl, was es bedeutete, bei diesem Wetter und in ßücher Einsamkeit dem Zufall preisgegeben zu sein.
-Zuerst versuchte er, auf sein Gewehr gestützt, langsam weiterzuhumpeln. Schließlich mußte er einen windgeschützten Platz zum Rasten suchen. ^Ach darf nicht einschlafenl" dachte er. „Nur nicht einschlafen!" Aber die Versuchung war für den übermüdeten Körper zu groß, und während er noch gegen die Müdigkeit ankämpfte, fielen ihm schon Die Augen zu.
Als er erwachte, fand er sich zwar nicht eben weich, doch wunderbar warm gebettet auf einer Bank liegend. Auf der Herdstelle brannte ein tüchtiges Feuer. Vor seinem Lager aber stand ein blonder, stämmiger Mann, die etwas schräg gestellten Augen aufmerksam aus ihn gerichtet, und abseits hantierte ein zierliches, dunkellockiges Mädchen am Webstuhl. Der Mann sagte ein paar Worte zu dem Mädchen, das wohl seine Tochter war. Es waren finnische Worte. Da wußte der Soldat, daß er gerettet und bei guten Leuten geborgen mar. Eine unsägliche Lebensfreude erfüllte ihn; er schloß noch einmal die Augen im Wohlgefühl seines Daseins. Als er die Felloecke zurückschob trat Aino, die junge Tochter zu ihm und reichte ihm einen Trunk und dazu eines der runden Fladenbrote, die, an eine Schnur gereiht, unter der Stubendccke aufgehängt waren. Der Soldat brach das Brot in mundgerechte Stücke. Es war hart und rauh und sehr verschieden von dem seiner Heimat. Aino entschuldigte sich ein wenig verlegen, daß sie ihm nichts Besseres reichen konnte. Aber die Ernte war schlecht geraten im vergangenen Jahr. Da hatten sie die spärlichen Mehlreste mit gemahlener Baumrinde strecken müssen. Es war nichts Ungewöhnliches in einem Gebiet, wo die Nachtfröste bis tief in den Sommer hinein währten. Der Soldat aber starrte Aino, die jungfräuliche Tochter dieses herben Landes, ganz benommen an. Baumrinde!
Wie der Blitz das Dunkel einer Landschaft erhellt, so zerreißt zuweilen der Klang eines Wortes den dichten Schleier, den die Zeit über alte Begebenheiten gebreitet hat. Brot aps Baumrinde!
Zur selben Stunde noch schrieb der Soldat einen Brief nach der- Heimat. Dieser Brief war an seinen alten Lehrer gerichtet und lautete:
„Sehr geehrter Herr Petersen! Gewiß erinnern Sie sich auch nach 20 langen Jahren noch meines Namens. Vielleicht taucht sogar beim Klang dieses Namens das Gesicht eines Schülers vor Ihnen auf, der mehr dem wilden Spiel zugeneigt war, «ls den ernsten Wissenschaften. Daß er dennoch später im Leben nicht schlechter vorangekommrn ist als der und jener, verdankt er zum guten Teil seinem alten Lehrer! Wenn ich Ihnen aber heute aus dem
wundersamen Land der Schären einen Brief sende, so ist es nicht etwa deshalb, um einen verspäteten Dank abzustatten, sondern es zwingt mich dazu etwas, das ich erlebt habe und das mich wahrhaft erschüttert hat.
Vor zwei Jahrzehnten — es mag just um dieselbe Jahreszeit gewesen sein — trieben wir Halbwüchsigen wieder einmal unser wildes Wesen. In der Hitze des Spiels hatte ich dabei mein Brot, eine große, nur eben angeknabberte Schnitte hausbackenen Roggenbrotes achtlos in den Schnee fallen lasten. Sie hatten es vom Fenster aus beobachtet. Und als ich dieselbe Bahn zurückrannte, standen Sie plötzlich an meinem Weg, die sonst freundlichen Augen dunkel vor Zorn, die Hand wie zum Schlag erhoben. Sie schlugen nicht zu. Auch Ihre Worte waren ohne Heftigkeit. Aber Ihre Stimme bebte vor Schmerz und Entrüstung, als Sie zu mir sprachen: „Schande über dich! Du bist das tägliche Brot nicht wert, das der Herrgott dir austischt! Du sollst noch einmal Brot aus Baumrinde essen!"
Ich war betroffen, 'aber nicht erschrocken. Wie? Brot aus Baumrinde? Das gab es doch gar nicht wirklich, man las höchstens einmal solche Sachen in verstaubten Mirakelbüchern!
Mit dem heutigen Tage habe ich den tiefen Ernst Ihrer Worte von damals ganz begriffen. Der Tod hatte schon seine Faust ausgestreckt nach mir und nur ein glücklicher Zufall riß mich ins Leben zurück. Und das erste, was meine Retter mir zur Nahrung boten, war ein Brot aus — Baumrinde! So haben Ihre Worte sich erfüllt und späte Frucht getragen. Denn — das dürfen Sie mir getrost glauben — ein solcher Tag prägt sich unauslöschlich ein, und Lehren, die man solcherart empfängt, nicht minder!" Lriecki kckarzgrnl
Schönes deutsches Wort
General Gustav von Manstein, der sich als Kommandeur einer Division 1864 beim Sturm auf die Düppeler Schanzen und beim Uebergang nach Alsen auszeichnete, der während des Feldzuges von 1866 mit der Reserve der Ersten Preußischen Armee zu Ende der Schlacht von Königgräh entscheidend ein- ariss und im Kriege von 1870/71 als Kommandie
render General das 9. Armeekorps vor allem bet Gravelotte hervorragend führte, war ein fanatischer Gegner der Fremdwörterei. Eine reine und gute deutsche Aussprache war auch eine von ihm an dir Soldaten gestellte Bedingung.
Einstmals fragte er bei der Besichtigung neu eingetretener Vaterlandsverteidiger einen Rekruten:. „Welchen Berus übten Sie bisher aus?"
„Haarzubereiter war ich. Herr Generali" antwortete der junge Soldat.
Wohlgefällig nickend, wandte sich Manstein an die Offiziere seines Stabes: „Haben Sie gehört, meine Herren? Nicht als ,Friseur' bezeichnet sich dieser schlichte Mann, sondern als .Haarzubereiter'! Klingt das nicht schöner als das dafür leider meist gebrauchte Fremdwort?"
Darauf drehte er sich nochmals zu dem Rekruten herum, klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und forschte: „Und wo übten Sie bisher Ihren Beruf aus?"
Der Rekrut: „In einer Pinselfabrik, Herr General!" dlülier-Ilüäersckork
Etwas von üer Haushaltung
Ein Mann saß in seiner Schreibstube und arbeitete, als einer von seinen Nachbarn zu ihm gelaufen kam und sagte, daß Feuer in seinem Hinterhause sein müßte; denn es rauche gewaltig. „Oh, Sie sind doch so gut und sagen es meiner Frau", antwortete der Mann, „denn ich bekümmere mich, nicht um die Haushaltung." ->
Großvater steigt die drei Treppen zum Büro seines Enkels hinaus, klingelt und fragt dann höflich, ob er wohl mal kurze Zeit seinen Enkelsohn, den Bernhard Kunze, sprechen könne, er sei hier al» Lehrling angestellt!
„Da kommen Sie leider zu spät!" meint der Chef, „der Kunze hat sich nämlich vor einer Stund« freigeben lassen, weil er zu Ihrem Begräbnis fahren wollte I"
Herausgegeben im Aufträge ber NS.-Preffe Württemberg von HanS Revbtna, Ulm «. D. >