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verantwortl. Schriftleitung: Friedrich Hans Scheele Druck unä Derlag äer A. Oelschläger'schen Buchäruckerei.
Montag, den 20. September 1926-
101. Jahrgang
Die Zusammenkunft von Thoiry.
Weitere zurückhaltende Erklärungen.
Erklärungen Stresemanns, Briands und Zastslis.
'LU London, 20. Sept. Di« Sonntagblätter veröffentlichen Interviews mit Stresemann, Briand und Zaleski, in denen sich die drei Staatsmänner in allerdings ziemlich allgemein gehaltenen Wendungen über die Besprechungen in Genf äußern.
Stresemann hat ein formelles Interview abgclehnt und auf das nach seiner Unterredung mit Briand veröffentlichte Kommunique Hingewielen. Es sei kein Geheimnis, so führte er aus, daß der Hauptwunscht Deutschlands in der Beendigung der strebenden militärischen Angelegenheit liege. Technisch bedeute Las die Liquidierung der Forderungen "bezüglich der deutschen Abrüstung, moralisch das Ende der Besetzung deutschen Gebietes. Die militärische Besetzung sei immer dem sie ausübenden Lande schädlich gewesen. Deutschland habe das im Kriege in Belgien erfahren, Frankreich nunmehr am Rhein. Stresemann betonte dann dis Notwendigkeit der Zusammenarbeit und fügte hinzu, die von englischen Zeitungen geäußerte Ansicht, daß diese kontinentale Zusammenarbeit sich möglicherweise gegen Großbritannien richten könne, habe in Deutschland nicht weniger überrascht als die von britischen Vcurtellern in Deutschland ausgesprochene Meinung, daß die Stimmung in Deutschland gegenüber Großbritannien trotz der britischen Unterstützung der deutschen Ansprüche (bezüglich der Ruhr usw.) nicht gut sei.
Briand betonte, er sei und bleibe ein Mann des Friedens. Man habe in Thoiry deutliche Fortschritte in dieser Richtung erzielt, deren Einzelheiten er aber nicht zu berühren wünsche. Er wünsche nicht, daß die noch zu erledigenden Punkte vermehrt werden würden, indem er die Ocffentlich-keit zu politischen Erörterungen ermutige.
Der polnische Außenminister erklärte dem Pariser Vertreter des „Observer" gegenüber, Polen habe seinen Antrag ruf einen Ratssitz nicht gestellt, um gegen Deutschland zu oppo
nieren, sondern um an den internationalen Problemen mitzuarbeiten.
Die Londoner Presse über die Zusammenkunft Stresemann- Briand.
TU London, t . Sept. Die englischen Abendblätter berichten eingehend über di« Zusammenkunft Briand-Stresemann. Wie Reuter von gut unterrichteter deutscher Seite erfahren hat, bestand der Zweck dieser Begegnung in der Erörterung allgemeiner Bedingungen für ein möglichst umfassendes Abkommen zwischen Frankreich und Deutschland, das allen Argwohn und alle Differenzen der Vergangenheit beseitigen solle. Bon deutscher Seite sei daran gedacht, Frankreich gewisse finanzielle Zugeständnisse gegen airdcre zu gewähren. Deutschland, so wird erklärt, sei in der Lage uird gewillt, finanziell und wirtschaftlich mit Frankreich zusammenzuarbciten, da es im deutschen Interesse läge, ein wirtschaftlich blühendes, freundlich gesinntes Frankreich als Nachbar zu haben.
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Moskau und die Zusammenkunft Stresemann-Br'-and.
TU Moskau, 20. Sept. Die geheime Zusammenkunft zwischen Briand und Stresemann hat in Moskau großes Interesse erregt. Nach Ausfassung in politischen Kreisen wurden in dieser Besprechung die Probleme des Ostens nicht berührt. Die Zu- sammcntunst der Leide» Minister sei, so betont man, für Europa wichtiger als die Konferenz von Locarno und die letzte Tagung des Völkerbundes in Genf. Die Besprechungen würden zu einer Befreiung des Rheinlandcs von der ausländischen Besatzung und zu einer Stärkung der politischen Nolle Deutschlands in der Außenpolitik Europas führen. In den Kreisen der kommunistische» Internationale wird angenommen, daß nach den Besprechungen zwischen Stresemann und Briand eine neue Acra zur Stabilisierung des Kapitalismus geschaffen sei. Die Komintern werden in einem Aufruf gegen die neue europäische Politik Frankreichs und Deutschlands protestieren.
Briand verteidigt feine Politik.
Frankreich braucht Frieden.
TU Paris, 20. Sept. Briand empfing gestern mittag die Pressevertreter und betonte, daß er über den Inhalt seiner Aussprache mit Herrn Dr. Stresemann nichts bekannt geben könne. Die beiden Regierungen seien noch nicht unterrichtet und cs liege daher auch noch kein Beschluß vor. Ich werde kommenden Dienstag, fuhr Briand fort, den Ministerrat über den Inhalt meiner Unterredung mit Dr. Stresemann unterrichten, der seinerseits gegenüber seiner Regierung dasselbe tun wird. Wenn wir von Airseren Regierungen die Zustimmung erhalten, so werde ich wich mit Herrn Stresemann wieder treffen. Auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt, antwortete Briand, das ist noch nicht fest- gelegt, aber es dürfte spätestens im Dezember sein. Ich glaube, daß es möglich ist, alle zwischen den beiden Ländern bestehenden Differenzen vernllnfig zu regeln und schließlich eine loyale und enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich her- znstellen. Was mich betrifft, so bleibe ich ein ergebener Anhänger der Friedensidee und des Willens zum Frieden. Frankreich braucht den Frieden notwendig. Es kann nur gewinnen. Das ist übrigens auch die Ansicht vieler und guter Franzosen. Ich war Ministerpräsident in den fürchterlichen Stunden des Krieges. Ich werde alles unternehmen, was in meinen Kräften steht, damit sich diese gräßlichen Zeiten nicht wiederholen und um den Frieden zu sichern, und zwar einen dauerhaften Frieden. Das Land verliert gar nichts, indem es sich entschlossen dem Frieden zuwcndet. Es sind nur einzelne Franzosen, die glauben machen wollen, daß Frankreich sich mit dieser Politik erniedrige. Sicherlich sieht niemand in Genf Frankreich in einer gedemütigten Lage, untso weniger, als Frankreich im Falle von diplomatischen Zwischenfällen, die man als innerpolitisches Manöver gegen mich ausspielen wollte (Briand spielt« hier auf die italienischen Kundgebungen gegen Frankreich an) ruhiges Blut bewahre. Die italienischen Zwischenfälle seien bedauerlich, die französische Regierung habe protestiert, worauf die italienische Regierung ihr Bedauern ausgesprochen habe. Briand kam dann wieder auf die Unterredung mit Stresemann zu sprechen und schloß mit folgenden Worten: Jetzt, nachdem Deutschland in den Völkerbund eingetreten ist, können wir uns viel leichter treffen. Ick» werde Sie über den Gang der Ver
handlungen unterrichten, sobald ich dazu in der Lage sein werde. In diesem Augenblick könnten mir Diskretionen nrü» Polemiken die Lösung gewisser deutsch-franz. Probleme nur erschweren. Ich wiederhole abermals, daß ich den Frieder will und alles auf diesem Weg zu unternehmen entschlossen bin. Briand wird sich nach dem Ministerrat am kommenden Dienstag für einige Tage zur Erholung ans Meer begeben.
Die neuen Sitzungen in Genf.
TU Genf, 20. Sept. Im Völkerbundsfckrctariat fanden am Samstag lediglich Kommissionssitzungen statt. Der Völkcrbunds- rat tritt heute nachmittag 3 Uhr zu einer öffentlichen Sitzung zusammen. Wie von deutscher Seite versichert wird, wird auch Neichsaußenminister Dr. Stresemann aller Voraussicht nach in der Sitzung der Vollversammlung am Dienstag das Wort ergreifen.
Reichsminister Dr. Stresemann wird noch bis etwa Mitte Kiffer Woche in Genf bleiben, Staatssekretär Dr. Pünder ist bereits nach Berlin zuriickgekehrt.
Deutsch-belgische Annäherung.
Zusammenkunft Bandcrveldes mit Stresemann?
TU Brüssel, 20. Sept. In belgischen Regicrungskreisen verhält man sich bezüglich Belgiens Stellung zu der Regelung des Gesamtkomplexes der deutsch-belgischen und deutsch-französischen Beziehungen sehr reserviert. Auch die Presse hält sich in ihren Kommentaren sehr zurück. Indessen wurden die Besprechungen zwischen Stresemann und Briand mit lebhaftem Interesse verfolgt, da Belgien eine politische Zusammenarbeit mit Deutschland wünscht. Einen Beweis hierfür bilden di« Lösung der Affäre Graff und die letzten Unterredungen über Eupen-Malmedy. Belgien will die Frage Eupen-Malmedy lösen und man glaubt, daß Frankreich dem keinen Widerspruch mehr entgegensetzen werde. Man nennt als EnHchcLigunMu-mme für dte noch in Belgien befindlichen Tausendmarkscheine und Dr Eapen-Mal-
Tages-Spiegel.
Ueber die Zusammenkunft Stressmann-Vriand in Thoiry wer» den weitere nicht viel besagende Erklärungen von den Staatsmännern abgegeben.
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Botschafter von Hösch ist nach Berlin abgereist, um sich nach der Rückkehr Dr. Stresemanns aus Genf über die Besprechungen in Thoiry zu orientieren.
Briand, welcher bereits am Samstag nach Paris znrückgckchrt ist, verteidigte vor der Presse seine Friedenspolitik.
Zn Paris rechnet man mit einem schweren Kampf zwischen Poin- care und Briand um dessen BersöhnungspoUtik.
Der polnisch« Außenminister ist zu Verhandlungen über die Streitfragen mit Deutschland bereit. TroOcm wird von Hohenkirchen ein neuer polnischer Rechtsbruch gemeldet.
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Der Deutsche Stiidtetag forderte in einer Entschließung zur Behebung der Arbeitslosigkeit vom Reich dje Förderung des Wohnungsbaues und die Verlängerung der Unterstützungen an die Arbeitslosen.
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Die Spanier beabsichtigen bis zum Beginn des Winters i« ihrem Frontabschnitt »n Marokko alle vorgeschobenen Posten zu räumen.
Line ungeheure Sturmkatastroph« hat die Küste von Florida heimgesucht, Heber 100 Menschenleben sind zu beklagen.
mcdy 400 Millionen Eoldmark. Man wünscht hier eine Verstärkung der deutsch-belgischen Wirtschaftsbeziehungen in der Erkenntnis der Tatsache, daß Deutschland das Hinterland für den Antwcrpener Hafest ist. Man glaubt hier allgemein, daß Van- derveld« in nächster Zeit eine Unterredung mit Stresemann über alle diese Angelegenheiten haben wird. Die hiesigen politischen Kreise sind bemüht, den Frieden zu befestigen und die beiden Völker einander näher zu bringen. Diese Politik hat die Mehrheit im Lande, im Parlament und in der Regierung.
Deutschland und Polen.
Deutsch-polnische Verhandlungen.
TU Warschau, 20. Sept. Außenminister Zaleski wird am Donnerstag in Warschau eintreffen. In der nächsten Woche wird er mit dem nach Genf berufenen polnischen Gesandten in Berlin Olczowski über die Chorzowfrage sowie über eine ganze Reihe anderer Streitfragen zwischen Polen und Deutschland die infolge des Inkrafttretens des Locarnovertrages entstehen, verhandeln. Von diesen Fragen soll die wichtigste die Nieder- lassungs- bezw. Siedlungsfrage sein. Man vermutet, daß es zur Gründung einer Schiedsgerichtskommission zwischen Deutschland und Polen kommen wird. Der Besuch, den Zaleski im Hotel Metropol Staatssekretär Schubert abstattete, wird, wie angenommen wird, der Regelung dieser Frage gegolten haben.
Ein neuer polnischer Rechtsbruch.
TU Berlin, 20. S«pt. Die Morgenblätter melde» aus Glei- Witz: Ebenso wie das Stickstofftverk Lhorzow haben die Polen in Oberschlesien auch eine der Stadt Ratibor gehörige Wald- parkanlage bei Hohonbirken mit einem Vismarckturm enteignet. Durch das Haager Urteil in der Sache Lhorzow ist auch die Nechtswidrigkcit dieser Enteignung festgestellt. Trotzdem und trotz aller Proteste von deutscher Seite sind die Polen und zwar ausgerechnet der Verband der Insurgenten dabei, diesen Bismarckturm in ein Gedeirkmal für den polnischen König Voleslaw Chrobry umzuwandeln und gerade in den Tagen, in denen der Eintritt Deutschlands und Polens in den Völkerbundsrat stattfand, ist mit den Bauarbeiten an dem Vismarckturm begonnen worden.