Ueber deutsche Titelsucht.

Nichts mehr ist Wirklichkeit und Alles Schein, Das Ei will klüger als die Henne scyn.

Der Kirmcsfidler nennt sich Componist,

Und Künstler selbst der steifeste Statist.

Der dümmste Dorfschulj heißt gestrenger Richter, Der Lampenputzer gar Theaterdichter.

Baumeister »cnnt sich mancher Zimmermann, Professor der Magister Schnudrian.

Der Setzer will als Autor sich geriren.

Der Krämer als ein Kaufmann xaradiren.

Der Schreiner nennt sich kecklich Ebenist,

Der Pillendreher heißt nunmehr Chymist Und Pharmacic die kleinste Apotheke;

Es heißen RidicülS der Weiber Säcke,

Casino heißt das Lesecabinct,

DaS Fuselhäuschen heißt Estaminet. Gcsetzoersiänd'gcr heißt der Bauernschinder Und Bürstenfabrikant der Bürstenbinder.

Der Ratieiitilgcr ncnni sich Kammerjäger, Buchhändler jeder ABCVerlegcr:

Das Kindermädchen Bonne und Gouvernante,

Der Pflästcrer wohl WegdauUnlernchmer,

Gar Wahrheitsfreund der freche Pasquillant Und Handelsmann der Schwcfelhölzchenskrämer. Der Goldarbcitcc nennt sich Juwelier Und jeder Schachcrjude Bankier.

Der Schneider nennt sich lVInrclrsiick Isllleur Und seine Nebenstube seinen Saal.

Der Börscnmäcklcr ist ein Lscomxteur,

Der Meister Nagelschmied ein Prijipal.

Des Dorfes SchnappSwirth nennt sein Haus Hotel, Sein erster Knecht heißt der Herr Oberkellner,

Die Stallmagd tittiliret man Mamsell, lVIonslerii' le Lontrolteur den Zöllner.

So heißt der Canzelist jetzt Lecrciair.

Conditor jeder Zuckerbäcker.

Ein äprbterrr heißt nun der Tuchausrccker.

Der Musterreiter Lominis vo^ageur.

Der Aklcnhefter nennt sich Akmar.

Der freche Aktentrödelcr Notar.

Der Hausanstreicher ist Dekorateur,

Der Steinestecher ein Graveur;

Ein Mann comni« il 5,ut ist der schlechte Zahler,

Der Farbcnreiber ist ein Maler

Und jeder Haaroerschneidrr ein Friseur.

Ein Vorschlag zur Güte; zur Be­herzigung empfohlen.

Unser liebe« Vaterland Württemberg kann sich in derThat so vieler wvhlthätigen, zweck- mäßigen und heilbringenden Vereine rühmen, daß «s wohl der Mühe lohnte, folgende«

aus reiner Absicht empfohlenen Vorschlag, der gewiß in der Ausführung sehr gemein- nützig sepn würde, zu beachten und zu prüfen.

In Sachsen und Preußen und einigen angrenzenden Provinzen bestehen schon seit längerer Zeit PrivatVereine, von der Regie­rung begünstigt, sogenannteLeichenCommu- nen," welche die Absicht und den Zweck ha­ben, den mit großen Kosten verbundenen TrauerLuxu» zu beschranken, der besonders dem Mittelstände und der ärmern Volksclasse sehr zur Last fällt, oft die schon mit Mangel, Entbehrungen und Schulden kämpfenden Familien bei dem Tode eines ihrer Lieben, in neue Verlegenheiten und Schulden stürzt, um nur denselben, dem leidigen Herkommen und der unvernünftigen Mode gemäß, sogar in verschiedenen Abstufungen der Trauer- kieidung betrauern zu können. Wie manche kleine Nachlafsenschait wird durch diesen TrauerLuxus den bedürftigen Hinterbliebenen noch geschmälert und verkümmert!! !

Dein Vorsteher solcher LeichcnCommunen wird nun nach Maaßgabe der großem oder geringer« Anzahl von Theilnehmern, eine gewisse jährliche Beisteuer in monatlichen oder vierteljährlichen Raien, welche die Statuten feslsctzen, eingezahlt, und aus den Zinsen deS GcsammlCapilale, welche von Jahr zu Jahr heranwachsen, erhallen die Thcilnehmer, bei jedem in ihrer Familie vorkommenden To­desfall. eine zur Beerdigung deS Verstorbe­nen hinreichende Unterstützung, deren An­wendung jedoch allen Pomp bei dem Be­gräbnisse ausschließ», und die Mitglieder solcher gewiß wohlthucnder Anstalten,, selbst bei Strafe im Uebcrtretungssalle, Verpflichtet, nie anders um den Verstorbenen zu trauern, sey es nun der Gatte. Gattin. Bruder, Schwe­ster, u. s. w., ais: bei Männern mit einem schmalen, schwarzseidcncn Bande am linken AermelAufschlag; bei dem weiblichen Ge- schlechte mit einer kleinen, schwarzen Band- fchleife am Huke oder an der Haube; im klebrigen bleibl die Farbe der sonstigen Klei­dung dieselbe.

Mag dicß vielleicht so Manchem lächer­lich erscheinen, paradox und absonderlich Vorkommen, genugeS ist zweckmäßig, gut, wohlthätig für Arme und Wohlhabende, und der Nachahmung werth. Dem Tobten gilt eS einerlei, wenn überhaupt die äußeren Zei- chm dcr Trauer ihn zu ehren im Stande sind.