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jetzt noch höhnischer als zuvor erklang, brachte den Barbier um den letzten Rest von Fassung. Mit dem Muth der Verzweiflung that er einen entschlossenen Sprung an die Thür, riß sie auf und stürzte in athemloser Hast über den Platz. „Gott erbarme sich meiner!" rief er aus, „ich habe den leibhaften Sata- nas rasirt!"
Kaum hatte er sich mit diesen Worten Luft gemacht, als das schreckende „weiter gefeilt!" bereits hinter ihm erscholl und die Schritte des Verfolgers sich schon hinter ihm vernehmen ließen. Rettungslos, in blinder Angst stürzte er auf die Thüre des ThurmeS zu, die sich zufällig offen fand. Vergebens suchte er sie zu schließen, da sein Peiniger ihm schon dicht auf den Fersen war, cs blieb ihm nichts übrig, als mit Blitzesschnelle die Treppe des Thurmes hinaufzulaufen. Er wußte, daß eine Thüre aus demselben auf die Plattform hinaussührte: hatte er nur diese erreicht, so hoffte er sie von außen zuschlagen zu können und auf diese Weise den bösen Feind von sich abzusperrcn. Thö. richte Hoffnung! Fast zu gleicher Zeit drängte der Unvermeidliche sich mit ihm auf die Plattlorm hinaus. Zn schwindelnde Höhe stieg der schlanke Thurm dicht neben ihnen empor, und von der andern Seite gähnte der liefe schroffe Abgrund sie an. Bleich Vor Schrecken blieb der an allen Sinnen Gefolterte stehen, seine Zähne schlugen an einander, die Knie brachen ihm vor Angst und Entsetzen zusammen.
„Ha. ha, ha!" lachte sein Quälgeist, „was denkst Du nun, mein Alter? Nun, mache Dich nur zurecht und seife mich gleich weiter ein; immerzu geseift, daß cs braustund schäumt! Aber wo hast Du denn das Becken und den Seifpinscl?"
„Ich habe Alles den Thurm hinabgewo» fen," stotterte der Halbtodte.
„Hinabgeworfen? Ei wahrhaftig da sollt Ihr ja sogleich hinterdrein. Wie hübsch muß sich bei dem Hellen Mondschein eine solche Kapriole Kopfüber, Kopf unter, auSnehmen!"
Bei diesen Worten faßte er die Nase deS Barbiers und zog ihn hart an den Rand der Plattform.
Die Empfindungen deS Unglücklichen, als kr sich solcher Weise über der grausigen Tiefe schweben sah. sind leichter zu begreifen als darzustellcn. Er griff mit Todesangst um sich, beschwor Himmel und Erde zu seiner
Rettung und versprach den unseligen Fremdling bis an das Ende seines Lebens einzu- seisen: dieser aber gehörte nicht zu den Seelen, die sich rühren lassen ; mit größter Gleichgültigkeit ließ er den bereits über der Tiefe Schwebenden los und — er war verloren.
Während des Sturzes überschlug sich der Unglückliche mehrere Mal; er fühlte in den wenigen Sekunden all das Entsetzen, sich der dießmal so gefürchteten Mutter Erde zu nahen, und durch all diesen Tumult der Angst und Qual hörte er noch das satanische „nur immerzu geseift !" von oben heruntcrschallen. Alle seine Nerven zuckten konvulsivisch, als der Augenblick sich näherte, wo er unver- weidlich zerschmettert sepii mußte. Wunderbarer Weise aber verminderte sich die Schnelligkeit des Falles, je näher er dem Boden kam, ein rettender Engel schien dem Gesetz der Schwere eine umgekehrte Wirkung zu geben; er fiel immer leichter nnd leichter, die Bewe- gung ward zuletzt fast unfühlbar; er berührte den Boden, der ihn wie ein sanfter Arm empfieng. Entzückt klammerte er sich fest und faßte jetzt wirklich eine weiche, befreundete Hand — es war seine Frau, die ruhig an seiner Seite schlief. Alles ward dem Gefolterten jetzt klar, und er fühlte an der großen Freude seiner Seele, daß er nur einen schweren Traum gethan.
R a t h s e l.
Ein Doppelhaus für zehen Knechte,
Das seinen Herrn einst arm gemacht,
Und das, vom weiblichen Geschlechts Besessen, Manchem warm gemacht.
Oft wirds mit Anstand auch getragen,
Und tragt zugleich den eignen Herrn;
Sein Anblick selbst muß oft behagen,
Denn Mancher küßt sogar cs gern.
Im Osten häufiger, als im Westen,
Dort ist'S geschmückt, hier meistens kahl;
Vom Bräutchen bei den Hochzcitfestcn Braucht der Polak es als Pokal.
(Hiezu eine Beilage.)