Wenns Jemand gesehen hätte, ich schämte mich zu Tode." "
Wahrscheinlich hatte es Jemand gesehen, aber meine Vielgeliebte schämte sich nicht zu Tode.
„Du bist ja sonst nicht so spröde," meinte ich, „warum denn jetzt?"
„„Aber du bist auch zu ungenirt!"" zürnte sie weiter.
Da ich nun bereits zu ungenirt genannt wurde, so g'aubte ich, mich nicht weiter ge- niren zu dürfen, und küßte sie noch einmal.
„„Nein, das ist zu unartig!"" rief sie, nun wirklich böse. „„Zuletzt führe ich dich auch nicht mehr.""
In der That ließ sie meinen Arm fahren, und wir giengcn nun wie zwei Schmollende neben einander.
„Deine Schwester wäre nicht so hartherzig gegen mich," begann ich nach einer Pause.
„„Ich habe schon lange gemerkt,"" erwiderte sie, „„daß du sie zu gerne siehst. Am Gebe gcrner als mich !" "
„Es ist ja deine Schwester," meinte ich, und ich muß sie also schon um deinetwillen lieben."
„„Man kann es auch zu weit treiben,"" entgegnete sic, immer mehr zürnend.
„Du meinst auf dem letzten Balle? fragte ich.
„„Wo du fast immer nur mit ihr sprachst, und fast nie mit mir!"" war die Antwort. „„Es hat mir zu weh gethan!""
Ihre Augen waren bereits etwas feucht, als sie an dieses „zu weh" kam. Ich wollte sie aber noch feuchter sehen.
„Wenn du erst wüßtest, von was wir gesprochen haben," fuhr ich in meiner mali- tiöscn Neckerei fort.
,,„O ich kann mirs nur zu gut denken!"" erwicderte die Vielgeliebte.
„Wir sprachen von Liebe," sagte ich kurzweg.
„„Nein cs ist zu schändlich, mir so etwas noch geradezu ins Gesicht zu sagen!"" meinte sie.
Ihre Thräncn stoßen nun so reichlich, daß ich ans Trocknen denken mußte. Ich machte daher einige Tröstungsversuche; aber meine Vielgeliebte war eine zweite Rahel, sie wollte sich nicht trösten lasten.
„„Es ist mir Alles nur zu klar,"" schluchzte sie. „„Aber so kanns nicht länger fortgehcn, ich wäre zu unglücklich.""
„So wollen wir umkehren, wenn du nicht länger fortgehen willst," meinte ich kaltblütig.
„„Du bist zu schlecht!"" sprach sie ingrimmig. „ „Jetzt noch zu spotten, wo du siehst, daß ich zu angegriffen und alterirt bin." "
„Aber du bist ein Närrchen," lenkte ich ein. „Ich sprach mit deiner Schwester nur von meiner Liebe zu dir."
Sie blickte mich schnell an, und ihre Mienen heiterten sich auf. Mich nahms nur Wunder, daß sie nicht sogleich lachte, denn es giebt Frauenzimmer, die zugleich weinen und lachen können.
„ „Wenn man dir trauen könnte!" " lispelte sic, „„aber du bist zu erfahren im Lügen!""
„Frage sie selbst," fuhr ich in meinem Liebewiedergewinnungsprozeffe fort. „Ich sprach von meiner Liebe zu dir, während du dich mit dem Schreiber neben dir wahrscheinlich nicht von deiner Liebe zu mir unterhieltest."
„„Du bist zu eifersüchtig!"" lachte sie. In der That sie lachte. Frauenzimmer lachen immer, wenn sie Einem Etwas wegschwahen wollen.
„Und du bist etwa nicht eifersüchtig?" frug ich vorwurfsvoll.
„„Ach! es war zu dumm von mir,"" erwicderte sie, „„aber das kommt daher, weil ich dich zu gerne habe.""
„Pfui! Auf deine eigene Schwester eifersüchtig zu seyn!" eiferte ich. „Besonders, da du weißt, daß sie nicht halb so schön ist, als du!"
„„Nein das ist zu arg geschmeichelt!"" rief sie, und das Her; hupfte ihr im Leibe. So dachte ich wenigstens, ob ichs gleich nicht sah, denn sie ergriff mich beim Schopfe, und gab mir einen tüchtigen Kuß.
„Aber die Leute könntens ja sehen," neckte ich sie.
„„Ach, was thuts! Ich habe dich zu lieb," " sprach sie versöhnt.
Wir gingen nun wieder Arm in Arm. Im nächsten Wirthshause kehrten wir ein, aßen Kuchen und tranken Caffec, und gingen dann Arm in Arm nach Hause.
„ „IN war doch zu vergnügt," " sprach meine Vielgeliebte, als wir zu Hause angelangt waren.
Verschiedenes.
Nagold, den 12. Januar. Gestern Abend hat sich ein Jäger ungefähr 26 Jahre alt, der Bäuchle heißen soll, eine halbe Viertelstunde von der Stadt entfernt an der Landstraße erschossen. Die Vera«»