515
Ueber das Glück.
Was bist du eigentlich, o Glück, und wo finde ich dich?
Weilst du vielleicht da wo Thalcr klirren, Dukaten klappern und Staatspapiere rascheln? — Ich glaube, nein!
Blickt doch einmal hin auf den Millio- uair! Ist er glücklich? Laßt sehen!
Das Ziel, wonach er rennt, ist Vermehrung dcS Mammons, Tag und Nacht läßt es ihm keine Ruhe, die sichere Unterbringung seiner Fonds macht ihm stete Sorge, hier und da geht ihm ein Kapital verloren, das quält ihn, das Fallen und Steigen der Staatspa- piere regt ihn auf und hält ihn in steter Spannung. Er läßt sich in hunderterlei Spekulationen ein, nur wenige glücken. Man borgt ihm Geld ab, Alles wendet sich an ihn, den Reichen, er wird betrogen und in weitläufige Prozesse verwickelt, die an seiner Gesundheit, an seinem Leben nagen, das macht ihn mißtrauisch und menschenfeindlich. Seine Leidenschaft für das Geld macht ihn zum Geizhals und verhärtet sein Herz gegen jedes bessere Gefühl, und ihn flicht das Glück, indem er cs eifrig sucht, denn der Fluch des Geldes lastet schwer auf ihm, und bei alle seinem Neichthum ist er nicht beglückt!
Gewiß aber weilst du, Glück, dort bei Jenem, der Häuser über Häuser ankauft und Willen und Palläste anbaut, in deren Innerem sich Reichthum und Eleganz vereinigen?
Nichts weniger! — Die Bauleute betrügen ihn oft, und die Micthcr machen ihm den Kopf warm; soll er nicht überall Schaden leiden, so muß er überall selbst zum Rechten sehen, alle Augenblicke giebts Reparaturen, Einquartirung und andere mit dem Häuscrbesih unzertrennliche Lasten. Tausend Werdrüßlichkciten und große und kleine Uebel umschwirren sein Gemüth, wie mitternächtliche Fledermäuse und scheuchen Glück und Frieden von ihm. Und hat er endlich seine Häuser und Villen erbaut und seine Zimmer prachtvoll meublirt, und blühen in seinen Gärten die theuersten Gewächse fremder Zonen , und sitzt er dann mitten in seinem Glanze unter Schcinfreundcn und Speichellekkern, so wird ihm die gewisse Ueberzeugung daß alle diese Freunde sich keineswegs um sein Selbst willen um ihn versammeln, und ihn sehr bald verachten und verlassen werden, wenn seine Schornsteine nicht mehr
rauchen, seine Weinquellen versiegt und seine Börse geleert ist, in den bittersten Unmuth versetzen. Der Besitz von tausend kostbaren Dingen, die der Unbemittelte entbehren muß, wird ihm alltäglich, er weiß — wie jeder Reiche — nichts von Entbehrungen, und kennt daher auch nicht das Vergnügen des wahren Genusses, wie es der arme Teufel hat, wenn ihm nach langer Fastenzeit einmal eine gut besetzte Tafel winkt, und wenn nach steter Geldebbe endlich einmal eine augenblickliche Fluth eintritt.
Also auch bei dem Häusermann bist du
— Glück — nicht einheimisch!
Weilst du aber vielleicht bei den Großen und Mächtigen der Erde? — Ich glaube wieder — nein — sagen zu müssen! —
Ehrgeiz, Kabale , Medisance und Stolz
— das sind die Geister der Finstcrniß, welche das wahre Glück von ihnen fern halten, und doch sind diese, mit seltenen Ausnahmen — so unzertrennlich mit irdischer Größe und Herrlichkeit verbunden. Der ist wahrlich ein Thor, der die Großen um ihren Glanz und Schimmer beneidet!
Vermögen Hoffeste sie für Entbehrung des Freundckreises zu entschädigen? Sie sind ja Menschen wie wir und fühlen wie wir, aber tritt die leidige Etiquette bei ihnen nicht jeder menschlichen Henensergießung in den Weg, muffen sie nicht alle Gefühle in sich zurückdrängcn, wird nicht jedes ihrer Worte und jede Handlung belauscht und bekrittelt?
— Kann der ihnen unaufhörlich dampfende Weihrauch der Katzenbuckler wohl angenehm seyn? — Sie kleben an der Form, aber vermag die Form das Wesen zu ersehen?
— Seht, es fehlt ihnen an nichts, sie besitzen Alles, was ihr Her; begehrt, sie dürfen sich keinen Genuß versagen, und dem leisesten Wunsche folgt schnell dessen Erfüllung, für sie scheint der Himmel schon hier auf Erden bereitet, und dennoch, dennoch bleckt das wahre Glück des Lebens ihnen fremd! — Vermöchten wir in manche, von Luern und glänzenden Orden bedeckte Brust zu schauen, wahrlich! wir würden gar oft uns entsetzen, und bei aller Armuth und Entbehrung äußerlicher Gl'ücksgüter uns glücklich preisen vor vielen beneideten Großen der Erde.
Nun wo ist denn aber das Glück z» finden, oder weilt es vielleicht gar nicht un» ter den Sterblichen?
Meint Ihr vollkommenes Glück, so sucht