Eben fuhr der alte Kosak mit seinen Dienern in einem Kahne vorüber. Ne kos, rief er, wir wollen die Rosse in Sicherheit bringen. Meine Tochter, die faule Dirne, schläft noch. Ich eilte hinab, um wo möglich noch nach meinem Stalle zu gelangen und die Pferde lotzzubinden; aber die Wellen schlugen mir entgegen, doch konnte ich noch gewahren, daß der Stall leer war; die klugen Thicrc hatten sich selbst losgcrissen und waren den Hügel hinan geeilt, nur Kaschka war mir treu ge­blieben. Als ich nun wieder in die Obcrstube zurückkchrte und in die schwellenden Fluten hinab und zu dem grau bewölkten Himmel, von dem jetzt der Regen in furchtbaren Strö­men nicdcrstürzte, hinaufblickte, schien eS mir, als ob das Haus gegenüber erzitterte. Täu­schung ! die Nebelhülle des dunkeln Tages und unmännliche Furcht hatte mich geafft. Aber da dröhnte es dumpf, da krachte es furchtbar die Balken hatten sich wirklich gesenkt es War kein Sinncntrug. Das Haus bebte und drohte, von der ganzen Kraft des Sturmes angefallcn, jeden Augenblick zusammcnzubrechen. An dem Fenster erschien die -Geliebte, bleich, von Todesangst erfaßt. Sie streckte ihre Arme nach mir auS, sie rief ich konnte ihre Worte nicht vernehmen, aber ich sah was sic litt, ich sah, wie nahe ihr der Verderber war. Höher stiegen die Wogen, wilder heulte der Sturm und tiefer und tiefer senkte sich das Gebäude. Kein Kahn, kein Floß , kein rettender Mensch außer mir in der Nähe. Die Zeit drängte, nahe war der Augenblick, Wo Alles zusammcnschmcttern und die Un­glückliche einem doppelten Tode verfallen mußte. Ich faßte den Entschluß der Verzweiflung. Ein Kosak kann nur auf seinem Pferde schwim­men; ich bestieg das alte treue Thier es küßte freudig meine Hand, als es mich auf seinem Rücken fühlte und trieb es durch das Fenster in die Wellen. Einige Augenblicke war es, als ob die Gefahr dem Thiere neue Kräfte mitthcilte, rasch schwamm es durch die Fluten, ungefährdet erreichte ich die Mitte der Straße, wo Kaschka noch fest auf der Mosta fußen konnte. Jetzt aber war die Kraft ge­brochen und die Gefahr immer dringender; das Pferd sank! arbeitete sich wieder empor, und sank abermals; doch in der Tiefe hörte ich den Angstruf der Hilflosen und stieß und

Z70

schlug das treue Thier, biß cs keuchend und schnaubend sich wieder hob und endlich das Hauö erreichte. Die Geliebte stürzte in meine Arme, ich mußte eilen, von dem Unheil dro­henden Hause zu kommen; keine Rast, keine Erholung konnte ich dem Rosse gönnen, und die Last war nun doppelt. Das Pserd keuchte, wie ich cs auch schlug und peinigte, es duldete aber machte keine Anstrengung mehr, gegen das Unmögliche zu kämpfen, doch der Drang der Wogen und des Sturmes schleuderte uns selbst an das jenseitige Ufer. Mit der letzten Anstrengung der Kraft und der Verzweiflung hob ich die Geliebte empor, sie gewann das Fensterbret, sie war gerettet und reichte mir nun ihre Hand entgegen, um mich an sich zu ziehen. Mein armes Roß, von der Hälfte der Bürde befreit, begann wieder Lebenskraft zu zeigen; ich faßte es bei der Mahne, um es mit mir zugleich zu retten. Doch auch meine Kraft war gebrochen, das Pferd zog mich nieder. Laß die Mahne, laß daS Thier sinken, rief die Jungfrau eifrig. Dieß waren die ersten Worte der Geliebten, welche mir wehthatcn. Fester umwand meine Hand das Haar des Rosses; Schmach; Sünde schien es mir, das treue Thier zu opfern. Aber jetzt sauste und krachte cs jenseits furchtbar, das Haus stürzte zusammen, seine Trümmer schlugen in die Fluten, der Giebclbalken streifte mein. Gewand, riß mich, von dem Pferde: bewußtlos umfaßte weine Hand das Fcnster- , kreuz; auch meine Wohnung bebte' von dem mächtigen Falle, nud als cs ruhiger wurde, sah ich den Leichnam meines Kaschka mit zerschmettertem Schädel zwischen den Trüm­mern nmhcrschwimmcn. Es ist eine Schande, aber ich will sie euch bekennen, ich habe ge­weint um das Thier; die- Treue, ist so selten auf Erden und, wohnt nicht mehr in des Menschen Brust! Der alte Kosak drückte mir herzhaft die Hand, als er seine Tochter ge-" rettet sah: Diesmal, sprach er, ist der Milch­bart klüger gewesen als der Graukopf. Da ich ihm aber die wüste Stelle seines Hauses zeigte, lächelte er listig: Ne bos, Brüdercheir, flüsterte er zufrieden, im Herbst steht mein Haus schon wieder schöner und fester als vorher, kenn die -Geldtöpfe sind geborgen. Die Geliebte aber barg nicht mehr ihre. Em­pfindungen; sie war mein Eigcnthum gewor-