152

Andacht die kleinen Hände auf der Brust fal­tete, als wolle er damit das gewaltige Wogen feines Herzens bändigen, da meinten sie, er müsse wohl cm vom Himmel gesendeter Engel seyn.

Der Kapellmeister trat inzwischen nach beendigtem Amte dem Knaben näher:mein Sohn," sprach er zu ihm,willst Du nicht mit uns frühstücken, denn du gehörst zu uns, weil unsere Patronin, die heilige Cäcilia, die oben im Himmel thront, auch über Deine Wiege hingehaucht hat!" Der Knabe folgt unbesorgt dem Maestro; der aber war ein alter Fuchs, Caffaro genannt, der den eigenen Water, die leibliche Mutter, das einzige Kind, ja Seine Heiligkeit den Pabst selbst seinem Götzen, der Musik, geopfert haben würde. Die Ueberzeugung stand fest bei ihm, daß es in der ganzen Welt nur eine heilige und gute Sache gäbe, Musik nämlich, die seine Leidenschaft, sein Glaube war. Und diesen Fanatismus trieb er so weit, als irgend ein übertriebener Eifer nur getrieben werden kann. Kaum sah er auch dicß Kind in seiner Macht ein so hübsches Kind so gute musika­lische Anlagen so frische und reine Stimme --- so viel Lernbegier so konnte sich Mei­ster Caffaro kaum mehr vor Freuden halten. Welcher Triumph für seine Kapelle! welch herrliches Instrument für seine Musik! Hast du also die Musik recht innig gern?" fragte er den Kleinen.Ach, lieber Herr!" antwortete dieser,lieber ohne Brod, als ohne Musik!" 8e«2S xsno, oisnon

Das Bürschlein kam in ein mit musikali­schen Instrumenten angefülltes Gemach, deren Mechanismus er nach und nach begriff; man lehrte ihn Noten lesen und den verborgenen Sinn der kleinen Tintenklekse entziffern, die ihm wie Hieroglyphen erschienen. Man be­rauschte ihn mit Musik; er vergieng fast aus Verwunderung und Begeisterung. Tausend unbekannte Gefühle bemächtigten sich seiner; seine volle, herrliche Stimme erfüllte schon die mächtige Domkirche, und Meister Caffaro hatte nie eine mclodicreichcre und festere Stim­me gehört. Leider erschien aber eines Tages, als Majorano gesungen hatte, wie Engel singen, diese schöne Stimme seinem Meister weniger hell und mehr männlich zu seyn, ein leichter Schleier schien auf ihr zu liegen, und ebenso ein leichter Flaum das jugendliche

Kinn etwas dunkler zu färben. Es ist ge­schehen, o Schmerz! der Knabe sollte ein Alaun werden. Ein Mann! Sollte er da­durch vielleicht die zum Herzen dringende Stim­me cinbüßen, diesen göttlichen Hauch, der zum Himmel emportrug die heiligen Inspirationen seines Meisters? Bei diesem Gedanken er­bleichte Caffaro vor Schrecken. Lieber hätte er den Burschen todt gesehen, als daß er nun erleben mußte, wie eine Stimme sich verän­derte, auf die so große Hoffnungen er gegrün­det. In seiner Verzweiflung fiel ihm ein furchtbares Auskunstsmittcl ein. Ucbrigcns ist dabei gerade nichts zu verwundern, denn ich habe schon oben bemerkt, daß er ein Alaun war, der gern für eine gute Stimme mehr, ein ganzes Geschlecht guter Christen in das Grab sinken sah.

Vermöge des Weins und seiner Faulheit hatte Majorano, der Bauersmann, seinen Sohn gänzlich vergessen.Er war doch nichts weiter, als ein großer Schlingel," pflegte Majorano oft zu sagen;aus ihm wäre nie ein tüchtiger Landmann geworden, er hatte keinen andern Sinn, als singen oder Andere singen hören. Mag er zum Teufel fahren!" , »Do tröstete sich der brave Alaun mit solcher ganz väterlichen Gesinnung.

Als er nun aber in seine Hütte den rei­chen Maestro di Capclla vornehm auf sein Rohr mit goldnem Knopfe gestutzt, her- eintrcten sah, und als er vernahm, wie Sig­nor Caffaro mit solcher Bewunderung und Begeisterung von seinem Sohne sprach, da fing der alte Majorano über sein verlornes Kind zu weinen an, als wenn jetzt seinem Herzen die allercmpfindlichste Wunde geschla­gen worden wäre. Der verschlagene Italie­ner begriff sogleich, ohne eigentlich bestimmt zu wissen, um was es sich handle, daß sein Sohn jetzt einen hohen Werth haben müsse und nahm sich vor, den besten Vortheil da­raus zu ziehen.Ein so hübsches Kind, Herr," sprach er zu Signor Caffaro,ganz das Bild seiner Mutter, die tod ist! Gebt mir ihn wieder, den armen Kleinen, meinen ganzen Trost hienieden, die ganze Hoffnung' meines Alters! Ohne ihn vermag sein un­glücklicher Vater nicht zu leben! Mit sol­chen und ähnlichen Lamentationen, deren er­logene Melodie recht gut zu dem erlogenen Schmerz paßte, bestürmte er den Kapellmeister.

(Fortsetzung folgt.)