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Manuele.

(Fortsetzung.)

Haffun winkte nun der bebenden Manuele, ihm in sein Zelt zu folgen. Sie sah ihr Schicksal nur verändert, nicht gebessert, und war eben im Begriff, vor dem neuen Gebieter niedcrzufallcn und ihn um milde Schonung anzuflchen, als ein mohamcdani- schcr Priester vertrat und zu Haffu» gewendet also sprach:Vergönne Herr, daß ich Dich auf eine religiöse Pflicht aufmerksam mache. Deine recht­mäßige Gemahlin ist erst seit acht Tagen todt, und das Gesetz begehret von Dir, daß Du mindestens einen Monden lang um sie trauerst und während dieser Zeit allem Genüsse der Liebe entsagst. Ver­banne daher diese Sklavin, die Niemand Dir vor- tuenthalten wagen wird, so lange von Deinem An­gesicht, bis Du der Vorschrift unsres Glaubens Genüge geleistet, damit ihr Anblick Dich nicht zur Versuchung reize. Darum laß sie bis zum Ablauf der Trauer in einem besonder» Zelte fern von dem Deinigen wohnen und vermeid'es, sie zu sehen; ein paar treue Sklaven aus Deiner Schaar können sie ja bewachen; sic müssen Dir für das «vertraute Gut mit ihrem Leben stehen!"

Nur ungern schien sich Haffun den verhaßten Aufschub gesallen zu lassen, doch mußte er dem Gesetz gehorchen. Manuele dankte still in ihrem Herzen dem Himmel für die gewonnene Frist und folgte ohne Murre» den zu ihrer Bewachung be­stimmten Sklave» in das ihr angewiesene kleine Zelt. Sie hoffte mit gläubigem Vertrauen: Gott werde ihr in den drei Wochen, während welcher Zeit sie von den Nachstellungen und de» Gewaltthäiigkcitcn ihres wilden Gebieters gesichert war, schon einen Ausweg zeigen, um der bedrohenden Schmach zu entrinnen.

Nach zweitägigem Rasten auf dem bisherigen Weideplatz zog der Maurenstamm nordwärts den in weiter Ferne sichtbaren hohen Gebirgsketten des Atlas zu. Manuele fühlte jetzt weniger die Be­schwerlichkeit der Reise durch die ungeheure Wüste, denn die Mauren waren mit weit bessern Lebens­mitteln und größeren Bequemlichkeiten versehen, als die jLaobcshorde; auch durfte die Gefangene ihre erzwungene Wanderung über den glühenden Sand nicht zu Fuß machen, wie bei ihren vorigen Herren, sondern sie erhielt ein Maulthier zu ihrem alleinigen Gebrauch. Dennoch hätte sic gern alle Beschwerden und Mühseligkeiten ihrer früheren Lage noch einmal ertragen, wenn sie nur nicht wle letzt durch den schrecklichen Gedanken unaufhörlich ge­feldert worden wäre: mit jedem Tage immer mehr der unausbleiblichen Gefahr, die ihrer Tugend und ihrer Ehre drohte, entgegen zu eilen. Immer nä­her kam der Ablauf der gewonnenen Frist, aber noch zeigte sich kein Ausweg zur Rettung. An ein Entfliehen konnte die Unglückliche nicht denken, denn sie wurde zu sorgfältig bewacht; auch hätte

man sic sicher bald eingeholt, wenn es ihr wirklich gelungen wäre, die Aufmerksamkeit ihrer Wächter zu täuschen. Ein anderes Mittel aber, dem dro­henden Verderben zu entgehen, gab cs nicht, als Flucht und Selbstmord. Vor dem letzter» schau­derte ihr frommes Gcmülh. Nie in ihrem Leben hatte die Arme, wenn das Gebet des Herrn über ihre Lippen kam, die letzten Bitten: Führe UNS nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebcl! mit so inbrünstigem Flehen gesprochen, «IS jetzt in diesen Tage» der Angst. Aber cS schien, als hätte der Himmel sie verlassen und höre ihre Klagen nicht. ^Dcnn eines Tages erschien Haffun ganz unerwartet vor der Erschrockenen und rief, während ein wildes Feuer aus setnen Augen funkelte: Die Zeit des ungeduldigen Harrens ist endlich vorüber und ich darf nun meinen glühendsten Wün­schen Gehör geben. Folge mir schöne Sklavin, Du herrlichste Blume in dieser weiten Wüste, Du sollst noch heut das Lager mit mir «heilen!"

Er entfernte sich schnell und ohne eine Gegen­rede abzuwarten. In halber Betäubung hörte Ma­nuele den Befehl ihres Gebieters. Schreck und Uederraschung verwirrten ihre Gedanken. Ohn- geachtet der Angst ihres Herzens haue sic bisher im­mer noch eine leise Hoffnung genährt: die Allmacht des Höchsten werde sie durch irgend ein dem mensch­lichen Wissen unzuberechnendes Ereigniß befreien. Jetzt war diese Hoffnung vernichtet und die längst gefürchtete Gefahr schwebte unabwendbar über dem Haupte der Unglücklichen. Sie wurde von den Sklaven ergriffen, in das prächtige Zelt des Stamme Oberhauptes getragen und dort auf einer weichen Ottomane niedergesetzt.

Haffun, der schon voll Ungeduld wartete, gab seinen dienstbaren Geistern sogleich einen Wink, sich augenblicklich zu entferne». Sein Faunengcsicht sprühte gierige Blicke auf das arme Opfer der fre­chen Willküdr. Die geängstete Manuele wollt« noch einen Versuch zu ihrer Rettung wagen ^ der ihr erst jetzt im Augenblicke der Noch zu Sinn« kam. Sie stürzte vor Haffun nieder, umschlang seine Knie und beschwor ihn unter Lhräncn, Mit­leid mit ihr zu haben und sie nicht schmachvoll her- abzuwürdigen, da sie die Gattin eines Mannes sey, dem sie Treue zu bewahren für die größte Pflicht ihres Lebens halte.

Ader ein Hohngelächter wurde ihr zur Antwort. Und wen» Du das Weib eine« Königs wärest!" rief der wollüstige Tyrann:so würd' ich Dich nicht frei geben. Jetzt bist Du mein, was Du frü­her warst, kümmert mich nicht. Ich hasche »ach der Gunst des Augenblicks und will nun die süßt Stunde genießen, nach der ich geize, seit mir zum erstenmal Dein Anblick ward. Spare Deine Bit­ten, arme Thörin. Deine Thränen, Dein aufge» lös'tes Haar, Deine flehenden Blicke, machen Dich in meinen Augen nur noch reizender und die Tluth meines Herzens wächst zur lodernden Flamme.