Beilage zum Intelligenz-Blatt Nro. 71
Freitag, den n. September igzz.
Manuele.
(Fortsetzung.)
Am nächsten Morgen ging Henri schon sehr send auf oie Gebirge, um Kräuter zu sammeln. Manuele schlief »och, als er die Wanderung antrat, wurde aber bald nachher sehr unsanft aus der Ruhe aufgeschrcckt. Ein starkes Geräusch ließ sich plötzlich in ihrem Gemache hören, erschrocken fuhr sie empor und erblickte vier mit elenden Lumpen bekleidete und mit Dolchen und Eisen-beschlagenen Keulen bewaffnete Männer, deren schmutzig gelbe Gelichter sic wild angrins'ten. Der Aelkrste von ihnen redete sie mit einer widrig klingenden Stimme an. Manuele verstand aber dessen Worte nicht, den» die Sprache des Mannes war ihr fremd. Während dessen bemächtigten sich die drei klebrige» einiger kleinen leicht fortzubringenden Gerälhschas- tcn und gierigen, wie cs schien mit Acrgcr: daß sie nicht mehr Beute vvrfandcn, hinaus. Jetzt machte der Vierte, der zu der zitternden Manuele vorhin gesprochen hatte, derselben durch Zeichen bemerklick: daß sie ihm folgen solle. Sic hob ihre cr,ändc bittend zu ihm auf und machte ihm ebenfalls durch flehende Bewegungen verständlich : daß sie gern hier bleiben möchte. Er aber achtete nicht darauf, sondern riß sic empor und drohte ihr mit Schläge», wenn sie nicht augenblicklich Gehorsam leisten würde. Manuele fand also gerathe», den wilden Marin nicht zum Zorne zu reizen, sie fügte sich daher in ihr Schicksal und folgte dem Vorangehenden, den sie für einen afrikanische» Räubcrhauptmann ansah. Als sic aus der Hütte herauskrak, erblickte sie mehrere solcher Raubgcsichter. Einige kamen eben aus dem Thurme des Aussätzigen. Der Zug ging nun ohne auffallendes Geräusch in /inen nahen Wald, Nach zwei Stunden gelangte man auf einen kleine» Wiesenplatz, wo sechs Zelte standen, die aus beblätterten Baumzveigen zusammengesetzt waren. Vor diesen einfache» Wohnungen- brannten ein paar große Feuer, um welche mehrere Kinder und einige Weiber gelagert waren. Die erster» sprangen, sobald sic den Zug erblickten, jubelnd auf, und betrachteten die gefangene Weiße, die ibncn eine noch nie gesehene Erscheinung, voll Neugier und Erstaune». Nach ein paar Augenblicken aber, als der erste Eindruck der Neuheit vorüber war, »rieben sie schon ihren Mukhwillen mit der Fremden, höhnten sie durch unmäßiges Gelächter und einige der keckesten warfen sic sogar mit Erde und kleinen Sternchen. Doch hatte dieses Unwesen bald ein Ende, als eine alte Frau von sehr häßlichem Angesicht, aber von hohem majestätischen Wüchse, die mit etwas bessern
Kleidern als die andern Weiber behängen war, Ruhe gebietend aus dem größten Zelte trat, und sich Manuelen näherte.
Die letztere gab sogleich durch flehende Bewegungen zu erkennen: daß sie um Schutz vor Mißhandlungen bitte, und die alte machte ein Zeichen der Gewährung nahm Manuele bei der Hand und führte sie durch den Kreis der gaffenden Weiber in das große Zelt, wo sic ihr andcutetc, sich auf dir Erde niedcrzusctzen. Die Alte redete ihre Schutzbefohlene nun in mehreren Negcrsprachen, endlich auch in derjenigen an, welche in Bondu üblich war, »nd die Manuele verstand. Nun erfolgten gegenseitige Miilheilungen und die Gefangene erfuhr, daß sie sich bei einer Horde Lavbes befinde, welches Volk in seiner Lebensweise große Achnlichkeit mit de» Zigeunern hat, und auch seinen Ursprung von denselben herlcitei- Unsiät in den Ländern des westlichen Afnka's von der Sahara bis an die Grenzen Guinea's umhcrziebend, beschäftigen sich jene rohe» von allen andern Nationen als Aucgestoßcnc betrachteten Menschen, gleich ihren Siammgenvffen mit Wahrsagen, Rauben. Stehlen und heimlichem Sklavenhandel. Zum Aufenthalt wählen sie sich dichtbeholzte Gegenden, in welchen sic, wenn ihre Rast von einiger Dauer seyn soll, eine Menge Bäume umhauen, sich mit den Zweigen Hütten bauen und das übrige Holz zu Handarbeiten benutzen. Ihre Religion ist ein Gemisch von Götzendienst und Mohamedismus; doch leben die meisten von ihnen unwissend in den Tag hinein, ohne ihr ganzes Leben hindurch an eine höhere Bestimmung zu denken-
Manuele batte schon in Bondu von diesem Volke mit großer Verachtung reden gehört und schauderte jetzt bei dem Gedanken: solche» Unbolden in dir Hände gerochen zu seyn. Sie betete still zu Gott: daß er sic recht bald erlöse» möge aus dieser Gemeinschaft. Das alte Weib schien ihre Gedanke» zu crrachen.
„Dir ist wohl bange vor uns, albernes Kind!" sagte sie, ,,weil Du vielleicht hast Schlimmes über das Volk der Lavbes reden hören. Scy ohne Furcht, hier wird Dir nichts Böses geschehen, wenn Du gehorsam bist und keinen Versuch machst, zu cntstie- hen. Vor Mißhandlungen bist Du sicher, ich habe Dich in meinen Schutz genommen, und ich gelle etwas; denn die Obersten dieser Horde sind meine. Söhne."
„Was aber hat man mit mir vor?" fragte Manuele, die einiges Zutrauen zu der Alien gewann: warum raubte man mich aus der stillen Hülle w» z ich schlief, und was wird hier endlich mein Schicksal seyn?