mit Vergnügen an und verließ mit seiner Gattin das Vaterland. Glücklich erreichten Beide die Insel Gorea, und wurden freundlich und liebreich empfangen. Bald »ach ihrer Ankunft warb ich geboren und ein paar Tage darauf starb mein biedrer Oheim und hinterließ meinem Vater ei» ansehnliches Erbe. Aber dieser genoß diese irdischen Glücksgüter nicht lange. Nach einem Jahre folgte er dem vorangegangenen Bruder nach. Meine Mutter, die sich nun ganz allein und verlassen in dem fremde» Lande befand, und der Leitung der ausge- brcitcten Geschäfte, die ihr nun als Eigenihümerin des bedeutenden Handelshauses oblagen, nicht verstehen konnte, folgte endlich dem Rache einiger Freunde, und wählte sich in dem. ehemaligen Buchhalter ihres verstorbenen Schwagers einen zweiten Gatten- Diese Ehe wr.r durch zwei Kinder gesegnet. Der Knabe, Etienne, war von feuriger, leidenschaftlicher Gcmüthsart; frühe schon entwickelten sich in ihm die Keime zu sündhaften Begierden, und leider wurden dieselben, statt erstickt zu werden, durch die übertriebene Liebe meines Stiefvaters noch immer genährt, der für alle Fehler seines Erstgebornen blind war. Ich hingegen hatte frühzeitig Gelegenheit, mich in den Tugenden de- Geduld und Demuth zu üben denn Vieles mußte ich um meines Bruders willen leiden; aber ich war ihm dennoch nicht gram. Es gab auch Zeilen, wo Etienne mit brüderlicher Liebe an mir hing. Doch dieses schöne Gefühl war bei ihm nur vorübergehend. wie er denn überhaupt keines bleibenden edlen Eindrucks fähig war: eS kehrte bisweilen in seine Brust zurück, wurde jedoch wieder durch die vor- herrschenden Leidenschaften des Stolzes und der Rachsucht verdrängt. Für manche trübe Stunde, die der Bruder mir bereitete, wurde ick durch die Liebe meiner edlen Mutter und durch die unveränderliche kindliche Zuneigung meiner Schwester Valerie entschädigt. Die Ersterc liebte alle ihre Kinder mit gleicher Zärtlichkeit, ohne, wie ihr Gatte, Einem den Vorzug zu geben. Auf mir aber verweilte ihr Mutterauge oft mit einer gewissen Wehmath und einem Mitleid, die den Aeußerungcn ihrer Liebe noch eine besondere Milde gaben. Die Edle wollte mir dadurch Ersatz gewähren für die Zurücksetzung, welche ich von dem Stiefvater zu dulden hatte. — Ach die gute Mutter! sie war auch nicht glücklich und hatte wohl 'Ursache, dem Andenken ihres ersten Gatten heimlich manche Thräne zu weihen, Doch mit unerschütterlicher Sanftmuth
und Würde ertrug sie ihr Schicksal, und ward Mir dadurch ein hohes Vorbild auch dieser Tugend, dem ich nachzustreben mich eifrig bemühte.
„Unter solchen Verhältnissen wuchs ich heran. Ich hatte große Lust, in den geistlichen Stand zu treten. Meine Eltern billigten auch dies Vorhaben, die Mutter aus religiösen Gesinnungen, der Stiefvater aus andern Absichten. Ich sollte jo ward es bestimmt, wenn ich das achtzehnte Jahr erreicht haben würde, auf eine Hochschule nach Frankreich abrcisen, weil ich in Gorea nicht Gelegenheit hatte, meine Studien zu vollenden. Noch fehlten nur einige Monate zu dem festgesetzten Zeitpunkt der ersehnten Abreise, da wurde ich von einer schweren epidemischen Krankheit überfallen, welche die schrecklichsten Folgen zurücklicß. Ein stiller Wahnsinn, welcher gegen vier Jahre anhielt, senkte'sich über meinen Geist. Gottes Gnade und eines verständige» Arztes unermüdlicher Eifer gaben mir endlich die Gesundheit und das unschätzbaiste Gut des Menschen, die Vernunft wieder. Aber mein Retter verbot mir, auf wenigstens zwei Jahre, jede anstrengende Geistesarbeit, und so war ich genölhigt, meinem Lieblingsplane zu entsagen."
„Traurige Familiencreigniffe trugen sich jetzt in unserm Hause zu. Die Ausschweifungen und Verschwendungen meines verzogenen Bruders wurde» immer ärger, so daß dem verblendeten Vater endlich die Schuppen von den Augen fallen mußten. Ader die väterlichen Ermahnungen, selbst die erzwungene Härte kamen jetzt zu spät. Etienne besserte fick nicht, er stürzte sich vielmehr von einem Strudel der Leidenschaften in den andern. Große Summen waren schon für ihn bezahlt worden, aber sie reichten nicht hin, die täglich anwachsenden Schulden zu decken. Der unglückliche Iüngling beschloß endlich die Reihe seiner jugendlichen Vergehungen durch ein großes Verbreche». Er entfloh heimlich von Gorea und nahm den größten Thcil unsrer Handlungskaffe mit sich. Die Vermögens- umftände meiner Eltern wurden dadurch auf einmal sehr zerrüttet."
„Ach, das war noch nicht das Schlimmste. Schreck, Zorn, Schmerz und Reue wirkten mit vereinten Kräften auf die ohnehin schon geschwächte Gesundheit meines Stiefvaters so mächtig ein, daß er bald den Leiden unterlag. Mit tiefem Grame und Herzeleid schied er aus diesem Leben."
„Ich mußte nun meinen ganzen Fleiß aufbieten, um.den Ruin unsres Hauses zu hindern. Die§