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Manuele.

(Fortsetzung.)

Die Gegend, idurch welche Manuele zog, bot einen lachendern Anblick dar, als die Ebene, durch welche am verflossenen Tage die Wanderung ge­gangen war. Kleine Gehölze voll wohlriechender Blumen wechselten mit Gruppen von Gummi- und Ebenholzbäumen ad. Der Weg war so dicht be­schattet, daß die Wandernde unter einem bedeckte» Baumgange zu gehen.glaubte. Sie genoß trotz der Hitze, die von früh um 9 bis Nachmittag um 4 Uhr in diesem Himmelsstriche unausstehlich ist, doch heute unter den kühlen Laubdächern einer so milden Temperatur, wie die letztere im südlichen Europa nur während der schönen Jahreszeit herr­schend ist.

Gegen Mittag erblickte Manuele auf einem klei­nen Hügel einige KoknSpalmcn. Sie war sehr er­freut über diesen Anblick. Die liebliche Frucht des schönen Baumes diente ihr zu einem schmackhaften Mittagsmahle, nach welchem sie sich schon seit ein paar Stunden gesehnt harre. Neue Kraft schenkte ihr diese Labung und nach einer kurze» Ruhe setzte sie ihre Wanderung wieder fort.

Der Weg wurde nun immer gebirgigter und daher auch beschwerlicher. In den tiefen Thälcrn sad man Spuren der von den benachbarten Anhöhen herabgestürzren Bergströme: der Sand, welchen sie mit fortgeschwcmmr hatten, war fcucrroth. Die üppige Vegetation Hörtel, je höher Manuele stieg, immer mehr auf, und in den hochliegenden Lhälern war von Grün fast nichts mehr zu sehen. Obgleich dieser Anblick eben nicht augenchm seyn konnte, so war es für Manuele doch eine freudige Ueberraschung, als sie, auf einem sehr düster» Platze, wo das Auge nichts als röthlichgraue Steine erblickte, das Ge­murmel eines Quells hörte. Seit vorgestern war kein Tropfen Wasser über ihre Lippen gekommen. Zwar.hatte der Saft der Tamarinden und Kokus- Früchte sie erfrischt, doch war der Durst, den sie so oft empfunden, nie vollkommen gelöscht worden. Die lieblichste Musik hätte ihrem Ohr nicht ange­nehmer klingen können, als jetzt das einfache Ge­räusch des aus den Steinspalten hervorriesclnden Bächleins. Sie eilte, den Quell aufzusuchen und fand ihn bald. Sein Wasser sah zwar nicht klar aus, denn cs hatte eine braunrothe Farbe, aber es schmeckte der Durstenden doch vortrefflich, und nichts

bedauerte dieselbe mehr, äls: baß sic kein Gefäß bei sich hatte, um von dem herrlichen Getränke et­was mitnchmen zu können.

Sie blieb über eine Stunde sitzen und erquickte sich zu verschiedene» Malen durch den erfrischenden Trank. Als sic ausstand und in der Gegend um­herspähte, um sich die Richtung ihrer ferneren Wan­derung zu bestimmen, erblickten ihre Augen nicht allzuweit von ihrem Standpunkt einen betreten.» Pfad.Hier sind Menschen gewandelt," iics sic freudig:fort aus dieser Spur, vielleicht sühn sie mich endlich zu menschlichen Wohnungen!"

Sie schlug nun den neu entdeckten Weg ein, welcher einen steilen, völlig kahlen Hügel hiuan- führte. Die Oberfläche der Scuenwänbe desselben schienen wie von Feuer ausgebrannt zu seyn und war hier und da von eisenhaltigen Felsstüekcn durch­brochen. Mit Anstrengung s erstieg Manuele die nicht unbeträchtliche Höhe und hoffte, daß eine schöne Aussicht auf ein freundliches mit Hütten besetztes Thal sie für die gehabte,Mühe vollkommen belohne» würde. Aber sie täuschte sich und düstre Betrachtungen erfüllten ihre Seele, als sic, von diesem Kulme aus, eine weite Strecke Landes über- blickte, welche überall von hohen felsigen Bergen, zwischen denen fürchterliche Abgründe lagen, durch, schnitten war. Wohin ihre Augen schweiften, zeigte sich ihr das Bild der -Trauer, nur hie und da unterbrachen einige am Fuße der steilen Berggründe sich ausbreiicnde Wiesen die melancholische Einför­migkeit der Ansicht.

Der Lag ging zu Ende und Manuele mußte sich bald nach einem Nachtlager umsehen. Zwar boicn mehrere bedeckte Stcinklüfte der Ermatteten bequeme Ruhestätten an; allein diese Höhlungen konnten leicht wilden Thicrcn zum Schlupfwinkel dienen; daher zog die Wandernde es vor, in das vor ihr liegende Thal hniabzusteigen und sich dort einen Baum zur Nachthcrderge auszuerschcn, der ihr zwar weniger Bequemlichkeit, aber größere Si­cherheit als diese Fclsenwohnungen gewähren würde. Der schmale Pfad führte rechts an einer steilen Bergwand und links an einem schauerlichen Ab­gründe hinunter. Manuele durfte sich keinen Sei­tenblick erlauben, wenn sic nicht vom Schwindel ergriffen werden,wollt; die Augen starr vorwärts gerichtet, mußte sie mit festem sichern Tritte auf der gefährlichen Bahn abwärts schreiten. Endlich gelangte sie in das Thal und erblickte einen wün- schenswerthen Gegenstand. Es war dies ein maje«