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DiL Mühle am Walde.

(Beschluß.)

Als sie wieder erwachten, war es schon Abend, Mid sie wußten nicht, wo sie diese Nacht wieder zu- bringcn sollten. I» jder Hoffnung, in dem Lhale vielleicht eine Hütte oder wenigstens einen bequeme­ren Ruheplatz zu finden, machten sic sich aus de» Weg, und zogen längs der Felsen und Bäume hin, die das Thal umschlossen. Sie waren noch nicht weit gekommen, als sie in ziemlicher Entfernung ein Thier erblickten, das sie Anfangs für ihr Maul- thicr hielten: als es aber näher herdey kam, sahen sie, daß eine Ziege war; sie sprang in einer Entfernung von wenigen Schritten an ihnen vorü­ber, und wollte eben in dem Gebüsche verschwinde», als sie plötzlich von einer Kugel getroffen nieder- sank. Ehe noch die erschreckte» zu sich selbst kom­men konnten', raschelte es im Gebüsch, ein Mann mit einer Flinte in der Hand trat hervor, aber sie erschracken nicht, sie flohen nicht, sondern mit dem Frcudcngeschrey:der Vater, der Vater," hingen auf einmal alle drei an seinem Halse. ,Es war wirklich ihr Vater, an dessen Brust sie jetzt lagen, lind der ihre Liebkosungen.mit väterlicher Zärtlich­keit erwiederte.Wo ist die Mutter? wie habt ihr Euch gerettet's" und andere ähnliche Fragen häuften sich jetzt eine aus die andere; aber der Va­ter begnügte sich mit der Antwort, die Mutter scy wohl und gesund, und verschob die Beantwortung der unzähligen Fragen auf eine andere Zeit.Folgt mir für jetzt," sagteer, indem eine Thräne der Wehmuth in feinem Auge perlte,in meine jetzige Wohnung, und sagt mir dann, wie sie euch ge­fällt." Mit diesen Worten nahm er die geschossene Ziege auf die Schulter, und schritt langsam durch das Gebüsch hin, umringt von seinen Kindern, die mit gespannter Erwartung und sich auf das Wie­dersehen ihrer Mutter freuend neben ihm hergicnge».

Immer dichter wurde das Gebüsch, kaum konn­ten sie sich noch durch die dichtvcrschlungenen Zwei­ge durcharbeiten, da machte der Vater endlich Halt, und sic standen vor den ungeheuren Fclscnmasscn, die das Thal umstarren. Der Vater legte die Ziege ln ein dichtes Gebüsch, bückte sich dann etwas, bog einige fest verschlungene Zweige zurück, schaffte einige große Steine auf die Seite, und bald wurde der Eingang einer Hohle sichtbar. Line Strecke weit

! war die Hbhle sehr niedrig und eng, und die Eintre- tcnden konnten nur gebückt und eines nach dem andern gehen, aber nach und nach erweiterte sich der Gang, und jetzt standen sie auf einmal vor einem weiten, hohen, geräumigen Felsengemach. Kleinere und grö­ßere Ritzen und Spalten verbreiteten von oben herab ein mattes Licht in der Höhle, deren Boden im Vor­dergründe ganz mit kleinen Steinchen bedeckt war. Weiter hinten lagen einige Schichten Moos und Gras, und auf der Seite bemerkte» die neuen An­kömmlinge mit Erstaunen zwei Körbe mit Schild­kröten ungefüllt die ganz den ihrigen glichen.

Alles dieses übersahen die Geschwister mit einem Blicke, es konnte ihre Aufmerksamkeit für jetzt nicht länger fesseln, ungeduldig blickten sie überall umher um sich ihrer Mutter in die Arme zu werfen, aber es war kein lebendiges Wesen in der ganzen Höhle zu schon.Wo ist denn die Mutter?" riefen jetzt die Kinder mit Einer Stimme, gegen den Vater ge­wandt.Kommt," enkgegnete dieser,sie wird bei dem Maulthier scyn," und mit raschen Schrit­ten gicng er durch das hohe Felscngemach hindurch die Kinder folgten ihm, und kamen jetzt wieder an einen engen und niedrigen Gang, der aber nicht so lang war, als der erste. Als sie sich durch denselben durchgewundcn halten, standen sie an einem kleinen offenen Rasenplatz unter freiem Himmel, der aber rings von hohen Felsen umgeben, und ohne eine an­dere Auesicht war, als an den Himmel hinauf. Hier erblickte» sie die Mutter ängstlich in eine Ecke ge­drückt, die aber als sic die geliebten Ankömmlinge sah, freudig aufsprang, und sic entzückt an ihre Brust drückte.

Als der erste Sturm der Freude vorüber war, ge- wahrten die Geschwister erst, baßste noch ein Wesen bewillkommen wollte. Nebenjibnen stand das Maul- thier, das, den Kopf an sie drückend, sic um Liebko­sungen zu bitte» schien. Freudig klopften sie dem treue» Thier auf den Hals und Rücken, fragte» aber staunend, wie es hierher gekommen scy.Geduldet euch noch ein wenig mit euren Fragen, liebe Kin­der," erwiederte der Vater,wir wollen jetzt'wieder in die Höhle hineingchen, die Ziege zuberciten und uns beim traulichen Schmause unsere gegenseitigen Schicksale erzählen." Die ganze Gesellschaft ging nun durch den engen Gang wieder in die Höhlt hinein, und während der Vater mit Markos dieselbe auf dpr andern Seitewieder verließ, um die geschos­sene Ziege und Brennholz herbeizusch affen, warf di«