Offizielle Neuigkeiten über Ihre Hoheit die Giraffe.
Lyon, dcnSten Juni 182?,
Die Hobe und mächtige Dame Giraffe, mit so vieler Ungeduld seil vielen Tage» erwartet, langic heilte hier an im blühendsten Gesundheitszustände, ohne von den überstandcnen Reiscbcschwerden ermüdet, oder von dem, seit einem Monat herrschenden strenge» Wetter angegriffen zu seyn.
Ihre Hoheit gestattete heute keinen 'Zutritt zu Ihrer Person, wie man gehofft hatte! sie soupirte mit vielem Appetit, und Alles deutet an, daß sie eine vortreffliche Nacht haben wird.
Die Equipage der erlauchten Reisenden kehrte km Hotel cle krovence ein, wo ihr eine sehr anständige Wohnung bereit gehalten ward, wie man es immer mit allen berühmte» Individuen zu halten pflegt, die dies Haus während ihrer Anwesenheit mit ihrer Gegenwart beehren. An die Thür war ein Ehrenposten gestellt.
Den 7. Juni.
Die erhabene Fremde schlief sanft und ruhig sieben volle Stunden. Beim Erwachen ward ihr ein geräumiges Gefäß (man nennt es sonst Kübel) mit Milch angcboten, welches sie anzunehmcn geruhte; und sic schien die Milch der Kühe aus der Meierei,,zum goldnen Kopfe" schmackhaft zu finden. Nach eingenommenem Frühstück ward Dame Giraffe froh und guter Dinge, was angenehm zu schauen war.
Der Herr Präfect, der Maire, und andere in Amt und Würde stehende Personen ibegaben sich nach dem llütd cke Provence, um der außerordentlichen Abgesandten des Pascha von Egypten Besuch abzusiaiten, wobei Dame Giraffe den Wunsch g blicken ließ, eine Promenade zu machen. Um ihr einen vorthcilhaften Begriff von unsrer gute» Stadt deijubringen, führte man sie weder nach der weißen Kohle» st raße, noch in den schwarzen Sack — noch in andere schmutzige und ungesunde Viertel des OrtS — sondern man zeigte ihr den Platz von Schönhof, (Llsce cke Ldlecour), wo sie mit besonderem Interesse das Roß von Er; zu betrachten schien, worauf Ludwig der Vierzehnte sitzend abgebildet ist.
Der schmeichelhafte Empfang, welcher ihr von
50t —
Seiten der Lyoner zu Thcil geworden, wird ohne Zweifel im Gcmüth der großen Reisenden angenehme Erinnerungen zurücklaffen.
Um das Volk in ehrerbietiger Entfernung von Ihrer Hoheit zu halte», hatte man ihr auf ihrem Spaziergang ein Piquet Kavallerie und ein Peloton Fußvolks als Ehrenwache beigegcben. Die Reiterei hatte den Säbel in der Faust, und machte der erlauchten fremde» Platz, während die Infanterie den Zug schloß. Alles lief in größter Ordnung ab; bemerkenswerth ist es aber, daß die National« garde dabei nicht ihre Dienste angeboten. Man glaubt nicht, daß die Abgesandte vom Nil unsre Fabriken in Augenschein nehmen werde.
Nachschrift. Unsere erhabene Besucherin hat einen Anfall von Unverdaulichkeit gehabt. Es scheint, daß die Abgeschmacktheiten mancher Art, die sie über ihr Vaterland, ihr Geschlecht, ihre Sitten zu Markte bringen hörte, und worauf sic sich, ohne Zweifel aus Wohlwollen und ^Artigkeit, Aller berichtigenden Antwort enthielt-ihr das Nebel verursachten, welches jedoch glücklicher Weise keine Fol. gen hatte. Es waren Leute da, die ihr das Brech- purgativMittel von Leroi vorschlugen; die hohe Fremde aber erlaubte sich, dem Rath nicht zu folgen, und wir sind stark versucht, zu glauben, daß sic diesmal durch ihre egyplisch-natürliche Weisheit gerettet worden.
- D en 8 ten Iunk.
'Die Giraffe befindet sich heute im besten Wohl» seyn, und geruhte noch einmal sich das Vergnügen einer Promenade auf dem Rasen des Platzes Lei. lecorii- zu gestatten. Die Menge der Neugierigen, welche herbeigcströmt sind, die edle Reisende zu sehe», während sie sich ihren Blicken auszusetzen, der Mühe werth fand, war noch größer als gestern.
Die bestallten Autoritäten der Stadt bezeugten dem Rciscmarschall Ihrer Hoheit, Herrn Geoffroi- Saint-Hilaire den Wunsch der Bevölkerung Lyons, die Ruhm- und PrciSwürdige aus Egypten, deren Sanfrmuth ihrer Schönheit gleichen soll, noch länger bei sich zu beherbergen; der Ehrenwerthe Akademiker gab aber zur Antwort: Dame Giraffe wäre sehr betrübt, sich so schmeichelhaften Aumn« thungen entziehen zu müssen —aber der König ihrer vaterländischen Gefilde, der Löwe, erwartete sie zu Paris, und sie sey verpflichtet, den Befehlen de- Königs schleunigst Folge zu leisten.