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Arme stürtzte. Die Jünglinge umringten ihn, und einer von ihnen hielt ihm ein Licht unter das Ge­sicht; keiner aber konnte seinen Vater erkennen, welchen der feuchte Kerker und die kümmerliche Nahrung gänzlich entstellt hatten. Ihr seyd unser Vater nicht, riefen die Jünglinge; Ihr seyd ein Betrüger; unser Vater ist schon zwei Jahre t.'dt; er wurde im Forst auf der Jagd erschlagen. Ihr wollt mich nicht erkennen, sprach Walther wei­nend, freilich hat man Such betrogen. Allein der Betrüger war der, welcher die Nachricht von mei­nem Lode aussprengte. Dieb old von Lüzel- bart war es, der mich zwei Jahre lang in der härtesten Gefangenschaft hielt. O! nun sehen wir's, riesen die Söhne, daß Ihr ein Betrüget seyd. Ritter Dieb old ist selbst mit seinen Knechten ausgczogen, um die Mörder unsers Vaters aufzu- ' suchen, und hat bei unserer Mutter über seinen Tod Lhränen vergossen. Dieser Zug, rief Wal­ther, fehlte noch, um ihn zum Teufel zu machen. Nun so holet mir Eure Mutter, diese wird mich nicht verkennen. Die vier Brüder verkündigten ihrer Mutter, die unruhig ihre Rückkunft erwar­tete, daß ein Mann, der sich fälschlich für ihren Vater ausgebe, sie zu sprechen verlangte. Frau! Hedwig besann sich einige «Augenblicke; dann L dachte sie bei sich selbst: vielleicht haben meine Kinder den Fremden mißverstanden, und er hat ihnen von dem Tobe meines Gemahls, oder von den Urhebern desselben, Kundschaft zu geben. Sie stieg daher hinunter an die Pforte, und hieß ihre Söhne im Hofe sie erwarten. Wo ist der fremde Mann? rief sie im Hcraustreten. Hier ist er, dein Gemahl, dein Walther; meine Söhne haben mich verkannt; wirb auch mein Weid mich ver­kennen? Eure Züge, sprach Hedwig, sind nicht Walthers Züge; aber Euere Stimme, wiewohl sie schwach und Heister tönet, hat Aehnlichkeit mit seiner Stimme. Dein Ohr, Dein Auge, erwiderte Walther, mag Dich täuschen, aber Dein Herz, das Herz meiner Hedwig wird mich nicht ver- läugnen. Gewiß hat es jenen Abend nicht verges­sen , da sie mir zum erstenmal ihre keuschen Arme vffnete; da ich ihr den Halskoller löste, und die

Erdbeere, die ich auf ihrer Brust entdeckte.

Ehe er ausreden konnte, hieng schon Hedwig an seinem Halse, und überschwemmte seine bleichen Wangen mit ihren Lhränen. Du bist es, ja du bist mein Gemahl, rief sie mit gebrochenen Worten»

Gott hat Dich mir wieder gegeben. Walther drükte sie mit zitternden Armen an sein Herz; er konnte lange nicht sprechen und als er den Mund wieder öffnete, theilte er seiner Gattin noch ver» schicdene geheime Wahrzeichen mit, welche alle ihre Zweifel gehoben hätten, wenn ihr noch einer übrig geblieben wäre.

! Nun rief Hedwig ihre Söhne herbei: Umarmt « Euren Vater, er ist es, ich schwöre es Euch bei ! meinem Muttcrherzen. Die Söhne warfen sich ih- i rem Vater zu Füßen, und baten ihn um Verzeihung Walther hob einen nach dem andern von der Erde, umschlang ihn mit seinen Armen und drückte seine Lippen auf ihre Lippen. Dan» führte Hedwig ihren Gemahl, von seinen Söhnen umringt, in die Burg, wo er ihnen die Verräkherei seines Detters Diebold und seine Erlösung durch den getreuen Ru bl in erzählte. Deö folgenden Morgens war großer Ju­bel im .Schlosse; das gestimmte Hofgesinde drängte sich herbei, um seinen guten Herrn zu bewillkommen.' Walther reichte ihnen seine abgezehrte Hand, an der noch die Wählzeichen der Fesseln zu sehen waren. Alle küßten sie, und netzren sie mit ihren Lhränen. Nach etlichen Lagen schrieben die Söhne einen Brief an alle Verwandte, Freunde und Ledcnleute ihres Vaters, und klagte» ihnen, wie ehrlos Die- bold von Lüzelhartan ihm gehandelt, wie er ihn heimlich entführt und in einen schreklichen Ker­ker geworfen habe, um ihn darinn verschmachten zu lassen. Sie forderten alle diese Männer im Namen der Ehre und Freundschaft auf, mit ihnen auszu- zichen, um diese Unbilde zu rächen- In der fol­genden Woche erschienen die Freunde des Herrn von Geroldsck mit zweihundert Reisigen auf sei­ner Burg, und rückten gegen das Schloß Lüzel- hart, bas sie zehen Tage lang belagerten. Die­bold wehrte sich anfänglich mit dem Muthe der Verzweiflung; als aber die Lebensmittel ausgicngen, u. er seine Leute/ anstatt liebreich siez» trösten, täg­lich grausamer behandelte, so wollten sic ihn zwin­gen, die Veste zu übergeben. Da entfloh der Ritter des Nachts durch einen untcrirrdischen Gang, und niemand wußte, wo er hingekommen war. Das Schloß aber ergab sich gleich am folgenden Morgen, und wurde gänzlich zerstört, wie man solches noch an dem Burgstall sieht. ^ .

Der biedere Rudlin wurde von Ritter W al- tbern mit seinem ganzen Geschlechte von der Leib­eigenschaft losgesprochen, und mit schönen Gütern und stattlichen Freiheiten begabt, welche er aus seine spätesten Enkel vererbt hat.