und löste de» lese befestigten Deckel, welchen der Lodtengräber heraufzog. Da lag die arme Fclicie zwischen den kühlen Erdwänden, bleich und schön wie eine geknickte Lilie. Der blasse Jüngling schien ihre Schläfe nur leise berührt zu haben, denn ihr Lodesschlof glicch einem sanften kurzen Schlummer, von dem man neu gestärkt wieder erwacht. Kein Zug der Zerstörung, nicht die mindeste Verzerrung war aus dem holden Antlitz zu sehen. Lieblich, wie sie im Leben blühte, lag hier die gebrochene Rose. Die zarten Hände ruhten gefaltet aus der bochgc- wölbten Brust, und um den kleinen Mund schwebte noch ein sanftes Lächeln. Ach, sie mußie mir einer freudigen Hoffnung, mit einem schonen Traume hinüber geschlummert scyn!
Mit stummem Schmerze betrachtete eine.lange Weile Antoine de» schlafenden Engel, zu dessen Füßen er kniete. „O Felicie!" ries er endlich: ,,so muß ich Dich Wiedersehen nach langer Trennung. Wiedersehen im dunkeln Schoos des Grabes. O Du armes schuldloses Schlachiopscr der elterlichen Willkühr! was magst Du gelitten haben, che der Gram Dein edles Hqrz brach. Und doch sichst Du auch im Tode noch so mild und freundlich aus, und die sanften Züge Deines Angesichtes, scheinen den Peinigern, die Dich langsam und fühllos würgten, Verzeihung zuzulächeln. — Ü ihr holden Lippen, die jetzt der Tod so fest geschlossen hält, wie oft mögt ihr leise meinen Namen gelispelt haben! Laß Dich noch einmal, zum Letztenmal betrachte», Du holdes EngelsAntlitz. Zum Letzten- male! o du schweres schauerliches Wort oor dein die fühlende Menschcnbrnst erbebt! — Leb' wohl Du schöne bleiche Hülle! Laß mein Gram beladenes Haupt noch einmal auf Dir ruhen, ehe die gräßliche Verwesung ihre zerstörende Macht an Dir übt! — Trauerst du nicht, Schöpfung, daß eines deiner herrlichsten Meisterstücke hier in Staub und Moder zerfalle» soll's — O Fclicic! meine süße, theure Felicie!"
Er küßte die blaffen Wangen und leFte dann schluchzend sein Angesicht auf die Brust der starren Geliebten. Eine lange Weile blieb er in dieser Stellung, während der Todlengräber oben am Rande des Grabes auf ihn hinabschaulc. Es war eine traurig-schauerliche Pause. Auch die Natur schwieg jetzt; des Windes Brausen hatte sich gelegt, kein Blättchen rauschte, kein Lüftchen rührte sich, keines Vogels leiser Flug schwirrte durch die
leeren Räume —nur aus dem offnen Grabe heraus tönte bisweilen des klagenden Jünglings sanftes Weinen. — Die Uhr aus dem Kirchthnrmc schlug jetzt Eins. Da brach der Alte Jacques das feierliche Schweigen und sprach: „Kommen Sie jetzt herauf, lieber Herr, und lasse» Sic nun die Tod!« in Frieden ruhen. Sie können sic doch nicht mehr durch Klagen oder Liebkosungen erwecken- Füge» Sie sich demuthsvoll und mit frommer Seele in den Rathschluß des ewigen Vaters; er dünkt ihnen zwar jetzt hart, aber er ist doch gewiß weise und gut!"
Antoine hörte nicht auf des Alte» Rede. Noch einige Minuten hielt er die starre Fcljcie umschlungen und es war ihm, als sei Alles um ihn her vergangen, und er lcde nur einzig und allein mit seinem ungeheuer» Schmerze. Aber plötzlich sprang er empor und ries: „Heiliger Gott, lhust Du ein Wunder — oder berückt mich eine Täuschung's — Nein, nein! es ist kein Wahn! in diesem Körper glimmt noch Lebe», in dieser Brust ist noch einige Wärme und ein leiser Pulsschlag wird fühlbar. Fclicic ist noch nicht todl! O Allmächtiger, der du Millionen Welten schufst, dir ist es ja ein Leichtes, diesen Rest von Lebenskraft zu neuem Lmporkeimcn zu erifalrcn! Ü Vater im Himmel, vollende dieß Wunder Deiner Allmacht!"
Dem alte» Jacques ward bange. Er glaubte, der Jüngling rede irre. „Um Gotteswillc» kommen Sie heraus, lieber Herr I" schrie er hinunter und reichte Antoine seine Hand hinab, um ihm empor zu helfen. „Lassen Sie sich durch kein Blendwerk täuschen, das Ihre wild aufgereitzte Einbildungskraft Ihnen vorspjegclt. Die Tobten kehren nicht mehr ins Leben, entflohene Seelen nicht mehr in ihre Leiber zurück!"
Mich täuscht kein Blendwerk! rief Lalour. Fe- licie war noch nicht tobt, man hat sie lebendig begraben. Bei Allem was Dir heilig ist, Jacques, beschwör' ich Dich! hilf mir den Sarg aus dem Grabe heben. Vielleicht gelingt cs unfern vereinten Bemühungen, die Bande der Starrsucht zu sprenge» und die Lebenskraft derSchcinkodten aufs Neue zu wecken. L Gott, du hast mich in meinem tiefsten Schmerze nicht erliegen lassen, erhalte mir nur jetzt meine Sinne!
Halb zweifelnd, halb glaubend gehorchte der Todtengräbcr seines Wohlthäters Worten, sprang in die Grude hinab und hob mit Antoine de» Sarg