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sein Anblick rief ihr täglich den schrecklichen Aus­tritt vor die Seele, wie sie durch die empörendsten Mittel zu dem Schritte gezwungen worden war, de» sie in halber Verzweiflung gethan batte. Kein Wunder also, wenn sie den Mann nie lieben lernte, der sich ihr zum Gemahl aufgcdrungcn. Sie haßte ihn; aber die Furcht vor ihm war die Erzeugerin einer listigen Verstellungskunst, durch welche sie, die einst da§ natürlichste argloseste Mädchen gewe­sen war, legt den trugoollen, gegen alle seine Die­ner mißtrauischen Tbronräuber täuschte. Diese» aber blendete seine Leidenschaft; er schmeichelte sich mit dem was er wünschte, und glaubte stich von der reizende» Frau geliebt, wenn diese ihr wahres Gefühl tief >m Innern verbergend, mit freundlicher Sanftmutb ihm cntgegenkam, und seine Emvsindun- gen zu thcilen schien. Als ihm nun gar Almuna einen Knaben gcbar und mit der mütterlichsten Zärt­lichkeit an ihrem Kinde hing, da hielt er sich fest überzeugt, daß ihre frühere Liebe zu dem ictzt halb vergessenen Juzef völlig erloschen scn. Aber diese Liebe glühte noch mächtig in dem Herzen der un­glückliche» Königin , die mitten in ihrem Glanze sehr arm an Freude» war, und nur in dem kind­lichen Lächeln ihres unschuldigen Kleinen einigen Ersatz für ihre schweren Opfer fand. Doch auch diese Wonne wurde ihr sehr bald durch den Tod ihres würdigen Vaters, des Statthalters von Al- hama getrübt. Sic verlor in ihm den einzige» treuen Freund, gegen melcbcn sie ganz aufrichtig scyn, in dessen Brust sie alle ihre Geheimnisse aus- schütten konnte. Er hatte ihr oft cingcschärft, sie möge alle ihre Blicke, Worte und Handlungen, kurz ihr ganzes Selbst sorgsam bewachen; und sie war dieser Lehre immer eingedenk.

Zu Ende des dritten Jahres seiner Gewaltherr­schaft unternahm König Muhamad, um dem seit einiger Zeit sehr gesunkenen Waffenruhmc des Is­lams einen neuen Aufschwung zu geben, und um die Flecke», die an seiner Ehre klebten, durch glän­zende Rittcrthate» auszulvscben, oder doch zu über- tünchcn. einen Einfall in die Grenzgebiete der Christen. Im Anfänge war er glücklich; mehrere in der Eile ihm cntgcgcngeschickte Reiterhaufcn der Feinde schlug er zurück und verbreitete Schrecken lind Verwüstung auf den Fluren Andalnstens. Als er aber aus das wohlgerüsiete vom Großmeister von Calauava geführte Haupthcer der Kastilianer stieß, da schlug ihm die ernste Stunde der Ver­geltung. Seine Scbaaren wurden auscinanderge- sprcngt und beinahe gänzlich aufgerieben. Die Blüthc des granadischen Adels sank unrer den Streichen der ergrimmten Sieger; nur Wenige retteten sich durch die Flucht. Auch Muhamad entkam, obgleich er schwer verwundet worden war. Todtkrank erreichte er die Hauptstadt seines Reichs. Hier hatte steh Vieles zu seinem Nachthell geän­dert. Ein großer Theil seiner frühern Anhänger, die unter seiner Regierung goldne Lage hofften, und sich getäuscht sahen. war schon seit längerer Air hhchst mißvergnügt geworden. Doch hatte es

k noch Niemand gewagt, dieses Mißfallen öffentlich H zu äußern, da Jeder die Kraft und Strenge des z Usurpators kannte- Als aber mit dessen Glück auch die Furcht vor ihm zu schwinde» anfing, da erho­ben fick auch schnell laute Stimmen des Unwillens. Kaum war durch die ersten Flüchtlinge die Schre­ckensnachricht von der Niederlage des Heers nach Granada gelangt, so ging auch schon unter Hohen und Nieder» das Gerücht umher: der König habe aus Absicht die tapfern Schaaren dem Feinde zur Schlachtbank gcfübrt; ihm scy darum zu lhuu ge­wesen, die edelsten Geschlechter limkommcu zu las­sen damit er nachher uneingeschränkter regieren könne- daß er selbst verwundet worden, müsse mau nur als einen Zufall, oder vielmehr als cincStrafe von Oben betrachten, den» seine Tapferkeit sey nicht von der Art gewesen, daß sic ehrenvolle Wun­den gesucht habe. Nun hörrc man nur Lästerrc- den auf den, welchen man noch wenige Wochen 'vorher bewundert hatte- ,,Er ist," so hieß es: ,,eiu Feind Gottes und des Volks, denn er hat den Frieden mutbwkllig gebrochen, der dem Lande s noch ferner so nötbig war, und die grimmigsten

- Gegner des Islams zur wüthende» Rache wider ! die Gläubigen gerecht. Das Reich Granada steht f am Abgrunde des Verderbens, bald wird es eine i Beute der Christen werden! Nur der schändlichen s Herrschgier und dem rasenden Ehrgcchc unscrs un- i rechtmäßige» Fürsten haben wir dieses Unglück zu- l zumessci! l O wenn doch statt seiner der edle ! friedliebende Juzef uns regiert hätte, der widcr-

- rechtlich des Thrones beraubt wurde."

l Muhamad erfuhr bald nach der Ankunft in sei- r ncm Pallast, daß er mit dem Ruhme seiner Un- i übcrwindlichkeit auch zugleich die Liebe seines wan- z kelmütbigen Volks verloren habe. Es kam zu sei- , »c» Ohren, was man im Gchcimc» und öffentlich über ihn geäußert hatte. Der Ingrimm, den er . darob empfand, verschlimmerte seine Krankheit.

Almuna weilte oft an seinem Schmerzenslager und ^ aus ihren Händen nahm er am liebsten die widrig z schmeckenden Heilmittel. Trotz der Versicherung f der Aerztc: daß seine Gesundheit wlederkehren werde, f fieng er doch an zu ahnen, seine letzte Stunde scn s nicht mehr alizufern und er werde die seinem Bru- ,! der geraubte Krone wohl am längsten getragen ha- ' den, Sic ihm wieder zu überlassen, war das bit­terste Gefühl, was ihn durchdrang.Nein, der Verhaßte soll nicht herrschen!" so murmelte er dumpf vor sich hin.Lieber will ich mir der berzeugung: das Reich wird während der Unm«!^ digkeil meines Kindes von der wildeste» Anarchie zerrüttet werden, in die Gruft hinabffnke», als mit dem auälenden Gedanken dahinfahren: Juzef wird dein Nachfolger seyn. Er muß sterbe»! Noch ehe ich meine Augen schließe, will ich sein Haupt sehen. Nicht allein der Haß, nein auch die Vater­pflicht gebietet mir diesen Mord; denn so lange mein Bruder athmet, kann mein Sohn nimmer den Thron von Granada besteigen.

(Fortsetzung folgt.)

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