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einem großen Humpen zusammengegossen wurde, aus welchem Jeder der Reihe nach trank. Dieser Umstand machte mir einige Hoffnung. Wenn eS mir gelange, dachte ich: das Opium in den großen Weinbecher zu schütten, so möchte Rettung wohl noch möglich sein.. Ich wurde in meinen Be. trachtungen bald aufgesiört, denn Jeronimo lud mich ein, an den Freuden der Tafel Theil zu nehmen. So widrig mir dieß Gast­gebot auch war: ich durfte, um die wilden Mordgefellen, in deren Gewalt ich gegeben war, nicht böse zu machen, es durchaus nicht abschlagen. Ich setzte mich an das Ende des Tisches, hatte aber Mühe, von der mir Vorgesetzten Speise etwas zu genießen. Oft schaute ich mit ängstlichen Blicken nach der Uhr. O Himmel! schon zwei Stunden wa­ren von der Frist verstrichen. Ich betete still zn Gott, daß er bald Rettung senden möge. Als ich etwas Muth gesammelt hatte, begehrte ich zu trinken. Ich erwartete, mach werde mir den großen Pokal reichen, und bei dieser Gelegenheit hoffte ich das Opium unvermerkt in den Wein fallen zu lassen.

Aber ich tauschte mich. Jeronimo be­fahl seiner Frau, ein Glas zu bringe», schenkte eS voll, und reichte es mir. Nun, Ka­meraden! sagte er daraus zu seinen Spieß­gesellen: seht Euch das Mädchen einmal ge­nau an. Gefällt sie Einem unter Euch ? Ich zweifle, daß man sie ausiösen wird. Sie muß alsdann entweder sterben, oder Einem von uns zugehören, und den Ban- ditenEid schwören. Wenn sie aber Keiner mag, nun so ist ihr Tod

Ich nehme sie!" rief ein Räuber auf- stehend.Schon lange Hab' ich ein Schätz­chen für mich allein gewünscht. Er trat zu mir. und schaute mich mit lüsternen wilden Blicken an, die mir daS Blut zu Eis star- ren machten. Es war der häßlichste Mensch, den ich je gesehen hatte. Auf seinem von großen Blatternarben sehr entstellten Gesichte kreutzten sich die Spuren von mehreren Sä­belhieben. Er hatte nur ein Auge, aber guS diesem blitzte die verruchteste Bosheit

hervor. Ein starker rother Knebclbart be. deckte den widrigen Mund.Lei fröhlich, Bräutchen!" sagte der Entsetzliche, mich auf die Backen klopfend:,Du sollst es gut bei mir haben. Wjx wollen ein lustiges Leben zusammen führen." Wenn sie aber nicht will ? fragte ein Anderer.Nun, so mache ich ihr den Garaus!" war die Antwort. Wer neun arme Seelen schon auf dem Ge­wisse» hat, kann auch noch die zehnte dazu nehmen."

O mein Gott! seufzte ich still bei mir: erlöse mich bald aus diesem Lasterpfuhl, oder laß mich lieber sterben, als die Beute die­ses Scheusals werden.

Die Hälfte der Frist war bereits verstri­chen; immer höher stieg meine Angst. Lo- retta füllte noch einmal den großen Hum­pen, und legte sich dann schlafen. Die Räuber tranken und jubelten fort, erzählten einander fürchterliche Mordgeschichten, und rühmten sich einer Menge von Gräueln, die ein Jeder verübt haben wollte. Wieder eine Stunde vergieng, und noch zeigte sich kein Ausweg zur Rettung. Immer hatte ich Von Minute zu Minute gehofft, die Räuber würden sich schlafen legen, oder Vielleicht einmal hinausgehen, aber sie blie­ben wie angewurzelt sitzen. Die Gefahr wuchs mit jedem Augenblicke; immer weiter rückte der Zeiger der Wanduhr, und immer näher kam der schreckliche Moment heran, der Tod oder Schande über mich bringen sollte. Wenn ich mein Heil auf Selbst, hülfe setzen wollte, so durfte ich keine Zeit mehr verlieren, und ein rascher Entschluß mußte ungesäumt ausgeführt werden.

Da blitzte es durch meine Seele, und dem Gedanken folgte rasch das Handeln. Ich fuhr auf einmal empor, als ergriffe mich ein freudiger Schreck.Gott sei Dank !" rief ich, wie in freudiger Begeisterung: meine Retter nahen; schon höre ich deut- lich ihrer Pferde Hufschlag!"

(Schluß folgt.)