„Das mußt du besser wissen als wir, antwortete der Aelteste; ich müßte mich sehr irren, wenn du sie nicht entwendet hast."
„Dar gefallt mir. versetzte der jüngste Prinz; ihr selbst habt sie weggenommen, und nun soll ich es gethan haben."
„Hört mich an, sagte der zweite Prinz: einer von uns dreien hat sie gewiß, weil sonst niemand inS Gemach kommen konnte. Habt ihr nichts dagegen, so will ich den Kadi kommen lassen, der in ganz Kairo für den klügsten und scharfsinnigsten Mann gilt: er soll uns verhören, und ihm gelingt es vielleicht, den Entwcnder zu entdecken."
Die beiden andern Prinzen gaben ihre Zustimmung, und der Kadi ward geholt. Als man ihm den Handel erzählt hatte, sagte er: „Bevor ich, ihr Prinzen, entscheide, wer von euch die Steine genommen hat, bin' ich euch, aufmerksam eine abenteuerliche Geschichte mit anzuhören, die ich euch erzählen will."
„Es war einmal ein junger Mann, der sich in ein junges Mädchen sterblich verliebt hatte, und er war so glücklich, seine Liebe crwiedert zu sehen. Sie wünschten demnach beide nichts sehnlicher, als durch die Bande der Ehe vereinigt zu werden; die Eltern des Mädchens aber hatten mit ihr andere Absichten, sie versprachen sie einem andern, und der Tag der Vermählung wurde bald angesctzt. Wie sie dieß erfuhr, eilte sie zu ihrem Geliebten, und theilte ihm die traurige Na hricht mit. Der Geliebte war ganz außer sich, so daß sie ihn zu trösten suchce mit der Versicherung, sie wolle am Hochzcitabeiid, che sie ihrem künftigen Manne in'S Brautgemach folge, zu ihm in sein Haus kommen. Dieß Versprechen tröstete den Liebhaber einigermaßen, und er sah dem Abend mit der größten Ungeduld entgegen. Die Hochzeit wurde kurz darauf gefeiert, und wie nun am
späten Abend bas Brautpaar sich allein sah, sing die Braut bitterlich zu weinen an.^ Was fehlt dir? fragte der bestürzte Bräutigam. Was sollen diese Thranen? bist du mir etwa abgeneigt, so hättest du es früher sagen sollen, denn wider deine Einwilligung hält' ich dich nicht gcheu- rathet. Sie versicherte ihn, sie habe gegen ihn keine Abneigung. Aber warum bist du denn so traurig? Ich beschwöre dich, sage mir aufrichtig, was dich so betrübt? — Er drang nun so lange mit Bitten in sie, bis sie endlich gestand, sie habe einen Liebhaber, aber nicht sowohl die Neigung, die sie für ihn empfinde, als die Unmöglichkeit, ein ihm gegebenes Versprechen zu halten, ftp die Ursache ihres Kummers.
Der Ehemann, der die Aufrichtigkeit seiner Frau nicht genug bewundern konnte, versicherte ihr, ihr offenes Gcständniß ge- falle ihm so wohl, daß er statt ihr wegen eines unüberlegten Versprechens Vorwürfe zu mache», ihr gerne die Erlaubni'ß gebe, r§ zu erfüllen. Wie, rief sie erstaunt aus, ihr könntet zugcben, daß ich jetzt zu meinem Liebhaber gehe? — Ja, versetzte er, ich gebe es zu unter der Bedingung, daß du Vor Tagesanbruch wieder bei mir bist, und mir versprichst, nie wieder etwas Aehnliches einem Andern zu versprechen. Sie betheuerte ihm nun, dieß sollte gewiß das letztem«! sepn, daß sie init ihrem Liebhaber spreche, und sie werde von nun an ihre Treue ihm unverbrüchlich bewahren.
Der Ehemann öffnete nun die HauS- thüre ganz leise, damit keines von dem Gesinde von der seltsamen Geschichte et» was erführe, und seine Gattin ging hinaus in ihren Hochzeitklcidcrn, mit einer Menge von Perlen und Diamanten geschmückt. Kaum war sie zwanzig Schritte von der Thür, als sie Von einem Diebe angchalten wurde, der vor Erstaunen über den Anblick ihrer Schönheit und ihres