179

seiner oft und gern. Also doch nicht blo» der Musik wegen? Er war gut und brav. Haben Sie seitdem keine, gar keine Nach­richt von ihm? Keine. Ich möchte ihn wohl kennen. Erzählen Sie mir etwas von ihm. Wie sah er aus? Sie fragen sonderbar! Wie kann Sie das intcressi- ren? Doch! ich bitte sehr, schlagen Sie mir da« nicht ab. ES ist ja meine erste Bitte. Nun wohl, iS sep! Mein Detter ist merklich kleiner, als Sie; doch mag er wohl, seitdem ich ihn nicht gesehen habe, auch brav gewachsen sepn. Die Farbe der Haare hatte er ziemlich mit Ihnen gemein, am allermeisten aber gleicht er Ihnen in den Augen. WaS hatte er für Augen? Wieder eine sonderbare Frage! Soll ich etwa Ihren Augen eine Lobrede halten? Nein! wahrhaftig nicht! Ich bin in diesem Augenblicke viel zu sehr mit einem Paar fremden beschäftigt, um an die meinigcn denken zu können. Julie erröthete, den solche Wendungen waren ihr fremd, und der grüne Mann machte schnell ein Paar Gange auf dem Flügel, um ihr die Antwort zu ersparen. Dann wendete er sich rasch mit der Frage an sie: Sie sind Braut? Ich Braut? frug sie erstaunt. Ich bin nicht Braut. Sic sagte dieß letztere mit weicher, sinkender Stimme, und wendete sich schnell nach dem Fenster, in dem Augenblicke, wo der Unterförster hercintrat, um ihren Onkel etwas zu fragen. Der Fremde, der die Traurende mit den Augen begleitet hatte, wurde leichenblaß bei dem Anblicke dieses Mannes, und hatte kaum Kraft genug, rin Paar unzusammenhangende Akkorde zu greisen. Ehe Julie diese Veränderung bemerken konnte, war er schon wieder ge­faßt genug; um ihre theilnchmende Frage: Sind Sic krank? mit einem flüchtigen: Ein bloßer Schwindel, beantworten zu können. Jetzt kam der Wildmeister ziem­lich ruhig zurück, und bald war er wie­der bei seinem LieblingSthema. Ganz

unbefangen äußerte der Fremde: Mein bester Freund und Kriegskamerad heißt gerade auch Fritz, wie Ihr Sohn. Auch er ist ein Deutscher, und hat mir oft von seiner Heimath erzählt und von seinem alten braven Vater. Der Alte frug nach seinem Vaterland, und hörte, daß «S Westphalen sey. Wesiphaleu. Wie? Westphalen? fiel er dem Fremden hitzig in's Wort, und au» allen seinen Zügen sprach gränzenlosc Erwartung. Er war der einzige Sohn eines Forstbedienten. War? Einziger Sohn? Forstbedicnter? Wie begeistert sprang der Wildmeister bei diesen Worten vom Sessel auf, und er­griff den Fremden am Arm, indem er ihm zurief: Herr, wissen Sie wohl, wa» das heißt, eines alten Manne» spot­ten?? Mit sichtbarer Anstrengung ant­wortete dieser: ich spotte nicht. Er war au- Westphalen, der einzige Sohn eine» Forstbcdientcn, und hieß Fritz. Nach sei- nem wahren Familien - Namen fragte ich immer vergeben». Er antwortete mir! sollst mir gut sepn. nicht meinem Namen. Vor 2 Monaten sah ich ihn noch gesund und munter.

Gott! rief der alte Mann, Gott im Himmel! Er ist's, er lebt! Julie, Julie, er lebt!

Eben eilte sie, erschreckt durch sein laute» Rufen, herein, und konnte sich im ersten Augenblicke diese stürmische Freude nicht erklären; aber bald errieth sie au» einzelnen Ausrufungen den Zusammen. Hang, und stand ein Paar Sekunden de- wcgungrlo», die Augen starr auf den Fremden geheftet. Den alten hatte die Freu- de zu sehr angegriffen. Er sank erschöpft in seinen Armstuhl, und betete mit gefalte­ten Händen halbleisc: Guter Gott! ver» gieb mir, daß ich je an deiner Güte ver­zweifelte; daß ich gemurrt habe wider dei­ne Vorsehung! Verzeihe dem dekümmer- ten Valcrhcrzen, und gieb mir meinen Sohn wieder! Länger hielt eS der tief»