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Dieser Sohn war eS, den die schöne Julie meinte, und dessen Zurückkunst auch sie so sehnlich wünschte.
Unbekannt mit der Welt und den Menschen war sie ausgewachsen in dem einsamen Hause ihres Onkels, und dieser Fritz kaum 4 Jahre älter, als sie, von der frühsten Jugend an ihr unzertrennlicher Gespiele, wurde ihr in der Folge immer theurer, und zuletzt der Inbegriff aller ihrer leisen Wünsche«. Manche Thrä- ne hatte sie schon um ihn vergossen seit, ihrer Trennung! Sie durste sich ausweinen, denn auch der Alte betrauerte mit ewig neuem Schmerz, den Verlornen. Sie trocknete sich jetzt die sanften- dunkelblauen Augen, und griff nach einem Buch,, um sich zu zerstreuen; aber kaum hatte. fie angesangcn zu lesen, da klopfte Jemand leise ans Fenster. ES war. ein: Fremder.
Der. Wildmeister fragte nach seinem Begehren , und hörte,, daß er eim französischer Jager sep,. und um ein Nachtquartier. bitte. Bedenklich ichültelte der Alte den Kopf, denn er kennte da leicht, eine Schlange in- seinem Busen erwärmen,, doch siegte seine natürliche Gutmüthigkeit über jeden Zweifel. Der arme Mensch war von der Straße abgekommen , schom mehrere Stunden im Walde herumgeirrt, und halte die lange, rauhe Winternacht unter freiem Himmel zubringen mäßen,, denn weit umher war keine menschliche Wohnung zu finden. Er ließ ihm also die Thür öffnen, befahl aber zugleich seinen beiden Jagern, und dem in der Nahe wohnenden Untersörster— es war derselbe den jener unglückliche Schuß getroffen' hatte — alle Gewehre bereit zu halten, und die ganze Nacht munter zu bleiben.
Der ehrliche Werner ahnte nicht , wie wenig: er Ursache hatte, von diesem Fremdling etwas Böse» zu fürchten! —
Die sHöne Julie, hatte schon besseres
Zutrauen zu ihm. Leise flüsterte sie ih. rem Onkel in's Ohr: „Seh'n Sie nur wie gut und freundlich er aussieht! der thut uns gewiß nichts zu Leide. —
Hoher Sinn sprach aus allen seinen Zügen, und flößte ihr Zutrauen ein. Mit männlicher Schönheit, im Gefühl seines inner» Werthes, stand er stolz, und doch voll Sanstmuth vor ihr..
Zu seinem von der Sonne braunge- brannten. Gesichte paßten zwei schwarze, lebendige Augen sehr gut. Mehr als ein- mal sagte Julie zu sich selbst: Er ist ein schöner Mann, fast so schön als Fritz! Wenn er nur die häßlichen Narben nicht halte, und. den abscheulichen Schnurrbart!
Ein Säbelhieb zog sich von der Stirne bis' über, das linke Auge; ein anderer von der rechten Wange bis in den Winkel des Mlmdeö- wo er sich kaum sichtbar verlor. Weniger schön war sein Gesicht durch diese Narben, aber an Interesse hatte cs offenbargewonnen. Er sprach von seinen Schick- salen: iim Kriege, von den mörderischen Schlachten bei Ulm und Austerlitz, die er nutze kämpft hatte, und der Wildmeister hörte ihm. aufmerksam zu. Bald fühlte er. sich näher zu ihm hingezogcn, und erzählte ihm die Geschichte jenes unglücklichen Schusses. Für diesen Sohn, sagteer wehmüthig, habe ich gesammelt,, für ihn gepflanzt.. Ein: brave» Weib hatte ich ihm zugedacht; die Stelle hier war so gut als sein. Ach, es lag. eine schöne Atissicht vor mir!! Einer heitern glücklichen Zukunft sah ich entgegen! Und nun ist Alles vorbei. Alles, Alles verloren! — Ohne zu bemerken, daß dem Fremden die Hellen Thränen über die braunen Wangen rollten, entfernte er sich, um seinem Schmerz ungestört nächhängen zu können.
(Beschluß folgt.)
Auflösung der Charade in Nro. zb.
Br a u t j u n g f e r«