Nichte beS Kaufmanns kennen, deren sitt­sames und bescheidenes Betragen ganz der Abdruck ihre» gebildeten Geistes und Herzens war. Je langer er ihr anspruch­loses Wesen bemerkte, desto tiefer wurde der Eindruck aus sein Herz, in welchem sich bald die anfängliche Freundschaft und Hochachtung für sic in Achtung und Liebe verwandelt; so, daß er sich entschloß, um ihre Hand und Herz sich zu bewerben. Da auch sie Gelegenheit genug gehabt hatte, ihn genauer zu beobachten, so fand auch sie kein Bedenken, einverstanden mit ihrem Oheim, ihm Herz und Hand zuzu- sagen. Sie war die Tochter eines mal- thestschen Kaufmanns, der wieder nach seiner Insel zurückgekehrt war, nachdem er sie seinem Bruder gebracht, und dessen Datersorge ankmpfohlen hatte. Der jun­ge beglückte Mensch berichtete nun seine Wahl an seinen Vater nach Genua, des­sen Einwilligung er um so mehr erhielt, da daS Mädchen mit ihren Reihen auch »en Besitz eines ansehnlichen Vermögens Verband, und so entschloßcn sich denn nun Vie beide Liebende mit Genehmigung ih­res Oheims ihre Vermählung in Maltha bei dem Vater des Mädchen» zu feiern.

Alle drei traten mit den angenehmsten ÄuSsichlen und süßesten Hoffnungen i» da» Schiff. Ei» günstiger Wind ließ sie Haid die felsigte, aber durch den unermü- Leten Fleiß der Einwohner an den schön­sten Früchten so fruchtbar gemachte Insel Von weitem sehen. Schon jauchzten sie, eile sie den Hafen erblickten, und ihm im­mer näher segelten, als ein türkischer Ca­pe» auf sie lossteuerte, und ihr Schiff, zum Widerstande zu schwach, wegnahm. Sie wurden sogleich ngch Natolien, und zwar nach Smyrna gebracht, der berühm­testen Handelsstadt in der Levante, wo sie kein andere» Schicksal/alS ein elender Le­hen in türkischen Scljwenketten erwartete.

Kaum waren sie in dieser alten Stadt, Heu» Sammelplätze von Kaufleuten au»

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allen Erdgegenden, angekommen, als man sie auch, unter Empfindungen, die keine Feder zu beschreiben vermag, auf den Platz führte, wo die Sclaven, gleich dem Viehe verkauft werden. Man denke sich einen reichen venetianischen Kaufmann, und ein junges sich gegenseitig beglücken­des Paar, welches noch kurz vorher den freudigsten Hoffnungen entgegen sah, in dieser schrecklichen Lage, und man wird diesen Unglücklichen die innigste Theilnah- me nicht versagen.

Verschiedene Türken kamen herzu, um sie zu kaufen. Das junge achtzehnjäh­rige Mädchen wurde zuerst weggeführt, und von der Seite ihres kläglich jammern­den Geliebten gerissen. Der Genueser ge- rieth in Verzweiflung, und wurde in die­sem ihn ganz entstellenden Zustande von einem Türken gekauft, der mit seinem Wüchse und seinem Zustande zufrieden zu scyn schien. Jetzt hob der Türke dem Sclaven das Kinn mit vieler Sanftmuth in die Höhe, und wer gibt mir Farben, um den Blick zu zeichnen, der sich auf seinem Gesichte zeigte, als er in diesem Augenblicke in dessen Sclaven seinen Er­retter zu Livorno erkannte. Er traute lange Zeit seinen Augen nicht, und das Erstaunen benahm ihm anfänglich die Sprache.

Es war wirklich derselbe Türke, wel­chem der junge Genueser vor vier Mo­naten von seinen Ketten befreiet hatte. Nachdem er sich hievon überzeugte, hob er die Hände gegen Himmel, um seinen Propheten und alles, wa» ihm heilig war, zum Zeugen seiner lebhaftesten Freude zu nehmen. Er warf sich vor den Augen aller Anwesenden zu den Füßen seine» WohlthäterS, umarmte sie, und rief:O der Beste unter allen Christen, o der Groß- müthigste und Edelste «nter allen Men­schen.' So setzt mich denn brr Himmel in den Stand, daß ich dir selbst mein Vermöge», mein Leben und alles, wa»