meines Verderbens führen soll! Und nun ent­wickelte er mit innerer Erhebung, ja, mit einer Art von Begeisterung de» Gedanken, baß Gott ihn so wunderbar geführt und ihn am Ende sei­ner Laufbahn alles Glück der Erde gezeigt habe, um damit er durch ein gelassenes williges Opfer alles dessen, was dem Menschen am theuersten ist, einen kleinen Lheil seiner Schuld abtragcn, somit seine Büßung auf Erden schmerzhaft be­ginnen und in der andern Welt minder zu leiden haben sollte.

Froh und gerührt stärkte der fromme Greis seinen Schükling in diesen Gedanken, und ging hierauf zu Luitgarden, um ihr Bericht von Al­lem abzustatten und, ohne daß er cs wollte, durch seine warme Erzählung von der stillen Ergebung des Jünglings, von seinen frommen Entschlüssen, die längst genährte Flamme in ihrer Brust noch Heller anzufachen. In dem Augenblicke ging die Thüre auf und ein Mann i» mittleren Jahren, von hoher edler Gestalt trat in's Zimmer.

Gott im Himmel! Graf Lansky! rief Luid- gardc.

Der Graf stand betroffen. Ihr kennt mich, mein edles Fräulein, oder Frau? Ich wüßte nicht, daß ich jemals

Luitgarde errbthete heftig. Verzeiht, Herr Graf, wir vermutheten wir wußten

Ist mein Freund Martini» zu Hause?

Er ist seinem Sohne entgegengereist, der in rin Paar Tagen erwartet wird. Ucbrigens, Herr Graf, bi» ich des Grafen Nichte, und dieser geistliche Herr, Pater Augustin. Der Graf ging auf ihn zu und schüttelte ihm schweigend aber erschüttert die Hand; dann sah er Luitgarden scharf an: Sagt mir aufrichtig, mein Fräulein, woran und wie Ihr mich im ersten Augenblick erkanntet?

Wenn ich die Wahrheit gestehen soll eine seltsame eine unverkennbare Aehnlichkeit

Mit dem Räubcrhauptmann? rief der Graf heftig. O, so soll es denn wahr seyn? Soll ich einen langbeweinten einzigen Sohn nur gesunden haben, um die Schande meines Geschlechts an ihm zu erleben?

Der Geistliche trat hinzu und versuchte es, bas Schmerzliche dieses Gedanken zu milder», indem er dem Grafen die würdige Fassung, die fromme Ergebung des Unglücklichen schilderte. Er hörie in tiefen Kummer versenkt zu, dann wendete er sich an Luitgarden: Und Ihr, mein Fräulein, heißt ?

Luitgarde Branow.

Dacht ich's nicht! O, es muß sich alles ver­einen, um mich zur Verzweiflung zu dringen. Ihr seyd Fräulein Branow, die Tochter von Graf Martinitz Schwester?

Luitgarde nickte bejahend.

Ja, das sind ihre Lugen! So blickte Adel­

heid, so war ihr Wuchs. O Gott! Gott!! Und wißt Ihr auch, Fräulein, welches Loos Euch bestimmt war?

Mit einem schweren Seufzer sagte ^ : Ich weiß, Herr Graf, ich habe cso§ zahnet.

Und Ihr verabscheut den, den Euch die un­glücklichen Eltern bestimmt hatten? Ihr müßt ihn hassen.

Jetzt brachen Luitgardens Thräncn hervor. Ach, ich hasse ihn nicht, ich kan» ihn nicht hassen!

Was hör ich? Isis möglich? Einen Verbre­cher, einen Abscheu der Menschheit ?

Mir ist er nicht anders, als edel erschienen, sagte Luitgarde, indem ste ihreThränen zu trock­ne» und sich zu fasse» strebte. Und nun erzählte sie dem Grafen Alles, von der ersten Begegnung am Moldauufer bis zu ihrem letzte» Besuch im Kerker bei ihm- Graf Lansky hörte'ihr gespannt zu. Nach und nach schmolz sein empörtes Ge­misch zu weichern Gefühlen; väterliche Liebe, Mitleid und ein tiefer Schmerz über die treffli­chen Anlagen, die hier ein feindseliges Schick­sal zerstört hatte, nahmen Platz in seiner Brust; er erhob sich zuletzt mit Lhränen in den Augen und sagte: Nun, wenn cs denn wahr seyn und ich in dem Gefangenen mein verlornes Kind wieder finden soll, so laßt uns zu ihm gech».! , Eine marternde Un'gkwißhcit erträgt sich Mn schwersten, und ich weiß nicht, wovor ich mehr zittern soll: keinen Sohn zu haben, oder ihn so wieder zu sehn! Führt mich zu chm, Pater Augustin, und Ihr, edles Fräulein, Tochter der unvergessenen Jugendfreundin», Ihr seyd doch wohl so gütig, uns zu begleiten?

. gingen. Pater Augustin öffnete die Thüre «nes hochgewölbten, festvergitterten Zimmers, in welchem aber Reinlichkeit und freundliche Helle die Lintretendcn angenehm empfingen. Luitgarde mit hochschlagendem Herzen blieb au­ßer der halbgeöffneten Thüre stehen, um die er­schütternde Scene nicht zu stören. Der Gefan­gene stand von dem Tische auf, an welchem er in einem frommen Buche gelesen hatte, ging dem Geistlichen, so weil es seine Ketten erlaub­ten, entgegen und begrüßte ibn mit ehrerbietiger Freude. Die Blässe seiner Züge, die Langsam­keit seiner Bewegung zeugten von dem, was er gelitten, und bewegten die ihm geneigten Herze» in zarter Regung. Das ist ein Abgesandter de« Grafen von Lansky, sagte der Priester, der ge­kommen ist, Euch um die Umstände Eurer Iu- gendgeschichte und Eure Erinnerungen zu befra­gen. Ihr begreifet, von welcher Wichtigkeit Eure Aussagen und Eure Wahrhaftigkeit in die­sem Stücke seyn können.

(Beschluß in -er Beilage.)