Ein unruhiges Laufen i» den Straßen, das Treiben des Hausgesindes, Alles überzeugte sie am andern Morgen, daß die Nachricht der Zofe nur zu wahr war. Gefangen, mit Ungeheuern Ketten belastet, beinahe an jedem Gliede seines Körpers gefesselt und von einem Trupp Solda­ten mit geladenen Flinten und gezogenem Hahn begleitet, wurde er, ein willkommenes und jetzt noch furchtbares Schauspiel, durch die Straße» der Stadt auf einem von Wachen umringten Wagen geführt. Alles lief, ihn zu sehn, Alles erzählte vom schwarzen Fritz und Alles schien sich zu vereinen, um Luitgardcns Herz zu zer­reißen.

Ach, was bas ein schöner Mensch ist! Was er für prächtige Augen hat! rief die eine Zofe der andern in der Gallerie vor Luitgardens Lbiirc zu. Und hast du gcschn, sagte die zweite, wie er so wild und fürchterlich auf den Boden starrte und zuweilen die Ketten schüttelte, daß mich ob dem Rasseln schauerte?

Ja, es war, als wollte er die Leute schrecken, die ihn anzusehn gelaufen waren.

Nein doch, antwortete die zweite, ich glaube vielmehr, die schweren Kette» mäßen ihn nicht wensg drücken und schmerzen; er war ja an der rechte» Hand voll Blut, der arme Mensch.

Was fällt dir ein? Mitleid mit einem Stra­ßenräuber zu haben ?

Ach, es ist ein unglücklicher Mensch, erwie- derte jene, und wird cs jekt schwer büße».

Luitgardens Herz war zum Zerspringen voll, und in diesem Augenblicke, wo sie ihr halbes Vermögen darum gegeben hätte, sich in einer einsamen Stunde ausweine» zu können, kam Besuch an Besuch, und Jeder wiederholte die Erzählung von der Einbringung des gefürchte­ten Räubers, und wußte irgend eine Anekdote von ihm, erdichtet, oder wahr, die Luitgardcns Innerstes zerriß.

Die Verhöre des Befangenen sicngcn nun an, und mehrere Umstände über sei» Schicksal, seine Lhaten, seine Gefangennehmung wurden bekannt, doch nicht aus seinem Munde, den» er weigerte sich störrisch, etwas zu bekennen. Seine Mit­schuldigen sagten aus: er war im sächsischen Erzgebirge von einem Köhler erzogen worden, her, selbst Mitglied einer Diedsbande, den Kna­be», der ihn widerstrebend Vater nannte, zu rauhem, harten Leben und wilden Thaken an- hicle. Mit vierzehn Jahren entlief er und gc- ricth unter schwedische Freybeuter, die den hoch- gewachsenen" kühnen Knaben gern annähmen. Wilder Math und kalte Entschlossenheit mach­te» ihn zum Liebling seiner Kameraden, über die er bald eine Art von Oberherrschaft gewann.

Nach und nach sab er ein, wie viel ihm noch gebrach, zu seyn, oder zu werde», was Andere,, die glänzend vor ihm ständen. Ihn schreckte es

nicht ad, kn müßigen Stunden, wenn bieKame- radcn tranken oder spielten, lernte er lesen und schreiben, ja sogar militärisch Zeichnen. Bald wurde der Commandant des Corps auf ihn auf­merksam. Fritz wurde Unteroffizier und in kur­zer Zeit bei einer kühnen Expedition, die nur sein toller Muth unternehmen und ausführei» konnte, Offizier. Nun stand eine schimmernde Bahn vor ihm offen und alle Kraft seines Gc- müthS wandte sich aus Ehr- und Ruhmsucht.- Er wollte steigen, er wollte glänzen, herrschen, alles neben sich verdunkeln; den» ihm schwebte» aus dunkler Erinnerung Bilder eines bessern Zustandes seiner früher» Kindheit vor, als er in der schmutzigen Köhlcrhütie und unter seinen mie- driggesinnlcn Kameraden gefunden hatte.' Wer ihn an den Aufenthalt und sein Leben im Erz­gebirge erinnerte, hatte ihn tödlich beleidigt. Er nannte sich nicht mehr Fritz, sondern Diclo» rin; denn ihm klang eine dunkle Sage in der Brust, daß er einst mit diesem Name» war ge­rufen worden, und er strebte glühend darnach, de» Schimmer, der ihm, wie er glaubte, durch die Geburt gehörte, und den ein böses Verhäng- niß ihm entrissen, durch Tapferkeit und Talent wieder zu erobern. Aber ungeschmeidig, kühn und stolz,, Halle er von jeher versäumt, sich Freuit- de zu erwerben, undur seinen Thatcn vertraut die für ihn zeugen solllen. Seine Neider und Feinde wußten das zu benutzen, Unwürdigere, Jüngere wurden ihm vorgezogen, weil sie den Vorzug besaßen, de» er in den Augen der Welt nicht geltend machen konnte, obwohl er ihn zu haben fest überzeugt war, eine adeliche Herkunft. Das kränkte ihn am tiefsten und erfüllte seine Brust mit gehässigen Gefühlen. Dennoch stand er endlich im Begriff, seinen Wunsch zu errei­chen und als Hauplmann in ein Linicnregimcii't zu treten, als der Friede geschloffen, sein Corps aufgelöst, uud die meisten Truppen entlassen wurden. Nun war ihm alle weitere Hoffnung auf Ruhm und Glanz abgeschnimn, seine alte Wildheit erwachte, Noch, Verzweiflung, Rache stachelten ihii auf, brod- und herrenlose Kame­raden gesellten sich zu ihm, und der Entschluß bildete sich in ihm aus. sich an der bürgerlichen Gesellschaft zu rächen, die ihn ausgestoßen, die alle seine Plane auf Ehre und rechtliche» Besitz zerstört hatte. Bald hatte sich die Bande ge­sammelt, bald war er durch einstimmigen Zuruf zum Führer und Hauplmann erklärt. Die wil­desten Lhaten, die kühnsten Entwürfe waren sein Werk, aber auch die strengste Ordnung und ei­ne rauhe Rechtlichkeit unter den Mitglieder» seines furchtbaren Bundes. So war es ihm möglich, beinahe Unglaubliches auszuführen, und sich jeder Nachstellung, jeder Gefahr zu entziehen.

(Beschluß folgt.)