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stellt, gelangte die Kunde zum Kanzler des Ge- richtshöscs, der längst schon>o» Ferdinand dem Dritten den Auftrag erhalten hatte, mit größter Strenge und Eifer den fcrnern Fortschritten der Räuberbanden entgcgenzuwirken, und in Folge dieses Befehls jetzt einen hohen Preis auf de» Kopf des schwarzen Fritz gesetzt harte. Er ging sogleich selbst zum Grafen von Martinitz, und, seine Freiheit mit seiner Pflicht entschuldigend, bat er ihn im Namen des Gerichtshofes, Seiner Majestät, ja der guten Sache selbst, um bestimm­te und treue Auskunft. Der Anthcil feiner Nich­te an der wunderlichen Geschichte setzte den Gra­fen einigermaßen in Verlegenheit, doch beant­wortete er des Kanzlers Fragen so aufrichtig er konnte, und dieser verlangte endlich den Ring zu sehen. Luitgarde sollte ihn hergcbcn. Sie thal es mit dem größten Widerstreben, sie bar, sie kniete vor den Ohnm nieder, der ihn ihr abfor- dcrte, eine dunkle Ahnung flog Lurch ihre Seele, sic hätte so gern das Pfand der zarter» Achtung des Unglückliche» für sic, treu bewahrt, und nun in welche Hände sollte cs geralhcn! Doch der Oheim befahl in seinem Namen, im Namen der öffentlichen Ordnung und Ruhe, die durch die Nnrhate» des wilden Räubers lange genug war gestört worden. Luitgarde konnte sich nicht ent­ziehe». stumm und düster gab sie den Ring hin. Nun war der Unglückliche vielleicht verraihen und war cs durch siel Dcr Kanzler erkannte ebenfalls das Wappen der Grafen von Lanoky. Er nahm den Ring mit sich und verhieß ihn in­nerhalb acht Togen dem Grafen wieder zuzu- stellcn.

Diese acht Tage vergingen in einer peinlichen Spannung, und jemehr LuitgardenS Gefühl für den schauerlichen Verehrer in's Gedränge mit Sitte, Recht und älteren Banden kam, je leb­hafter schien cs sich ln Widerstand und Reibung zu entzünden, und eine unselige, schmerzltcksüße Vermuthung, die seit der nähern Bekanntschaft mit dem Rlnge sie tausendmal in wunderbare Träumereien, verlockte, vollendete den 'Zauber.

Ader aus den acht Tagen wurden zehen und endlich vierzehn. Luitgarde hatte cs in der Angst ihres Herzens gewagt, ihren Oheim an dcn Ring zu erinnern, und war mit finstern Mienen dar­auf hingewicscn worden, daß man jedes Mittel anzuwenden nicht blos berechtigt, sondern ver- xfltchiet sey, was zur Entdeckung und vielleicht zur Ergreifung eines so verruchten Verbrechers führen könnte, und daß er sich des Mitleids schä­me, das sich für ein solches Ungeheuer in der Brust seiner Derwandtin, der Braut seines Sohnes, zu regen scheine.

Luitgarde antwortete nichts auf diese Vorwür­fe, und beschloß zugleich, über diese Sache nie wieder ein Wort gegen den Oheim zu verlieren, der ihr, wie sie meutte, Unrecht ihm, und über­

haupt sich unrecht in diesem Verhältnis' benäh­me. Eine bittere Empfindung bemächtigte stich ihres Herzens, sie steng an, den Gedanken, die sie zu Vergleichungen lockten, nachzuhängen. Sic sann nach, was aus Friedrich, dem zierli­chen Wesen, das sich in allen Künsten versuchte, und in keiner Meister war, geworden wäre, wenn ihn das harte Schicksal hinausgestoßen hätte in die Wildniß, unter böse, verderbte Menschen, wenn er fein Leben, seine Freiheit gegen feindliche Mächte, und unter verbrecherischen Beispielen seine Tugend hätte behaupten sollen i Und sie versetzte nun den unglücklichen, gefallenen Jüng­ling mit seiner Willens- und Körperkraft, mit seinen Anlagen und seinem Mutbc in den Schoß einer liebenden Familie, sie dachte sich ihn unter rechtlichen Menschen, in adelichen Sitten, in je­der Hebung der Tugend und nützlicher Wissen« schafi erzogen, sie wagte es, das Bild auszuma- len, wenn er wirklich Victorin Lansky und ihr erster Verlobter wäre^ und sie erlag ihrem Schmerz und ihren Thränen.

So vergingen einige Tage. Da gab eines Morgens bei'm Frühstück ihr Oheim ihr de» Ring mit den Worten zurück: daß der Kanzler scincr nicht mehr bedürfe. Ein eiskalter «Schauer überlicsLuitgarden, sie nahm ihn schweigend aus seiner Hand, Mit einer gräßlichen Ahnung be­rührten im Spiel dcr Phantasie sie die Farben desselbender Carniol war ihr Victorins Blick, die Diamanten ihre Thränen um ihn; sie ver­ließ das Zimmer.

Noch am Abend desselben Tages siürtzte eine ihrer Zofen mit lauter Freude in ihr Kabinct, so eben verbreitet sich durch die Straßen von Prag das Gerücht: der schwarze Fritz sey gefan­gen und werde morgen in schweren Kette» und Banden in die Stadt gebracht werden. Luit­garde erstarrte. Die Dämmerung entzog dem Mädchen den Anblick ihres tvdilichen Erblei- chcns und sein geschäftiges Geplauder erlaubte ihr wortlos zuzuhörcn, oder vielmehr in schmerz­liche Gedanken zu versinken.

Und ich habe ihn »crrathcn! brach sic endlich in jammernden Tönen aus, als die Zofe das Zimmer verlasse» hatte. Daß er durch den Ring gefangen worden, daß man seine vermuihel« Neigung für sic zum Werkzeug seines Verder­bens gemacht hatte, war ihr unumstdßlich bewic- srnf und von diesem Augenblick an, da dem u». erbittlichen Gesetze genug geschehen und nun wei­ter von dem Furchtbaren nichts mcbr zu bcsor gen war, nahm ein tiefes, ein heiliges Mitleid, verbunden mit bitter» Vorwürfen gegen sich selbst und mit kein Bewußtseyn dcr Schuld gegen den, der, wenn auch gegen die ganze Welt unrecht, doch gegen sie edel gehandelt hatte, ihre Seele gewaltsam ein, und machte jede andere Nciguitst za jede Rücksicht daraus verschwinden.