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gab er dem Aufwarter Schuld, daß er ihn verführt und betrogen habe, rannte dann voll Wuth mit dem Kopfe gegen die Wand seines Gefängnisses, und würde ihn sich unfehlbar eingeschlagen haben, wenn es. die Gensdarmen nicht verhin­dert hatten. In den beiden folgenden Tagen widerstand er der brennenden Trink­luft und begnügte sich, wie früher, da­mit, den Mund mit Wasser auszuspülen. Gegen Abend und in der Nacht fühlte er sich erschöpft, gegen Morgen aber wie- der erquickt. Wahrend dieser beiden Ta­ge schrieb er ein Gedicht an einen Freund, einen Abschied an ihn, an seine Familie, an das Leben, in sechzehn vierzeiligen italienischen Stanzen, voller Empfindung, Kraft und Poesie, worin er seine Unschuld betheuert und sich auf den Himmel be­ruft. Am sechzehnten December, um drei Uhr Morgens, fühlte er sich von neuem ganz kraftlos; ohne Puls, ohne Stimme, ohne alle Lebenswarme erwar­tete er seinen letzten Athcmzug, aber um zehen Uhr kehrten Leben und Wärme zu­rück. So dauerte es bis zum sicbenzchn- ten und diesen ganzen Tag hindurch. Von da an bis zum zwanzigsten Dezember wankte Viterbis Beharrlichkeit keinen Au­genblick. Er schlug entschiedener als je, Speise und Trank aus, widerstand den Höllenqualen des Durstes, und fuhr nur fort von Zeit zu Zeit seine geborstenen Lippen und seine brennenden Augcnlieder mit Wasser zu netzen, ohne auch nur einen Tropfen zu schlürfen.

Der qualvollste Tag für den Unglück­lichen war der neunzehnte Dezember, der einzige, wo man ein paar Thränen sei­nen Augen entrinnen sah. Bald aber er­mannte er sich wieder, und sprach zu sei­nen Wächtern nnd Wärtern:Ich setze es durch es gehe wie es gehe; mein Geist ist starker als mein Körper, er muß siegen und der schwächere Theil endlich nachge­ben."

Zu den andern Uebeln gesellte sich eitle eisige Kälte. Todesschauer schüttelten den Elenden; er war wie ein Marmorstein, und schon hatte ihn bis an den Unterleib alle Wärme verlassen, so daß er bis zu den Hüften in einem Eisbade zu sitzen glaubte. Eben auch am neunzehnten December fühlte er einen ungewohnten Schmerz im Herzen, und ei» seltsames Sausen und Brausen in den Ohren. Er konnte den Kopf nicht mehr aufrecht hal­ten. Nur sein Gesicht war vollkommen gut, und er machte sich durch Zeichen mit den Händen verständlich. Am zwanzig­sten December erklärte er durch diese Zei­chen dem Gssangcnwarter und dem Arzt; er wolle kein Wasser mehr, die Lippen zu benetzen. Er streckte sich hierauf lang aus, fragte die Gensdarmen, ob er so recht liege? und setzte hinzu:Ich bin bereit, diese Welt zu verlassen." Der Tod blieb nicht lange aus. Am ein und zwanzig­sten Dezember war Biterbi nicht mehr. Bis zum zwanzigsten hatte er sein Tag­buch geführt, dessen Mittheilung feiner Familie abgeschlagen wurde.

In einer Gesellschaft wurde dem Dich­ter Namler von einem Bedienten ein Tel­ler dargebotcn, worauf ein Glas mit Wasser und eins mit Wein stand, dieser fragte, was ihm gefällig seh? Nam­ler antwortete sogleich:

Immer Wasser, muß man sterben. Immer Wein, muß man verderben. Eh! besser Wein und verdorben.

Als Wasser und gestorben.

Der Stadtrichter an die Bürger.

Ihr nehmt das Landrecht euch zum Schild?'

Das Hab ich endlich satt!

Denn wißt: was auf dem Lande gilt, DaS gilt nicht in der Stadt!,