s»6

weile» schrecklich. Aengstlich fragte ich den Arzt, wie es mit meinem Beine ste­he? Er meinte, der Schuß sei, nicht halb so gefährlich, als der Frost. Das Bein mir aber zu zeigen, weigerte er sich hartnäckig, und rollte, wenn er es verband, mir jcdeöma! die Bettdecke so nahe vor die Augen, daß ich nicht hinüberschauen konnte. Die Nägel lösten sich sämmtlich Von den schwarzen Händen und Füßen ab. Das Fleisch wurde mit Schecren ab­geschnitten. Welche Angst, welches Schre­cken, wenn ich mir die Folgen dachte! Es stellte sich hierauf ein gänzliches Nach­lassen aller Schmerzen, und eine solche Kraftlosigkeit ein, daß ich abermals acht Tage ohne Bewußtsepn da lag. Als end­lich wieder die Besinnung zurückgekehrt war, zeigte mir nur das Kvpfschütteln, und die besorgte Miene der Priorin, daß sich mein Bein bedeutend verschlimmert haben müsse; auch bestätigten neue, un­geheure Schmerzen ihre Dermuthung nur allzusehr.

Es war am Tage der heiligen drei Könige, als mir der Arzt andcutete: Wenn ich mein junges Leben retten wolle, so müsse ich mich einer kleinen Operation unterwerfen. Nur mein linkes Bein müs­se mir, um die nahe Gefahr des Todes zu entfernen, oberhalb dem Knie abge­nommen werden.

Gott, welch eine Schreckensnachricht! Ein Krüppel! So theuer sollte ich mein Leben erkaufen? Kläglich sichte ich um Schonung, weinend bat ich, mein Leben auf jede andere, vielleicht noch mögliche Weise zu erhalten. Der schauderhafte Ge­danke, vor meinen Theuren im lieben Vaterlande als ein xämmcrlichcr Krüppel zu erscheinen, machte es mir wünschens- werth, viel lieber zu sterben. Die Non­nen alle umringten mein Lager, sahen den Kampf meiner Gefühle, und blickten einander mit theilnehmenden Mienen an. Flehend streckte ich meine geschwollenen

Arme nach der Dolmetscherin meiner Wor­te aus. Vor Angst und Schmerzen ver­mochte ich kaum dieses einzige: Rettung! zu lallen. Lille, besonders aber zwei fran­zösische Offiziere, auch Leidensbrüder, baten, stritten für die Erhaltung meines Beines. Da endlich verließ der Arzt mit seinen Gehülfen mich voll Verdruß. Er schied von mir mit den Worten:So bereite dich zum Tode!"

Ein dumpfer Schmerz bemächtigte sich meiner ganzen Seele. Mit der größten Geduld, mit unerschütterlicher Standhaf­tigkeit hatte ich die entsetzlichsten Schmer­zen, oft so ungeheure Qualen, daß ich in der Verwirrung selbst meiner Wohltha- terin beim Verbinden geflucht hatte, über- standen , und nun sollte ich dennoch ster­ben, dennoch dem Leiden unterliegen, nach langen, namenlosen Aengstcn und Qualen ?

Die Nonnen fragten mich: ob ich jetzt einen Priester verlange? Sie wußten, daß ich ein Protestant sei). Ich fragte in meiner großen Angst: ob nicht ein pro­testantischer Geistlicher in der Nähe sch 2 Zwanzig Meilen von hier," war die trübe Antwort. Meine französischen Lei­densgefährten riefen bittend, ich möchte doch einen katholischen Priester, der gut französisch spräche, rufen lassen. Ich, vor Angst schon halb tobt, folgte ihrem Rathe. Der Priester, ei» ehrwürdiger Greis, kam. Leider hinderten ihn seine religiösen Vor- urtheile, mir den Trost zu geben, der mir außerdem gewiß durch ihn zu Theil ge. worden sehn würde. Er hielt es für be­denklich, als Protestant zu sterben. Doch in diesem meinem guten Glauben ver­mochte nichts in der Welt, mich zu er­schüttern. Als er mich segnend verließ, gab ich ihm, vom freudigsten Autrauen begeistert, die prophetischen Worte auf den Weg:Ich weiß es, ich werde dennoch Gnade finden vor dem, der ein Vater ist Aller."

(Beschluß folgt.)